Entsorgte Geschichte: Der inszenierte Fall des VW-Gesetzes

Gerichte, Regierung und Kapital spielten sich die Bälle zu. Auch in Wolfsburg soll wieder »Ordnung« herrschen

Bundes- und Landesregierung von Niedersachsen hatten es nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Dienstag auffallend eilig zu erklären, daß es zügig umgesetzt werde. Als hätten sie darauf gewartet. Bereits 1988 hatte die Bundesregierung ihren Anteil an VW verkauft, das Gesetz für überholt erklärt und die Grundlagen für das jetzige EuGH-Urteil gelegt: Den Machtwünschen des VW-Vorstandes und den unverfrorenen Ansprüchen des Porsche-Piëch-Clans wurde nun Rechnung getragen. Entsorgte Geschichte: Der inszenierte Fall des VW-Gesetzes weiterlesen

Volkswagen – der entfesselte Riese?

Vorbemerkung:

Ein Artikel von mir aus „SOZIALISMUS 6/2004, der wenig an Aktualität verloren hat – einige Personen haben gewechselt, ansonsten wird der Plan für die Hartz-Gesetze im VW-Labor ausprobiert.

Das Foto oben (der gefesselte Riese) ist aus dem Vortrag von Personalvorstand Peter Hartz bei einer Betriebsräteversammlung am 29. April 2004.

 

Die Demagogie wird zur materiellen Gewalt, wenn die Standortfalle zuklappt!

„Ein Quäntchen Angst am Arbeitsplatz könne die Leistungskraft entscheidend steigern, meinen zwei Kölner Betriebswirtschaftler. Ihr Rat an die Manager: Mehr Mut zur Macht!“

Diese krude Idee von zwei wohl Aufträge suchenden „Wissenschaftlern“  könnte man getrost in den Papierkorb werfen, lägen sie damit nicht genau im Zeitgeist. Eine ganze Seite war dieser menschenfeindliche Gedanken-Abfluss dem „manager magazin“ wert. Möglicher weise handelt es sich dabei aber auch nur um eine Blaupause der tarifpolitischen Strategie von Volkswagen für das Jahr 2004, die von der Manager-Idee beseelt scheint, „die Mitarbeiter aus der Komfortzone“ zu holen.[2] Der Begriff „Zone“ ist hier kaum zufällig gewählt, wurde doch über die ehemalige „Ostzone“ gerade als künftige „Sonderwirtschaftszone“ orakelt. Merkmale dieser „Sonderwirtschaftszonen“ sind, neben Steuerfreiheit, die „Befreiung“ von arbeitsrechtlichen Normen, von Tarifverträgen, Koalitionsfreiheit und von Gewerkschaften. Volkswagen – der entfesselte Riese? weiterlesen

Volkswagen: Keine Beschäftigungssicherheit nirgendwo

Ein Gewerkschafter aus Sao Paulo in Brasilien bemerkte im Sommer diesen Jahres, als Volkswagen tausende Arbeitsplätze abbauen und sich aus historischer und sozialer Verantwortung stehlen wollte: „Volkswagen führt Krieg gegen seine Arbeiter“; das war die nüchterne Feststellung, auf die die Strategie der Interessenvertretung aufbaute. Nach tagelangem Streik wurden die Kündigungen zurück genommen und ein Programm zum Personalabbau mit Abfindungen angekündigt. Während diese Auseinandersetzung in Brasilien noch nicht beendet ist, während fast gleichzeitig in Spanien/Pamplona und in Puebla/Mexiko aus gleichen Gründen gestreikt und über Ursachen und Verantwortliche der Krise diskutiert wird, ist der „Krieg gegen die Arbeiter“ im deutschen Modellbetrieb Volkswagen angekommen. Volkswagen: Keine Beschäftigungssicherheit nirgendwo weiterlesen

Hartz V in Wolfsburg

27.8.2004, Neues Deutschland
Angeblich haben wir die Wahl: Jobs oder Mäuse! Wer sich auf diese falsche Gegenüberstellung einlassen muss oder will, sitzt in der Falle. Das erleben jetzt Langzeitarbeitslose mit dem Arbeitslosengeld II und dem Zwang zur Annahme jeglicher »Arbeit«. Maxime der »größten Reform am Arbeitsmarkt« ist das protestantische Arbeitsethos: Jede (Lohn-) Arbeit sei prinzipiell besser als keine. Wie gut diese Ideologie zum globalen Kapitalismus passt, wusste schon Max Weber. Nur zu gern bedienen sich die Regierenden dieses Fundamentalismus. Ist aber die Aussicht auf ordentliche Arbeit nicht Opfer wert? Nach DaimlerChrysler bietet jetzt der Vorstand von VW in Wolfsburg »gesicherte« Arbeitsplätze gegen Lohnverzicht und längere Arbeitszeiten. Auch hier finden wir die Koalition von Kabinett und Kapital. Niedersachsens FDP-Wirtschaftsminister hat ungebeten erklärt, Kosteneinsparungen seien notwendig und machten konkurrenzfähiger. Wer nicht willig ist, dem wird mit Produktionsverlagerung gedroht. Sollten sich die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft darauf einlassen, will Peter Hartz keinesfalls Jobs garantieren. Er will nur eine »Selbstverpflichtung« abgeben und »glaubt«, der Arbeitsplatzerhalt werde gelingen. Die Vereinbarung bei VW, mit dem Projekt 5000 x 5000 den Standort Wolfsburg auszulasten und so Beschäftigung zu sichern, ist genau zwei Jahre alt. So ist das mit der Beschäftigungssicherung: Sie hält gerade bis zur nächsten Kostensenkungs- und Konkurrenzerhöhungsrunde. So wird auch die jetzige »Selbstverpflichtung« enden. Die Opfer indessen, die gebracht werden sollen, sind kontraproduktiv im wahrsten Sinne des Wortes. Längere Arbeitszeiten führen zu sinkender Produktivität, zu mehr Unfällen, zu mehr Krankheit, zu mehr Arbeitslosen. Sinkende Einkommen führen zu Knappheit und Armut, zu weniger Absatz auch für VW. Die Ideen von Hartz V sind so abenteuerlich wie die von Hartz IV. Dem VW-Arbeitsdirektor zufolge leben wir in einer »Ein-Zehntel-Gesellschaft«, weil wir »nur« ein Zehntel unserer Lebenszeit arbeiten. Da sei es zumutbar, auf Pausen zu verzichten und Krankheiten nachzuarbeiten. Bei den teuren Maschinen sei es den Beschäftigten zuzumuten, »Co-Investment« – Entgeltverzicht und unbezahlte Mehrarbeit – zu leisten. Andernfalls wird dort investiert, wo die Unterordnung der Beschäftigten besser funktioniert. So lehren uns Hartz I bis V den Nutzen der Solidarität aller, die von Sozialabbau betroffen sind – über die Landesgrenzen hinaus. Der Autor ist Mitglied des Wolfsburger VW-Betriebsrats