Volkswagen im Krisenmodus – schlechte Bilanz übertüncht

Foto: Steve Cochran von der UAW aus Chattanooga / Tennessee und Markus Dufner von den Kritischen Aktionären bei der VW-Aktionärsversammlung in Hannover

Ein erster Bericht von der Aktionärsversammlung von VW am 10.5.2017

Aufsichtsrat und Vorstand beantragen die Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand bei der Hauptversammlung von Volkswagen, bei der über 90 Prozent der Stimmrechte bei den Anteilseigner liegen, die im Aufsichtsrat vertreten sind. Es droht von unzufriedenen Kleinaktionären so wenig Ungemach wie von Fondvertretern oder Investmentbankern, die auf höhere Dividenden spekulieren. Ungemach droht aber weiterhin von den Justizbehörden in den USA und vielen anderen Ländern, durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren in Stuttgart und Braunschweig gegen Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder. Weiter gibt es „behördliche Untersuchungen“ in über 40 Ländern, etwa 3.000 zivilrechtliche, etliche strafrechtliche Verfahren und hunderte Anlegerklagen. Der monetäre Schaden des Abgasbetruges liegt, ohne den Wertverlust der Aktien zu berechnen, wohl knapp unter 30 Milliarden Euro. Trotz Ankündigung von „rückhaltloser Aufklärung“ der Gewinnung von Vertrauen  wurde jetzt mitgeteilt, dass es keinen Abschlussbericht der Untersuchung geben wird, „um Schaden vom Unternehmen abzuwenden“. Wenngleich Kritik am Umgang mit dem Abgasbetrug durch die Konzernführung aufkam, milder gestimmt wurden die Aktionäre durch die Bilanz für 2016, in der 5,4 Milliarden Euro Gewinn ausgewiesen werden – allerdings bei Auflösung von Rückstellungen und der Erhöhung der Finanzschulden um zusammen gut 20 Milliarden Euro. Hinzu kommt eine Änderung in der Bilanzierung, von der die Marke Volkswagen profitiert. „Bislang war der tendenziell renditeschwächere ausländische Vertrieb anderer Töchter aus dem Konzern der Marke VW zugeordnet. Der Konzern hat in vielen Ländern nur eine Vertriebsgesellschaft, die dann wiederum alle Marken verkaufen. Die Kennzahlen dieser ausländischen Vertriebsgesellschaften werden nun dem Konzern zugerechnet und bei der Marke VW herausgenommen. Der Umsatz fällt stärker als der Ertrag, was bei der Marke Volkswagen zu einer höheren Rendite führt.“ (Handelsblatt, 3.5.2017)

Die leicht gestiegene Zahl ausgelieferter Fahrzeuge (10,3 Mio.) ist ein Zulassungsrekord, der mit aufgeblähten Vertriebskosten von fast 23 Milliarden Euro, mit teuren Rabattaktionen, zehntausenden Eigenzulassungen und hunderttausenden Tageszulassungen erkauft wurde – und im ersten Quartal 2017 schon eine kräftige Delle bekommen hat: Von den VW-Modellen wurden rund 200.000 weniger verkauft als im ersten Quartal des Vorjahres.

Für Ärger sorgten andere Entscheidungen, mit denen die Aktionäre konfrontiert wurden:

Die Vorstands- und Aufsichtsratsvergütungen wurden neu geregelt – trotz der gigantischen Strafzahlungen sollen die Vorstandsmitglieder zwischen 5 Mio. Euro (Vorstandsmitglieder) und 10 Mio. Euro (Vorstandsvorsitzender) pro Jahr erhalten. Den Aufsichtsratsmitgliedern soll die fällige Umsatzsteuer für die zusätzlichen Sitzungsgelder vom Unternehmen erstattet werden.

Der BUND-Vertreter Jens Hilgenberg, der für die Kritischen Aktionäre sprach, kritisierte die Unternehmens-Planung: mit 10 Milliarden Euro Investitionen in die Entwicklung von Verbrennungsmotoren, mit großen SUV`s und starken Dieselmotoren will VW die Profite in den nächsten Jahren realisieren, obwohl noch immer der Großteil der neu auf die Straße kommenden Diesel-Pkw den gesetzlichen Grenzwert für klima- und gesundheitsschädliche Stickoxyde lediglich auf dem Prüfstand im Labor erreicht: „Dieser Vorstand erweckt den Anschein, man müsse zur Reduktion der Klimagase die gesundheitliche Belastung durch Stickoxide in Kauf nehmen.“ Die Orientierung auf immer größere Autos blockiert die Verkehrs- und Energiewende, die in neuen Geschäftsfeldern geplanten Mobilitätsangebote sind ein direkter Angriff auf den Öffentlichen Personennahverkehr.

Ebenfalls mit Unterstützung der Kritischen Aktionäre sprach ein Steve Cochran, VW-Arbeiter aus Chattanooga/USA im Namen der Automobilarbeitergewerkschaft UAW. Die Verstöße von VW gegen das amerikanische Arbeitsrecht und die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation sind ein Verstöße gegen die Menschenrechte, gegen die eigenen Normen und demoralisieren die Beschäftigten. VW unterbinde in Chattanooga jede gewerkschaftliche und betriebliche Vertretung, es gäbe keinen Tarifvertrag. Warum, so Steve Cochran von der UAW, verweigert VW die Verhandlungen, erkennt die UAW als Verhandlungspartner nicht an? Warum gäbe es ausgerechnet und nur in den USA bei VW Ausnahmen von der gewerkschaftlichen Vertretung und der betrieblichen Mitbestimmung? Der VW-Personalvorstand Blessing erklärte in aller Offenheit die Gegnerschaft zur Wahl der UAW: VW wolle „keine Lokführergewerkschaft im Betrieb haben“. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Quellen wurde bekannt, dass Volkswagen 900 Mio. Dollar Subventionen vom Staat erhalten hat und dafür unter anderem eine Anti-Gewerkschaftsklausel unterschrieb.

Das Sparprogramm, die Vorgaben für Produktivitätssteigerungen von 25 Prozent in vier Jahren, die scharfe Konkurrenz zu den anderen Autoherstellern – allein BMW will in den nächsten Jahren seine Kapazität um 600.000 PKW erhöhen –  führen nicht nur zur Planung eines weltweiten Stellenabbaus von ca. 60.000 Stamm- und Leiharbeitern, sondern sind, wie VW-Chef Müller sich äußerte, eine direkte Bedrohung für die Beschäftigten auch der anderen Autohersteller: Sparprogramm, Leistungsverdichtung und Personalabbau seien der VW-Zukunftspakt, „der unseren Wettbewerbern noch bevorsteht.“ Die eigentlich schlechte Bilanz von Volkswagen wurde von Müller und Pötsch weitgehend mit schönen Zukunftsbildern übertüncht.

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