Ford beendet Produktion in Saarlouis: Wenig Widerstand, keine Zukunft

Ford-Management hetzt Belegschaften aufeinander – und gewinnt. 6.000 Arbeitsplätze direkt betroffen. Die Regierung moderiert nur, greift aber nicht ein.

Ford hat einen unfairen und spalterischen Standortwettbewerb zwischen den Werken Valencia und Saarlouis veranstaltet. Trotz Hilfe von Bund und Land schien lange Zeit offen, ob mehrere Tausend Arbeitsplätze im Saarland zu retten sind, wenn der Focus dort nicht mehr gebaut werden wird. Schon 2021 schrumpfte der Fordabsatz in den wesentlichen europäischen Märkten um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2019. Beide Werke in Saarlouis und in Valencia – die lokalen Manager, Betriebsräte, unterstützt von Politikern – sollten Konzepte vorlegen für die Ansiedelung der Produktion neuer E-Autos. Sprich: Lohnzugeständnisse, Effizienzsteigerungen, Subventionen. Die saarländische Regierung hat dem Unternehmen Subventionen in Aussicht gestellt, wenn es sein bestehendes Werk für die E-Auto-Fertigung umrüstet. Die Regionalregierung von Valencia hat das gleiche getan. Selbst die Bundesregierung war am Angebot zur Sicherung des Werkes in Saarlouis beteiligt: Sollte Ford es wünschen, wird die Politik für Umschulungen der Mitarbeiter gern und großzügig zahlen.

Nun also überraschend und ziemlich geräuschlos eine Tarifeinigung bei Ford Saarlouis: „Es gibt einen Verlierer“, schreibt die Saarbrücker Zeitung am 8. Februar 2024, wo es doch tatsächlich ein paar tausende Verlierer*innen gibt. Die zuständige IG Metall Geschäftsstelle aus Völklingen zeigt sich halb zufrieden: „Für Klarheit und Sicherheit zu sorgen, das war der Auftrag der Metallerinnen und Metaller bei den Ford Werken in Saarlouis an die IG Metall Tarifkommission. Diese Klarheit und Sicherheit wurde nun mit der Unterzeichnung des heutigen Eckpunktepapiers für einen Sozialtarifvertrag erreicht. Besser als gute Sozialbedingungen wären weitere tarifliche Arbeitsplätze und ein Autobauer für Saarlouis gewesen. Deswegen ist der teuerste Sozialtarifvertrag aller Zeiten im Saarland nur die zweitbeste Lösung für den Standort und die Beschäftigten. Der Dank gilt allen IG Metall-Vertrauensleuten, Mitgliedern und-Mitstreiter*innen, die dieses Ergebnis durch ihre Solidarität ermöglicht haben“, so Lars Desgranges, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen.

Weder die Landesregierung noch die IG Metall konnten ihre Versprechen einlösen: Zukunft oder Widerstand. Ford beendet die Produktion in Saarlouis, inklusive Zulieferpark sind etwa 6.000 Arbeiterinnen und Arbeiter unmittelbar betroffen. Ein paar Warnstreiks haben – natürlich – nicht ausgereicht, um das Management von Ford, u.a. ex-Audi-Manager Martin Sander und Großaktionäre wie Blackrock zum Umdenken zu bewegen. Nach monatelanger Geheimnistuerei ist diese Nachricht für die Arbeiterinnen und Arbeiter von Ford sehr bitter. Seit mehr als einem Jahr werden sie mit Blick auf die Zukunft der Arbeitsplätze hingehalten. Es wurden Hoffnungen geweckt, um die Kampfeslust zu unterbinden. Die Unsicherheit wuchs und es fehlt der Plan B.

In der Zeitleiste der Informationen des Betriebsrates sieht das so aus:

März 2023:

Auf dieser Basis hat der Betriebsrat in seiner Sitzung am Dienstag, den 28. März 2023, die folgende Betriebsvereinbarung „Saarlouis 1“ abgeschlossen: 1000 Ford Arbeitsplätze in Saarlouis bis 2032 gesichert.

Ihr alle kennt die Historie seit dem 22. Juni 2022 – dem Tag, an dem Ford die GE2 Entscheidung (Schließung der Produktion in Saarlouis) verkündet hat. Keinen einzigen Ersatzarbeitsplatz, geschweige denn einen Lösungsansatz, konnte Ford damals für den aus Ford-Sicht unterlegenen Standort Saarlouis aufzeigen. Diese Zusage ist das Herzstück der jetzt abgeschlossenen Betriebsvereinbarung, denn für diese 1000 Ford Arbeitsplätze gilt eine Beschäftigungssicherung bis zum 31.12.2032. Also für weitere 7,5 Jahre!

Juli 2023:

Nachdem die vier Vereinbarungen zwischen Ford, Landesregierung, Betriebsrat und Investor unterschrieben waren, gab es unmittelbar erneute, positive Investorenbesuche. Als Belegschaft haben wir auch hier wieder ein sehr gutes Bild abgegeben und jeder konnte sich davon überzeugen, welches Potential in dieser Mannschaft steckt.

Oktober 2023:

Wir haben in unserem Arbeitsteam einen wesentlichen Grundstein dafür gelegt, eine Investorenlösung hier in Saarlouis zu realisieren. Inmitten der Schlussverhandlungen zu unserer Betriebsvereinbarung hinsichtlich der zukünftigen Arbeitsbedingungen, kam dann in der letzten Woche die plötzliche und unerwartete Absage des Investors an Ford und die Landesregierung. Es liegt kein MoU (Absichtserklärung) vor, es liegt keine Investorenzusage vor, es gibt keine Verträge!

Nachdem die vier Vereinbarungen zwischen Ford, Landesregierung, Betriebsrat und Investor unterschrieben waren, gab es unmittelbar erneute, positive Investorenbesuche. Als Belegschaft haben wir auch hier wieder ein sehr gutes Bild abgegeben und jeder konnte sich davon überzeugen, welches Potential in dieser Mannschaft steckt. Jeder Beschäftigte erhält für die bisher erbrachten Leistungen, unter den erschwerten Rahmenbedingungen (Ungewissheit), mit Auszahlung des Oktoberentgelts 2023, eine Treueprämie in Höhe von 2500€ Brutto. Sollten die Sozialtarifverhandlungen von beiden Seiten weiterhin konstruktiv und zielführend geführt werden und es nicht zum vorzeitigen Scheitern der Sozialtarifvertragsverhandlungen kommen, erhält jeder Beschäftigte mit der Dezemberabrechnung 2023 weitere 1.500€ Brutto.

Teils von der IG Metall und aus diversen Presseberichten: Ford wird den Focus im Werk Saarlouis ein halbes Jahr länger fertigen als geplant; die Produktion sollte im Mai 2025 enden. Außerdem will der Konzern 1.000 Beschäftigte am Standort bis Ende des Jahres 2032 weiterbeschäftigen. Zusätzlich wird es Abfindungen und Prämien geben, eine Transfergesellschaft und Qualifizierungsprogramme. Darauf haben sich der Betriebsrat, die Gewerkschaft IG Metall und der Autohersteller Ford geeinigt. Die Regelung betrifft insgesamt 3.750 Beschäftigte.

Betriebsratschef Markus Thal verkündete das am Mittwoch (7. Februar) auf einer Belegschaftsversammlung. Demnach habe er eine Eckpunktevereinbarung mit der Geschäftsführung von Ford Deutschland unterzeichnet. Die IG Metall und Ford hätten einen dazugehörigen Sozialtarifvertrag unterschrieben.

„In keinem Betrieb in Deutschland gibt es ein vergleichbares Gesamtpaket“, argumentierte Thal. Die IG Metall will ihre Mitglieder bei Ford voraussichtlich am 22. Februar abstimmen lassen, ob sie dem Sozialtarifvertrag zustimmen. Die Alternative wäre ein unbefristeter Arbeitskampf, der Kampf um eine allgeneine Arbeitszeitverkürzung, eine permanente Betriebsversammlung oder die Besetzung des Betriebes mit dem Ziel, etwas sinnvolles und nachhaltiges für die Verkehrswende zu produzieren. Der Betriebsrat empfiehlt, den Vorschlag anzunehmen. „Aus unserem Blickwinkel wurden in einem intensiven Prozess alle Punkte auf ein Maximum ausverhandelt“, kommentierte der Betriebsrat.

Foto: IG Metall Völklingen

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