Roter Teppich für Elon Musk? Niemand braucht eine neue Autofabrik!

Die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger von Grünheide ernst nehmen, das Ergebnis der demokratischen Abstimmung akzeptieren und umsetzen! Vertrauen in die Demokratie nicht weiter erschüttern.

Arbeiterinnen und Arbeiter, Solidarität in Skandinavien zwingt Elon Musk in die Knie, in Deutschland und seitens der IG Metall wird dem Gewerkschaftshasser der rote Teppich ausgerollt.

Elon Musk gilt mit einem geschätzten Vermögen von 205 Milliarden US-Dollar (Februar 2024) als reichster Mann der Welt, als Verschwörungstheoretiker, Gewerkschaftshasser und Antisemit. In Deutschland wurde er berühmt als Erbauer (also er hat erbauen lassen) der Giga-Factory in Grünheide bei Berlin – mit hörigem Betriebsrat und ohne Tarifvertrag. In zehn Stunden sollten dort Elektro-Autos gebaut werden, 500.000 Stück im Jahr – eine grandiose Ankündigung und eine Kriegserklärung an die etablierten Autohersteller. VW braucht nach eigenen Angaben ca. dreißig Stunden, um ein Auto zu bauen. Ich will mich hier nicht auf Zahlenspielereien bezüglich Fertigungstiefe einlassen – aber 10 Stunden oder dreißig Stunden sagen ohne weitere Kenndaten gar nix aus. In einer zweiten Ausbaustufe, um die es jetzt im Frühjahr 2024 geht, soll die Kapaztät weiter auf bis zu 1 Millionen pro Jahr erhöht werden. Tatsächlich wurde mit etwa 9.000 Beschäftigten bisher knapp die Hälfte der geplanten Autos (250.000) produziert. Zum Vergleich: In Wolfsburg wurden mit 17.000 Beschäftigten gut 400.000 teils sehr verschiedene Autos produziert – trotz vielfältiger Störungen und Kurzarbeit, ähnlich in den Werken Emden und Zwickau.

Kurzer Rückblick:

21.11.2019; Brandenburg setzt eine Tesla-Task-Force zur Unterstützung der sogenannten „Giga-Factory“ von Tesla in Grünheide ein mit Ministerpräsident Woidke an der Spitze: Geheimhaltung wird großgeschrieben. Der Produktionsstart war für 2021 angesetzt.

Dann wurde geholzt, nämlich der Wald, und gebaggert und gebaut. Die ersten Angestellten wurden eingestellt und schnell ein Betriebsrat gewählt, bevor die Produktionsarbeiter hätten mitreden können.

6.10.2020; Eine Stunde dauerte das Gespräch. Der Ministerpräsident und Wirtschaftsminister von Brandenburg sowie der Tesla-Chef redeten bei Musks Deutschlandbesuch über Batterietechnik, die neue Fabrik in Grünheide – und über die vielen Vorschriften in Deutschland. „Er hat uns eine Hausaufgabe gestellt“, berichtet Jörg Steinbach, Wirtschaftsminister von Brandenburg, im Handelsblatt-Interview. „Die deutschen Behörden sollten mal alle Regeln und Richtlinien durchforsten und prüfen, ob man nicht auch mit der Hälfte auskommen könnte, und darauf achten, damit auch nachhaltige Projekte schneller umgesetzt werden können, da der Klimawandel nicht wartet.“ Bislang arbeitet Tesla mit vorläufigen Genehmigungen, nach Bundesimmissionsschutzgesetzes ist das möglich, aber nicht so einfach. „Bei jedem Antrag müssen alle Fachbehörden abgefragt werden. Und alle Bereiche müssen übereinstimmend zu einer positiven Genehmigungsprognose kommen“, sagt Steinbach. „Man kann also nicht sagen, dass die positive Genehmigungsprognose mit der ersten oder zweiten Erlaubnis ausreicht. Das sind Dinge, die Musk hinterfragt, weil sie sehr kompliziert und arbeitsaufwendig sind.“ Eine Beschwerde sei das nicht gewesen, berichtet Steinbach. Musk habe das „mit einem breiten, dem ihm eigenen Lachen“ vorgebracht. Der Tesla-Chef, schwärmt der Minister, ist eng mit der Baustelle verbunden, lässt sich jeden Abend Bericht erstatten. „Er kennt jeden Schritt – und das brachte ihn dann zu dieser etwas provokanten Bemerkung.“ Kürzlich endete eine Anhörung, in der zahlreiche Bürger, Anwohner und Verbände Bedenken aufgrund von Lärm- und Immissionsschutz sowie um die Wasserversorgung vorgebracht hatten.

Ein Großteil des Gesprächs mit Musk betraf ein anderes Thema: Steinbach ist Chemiker, Musk hat einen Bachelor-Abschluss in Physik. „Für 20 Minuten sind wir in die Tiefen der Elektrochemie und Ingenieurtechnik eingestiegen.“ Dabei plauderte Musk über die Pläne, neuartige Batterien zu bauen, mit denen die Reichweite eines Elektroautos um 54 Prozent steigt und die Kosten pro Kilowattstunde um 56 Prozent fallen. „Dem Tesla-Team kann man nur gratulieren. Sowohl bei der Wärmeentwicklung als auch vom Gewicht her wäre diese Technologie ein großer Schritt nach vorn – und so auch für Flugzeuge interessant“ – schwadroniert der Wirtschaftsminister. Das Interesse von Steinbach deckt sich mit dem von Tesla, denn Musk will in Grünheide eine Batterieproduktion aufbauen, hat allerdings noch keine Genehmigung beantragt. Wird Tesla viele Fahrzeuge verkaufen, soll die Produktion in zwei weiteren Stufen in die Millionen gehen und 40.000 Menschen beschäftigen. „Ich kann mir vorstellen, dass Tesla in der Endausbaustufe auf eine Größenordnung wie in Ingolstadt, Sindelfingen oder Wolfsburg kommt“, sagt Minister Steinbach

Fazit: Bisher gibt es knapp 10.000 Beschäftigte, eine hohe Fluktuation, keinen Tarifvertrag und die hochfliegenden Batteriepläne wurden eineinhalb Jahre später im Februar 2022 wieder begraben. Aber die Konkurrenz in der Autoindustrie mit fatalen Folgen z.B. für die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter und für tausende Beschäftigte in der Zulieferindustrie wurde massiv verschärft.

22.03.2022; Im brandenburgischen Grünheide (Mark) hat die Produktion von E-Autos von Tesla begonnen. Tesla-Chef Elon Musk übergab die ersten 30 Autos des Modells „Y“ an Kundinnen und Kunden. Im Rahmen des „Delivery Day“ dankte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in seiner Ansprache Elon Musk persönlich: „Dass Sie sich für Brandenburg entschieden haben, ist gut für Tesla und gut für die Zukunftsregion Berlin-Brandenburg.“ An der Veranstaltung in der Produktionshalle nahmen auch Bundeskanzler Scholz, Bundeswirtschaftsminister Habeck sowie Brandenburgs Wirtschaftsminister Steinbach und Umweltminister Vogel teil.

21.2.2024; Tesla wollte, obwohl alle Indikatoren dagegen sprechen (Marktsättigung, Kaufkraftrückgang, sozial-ökologische Transformation, Verkehrswende, Fabrikschließung von Ford in Saarlouis – das wäre in Extra-Text), die Fabrik in Grünheide erweitern, 100 Hektar Wald abholzen und die Konkurrenz weiter verschärfen. Als Köder zum Anbeißen wurde ein Betriebskindergarten versprochen. Die Stimmen sind ausgezählt: 3.499 Einwohner sind dagegen, 1.882 dafür.

Bei der Abstimmung in der Gemeinde hat sich also eine deutliche Mehrheit dagegen ausgesprochen. Brandenburgs SPD-Minister Steinbach dazu, laber Rhabarber: „Ich sehe das auch als eine Motivation für die Gemeinde und Tesla, die noch nicht beseitigten Bedenken in den nächsten Wochen und Monaten konzeptionell zu beantworten.“ Ministerpräsident Woidke (SPD), einst Chef der Taske force für Tesla, jetzt so: Die Bürger hätten ihr demokratisches Recht wahrgenommen.. Nun gehe es darum, dass Tesla und die Gemeinde Grünheide auf die Bedenken reagierten. Der Autokonzern will an den Plänen festhalten, kündigte aber Kooperationsbereitschaft an.

Auch die IG Metall, so berichtet Zeit-Online am 25.2.2024, fordert Tesla auf, „die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen“: „Grundsätzlich unterstützt die IG Metall den Ausbau des Werkes, durch den Tausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie entstehen“, sagte der IG Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen, Dirk Schulze, der dpa. „Es ist wichtig, dass Tesla den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern sucht und auf die Bedenken und Einwände der Menschen eingeht. Eine Erweiterung mit einer Nahezu-Verdoppelung an Industrie-Arbeitsplätzen wäre aber für das Land Brandenburg und für Berlin und damit eben auch für ein größeres Einzugsgebiet ein Gewinn.“

Ich denke, die IG Metall sollte die Bedenken der Bürger*innen ernst nehmen und den Bürgerentscheid als demokratisches Ergebnis anerkennen – auch, um weiteren Schaden von der Demokratie in unserem land abzuhalten.

Die Sorgen der Bürger ernst nehmen – Schöner leben ohne Tesla!

Wir brauchen keine neue Autofabrik – wir brauchen mehr smarte Busse und Schienenfahrzeuge. Die mörderische Konkurrenz, die von Tesla angeheizt wird, führt durch die verschärfte Arbeitshetze zur Ruinierung der Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter, zur Vernichtung von Arbeitsplätzen und zur weiteren Zerstörung des Sozialstaates.

Die Autoindustrie bleibt nicht so, wie sie ist. Das Produkt muss sich ändern – weg vom großen und schweren Auto für den privaten Gebrauch hin zu kleinen, smarten Bussen und Schienenfahrzeugen. Es werden viel weniger Autos benötigt, als Kapazitäten vorhanden sind – deshalb wird landauf und landab Personal abgebaut, Ford schließt die Fabrik in Saarlouis. Deshalb: Niemand braucht eine neue Autofabrik. Die Investitionen – und das ist ja nicht nur das Geld von Musk, sondern auch die Infrastruktur, die vom Land oder der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden – sind verbranntes Geld, das für andere dringende soziale oder ökologische Projekte dann nicht mehr zur Verfügung steht. Es werden Arbeitskräfte, Ressourcen und Anlagen gebunden, die zum Beispiel bei der Infrastruktur für die Bahn fehlen.

Musk und Tesla sind ein besonders widerwärtiger Arbeitgeber, der sich weigert, Gewerkschaften anzuerkennen und Tarifverträge abzuschließen. Auch deshalb ist die Fluktuation in der Belegschaft sehr hoch. Im November 2023 beklagte dieses auch die IG Metall: Die Bezahlung bei Tesla bleibt auch nach einer „freiwilligen“ Lohnerhöhung deutlich hinter dem branchenüblichen Niveau in der Autoindustrie zurück. Zudem ist klar: Einseitige Ankündigungen von Lohnerhöhungen durch eine Firmenleitung ersetzen keinen Tarifvertrag, der auf Augenhöhe verhandelt wird und in dem weit mehr geregelt ist. Denn die Tesla-Beschäftigten bewegt mehr als die Höhe ihrer Löhne. Sie erwarten zu Recht, dass das Unternehmen die Arbeitsbedingungen verbessert und die Sicherheit und den Schutz ihrer Gesundheit an die erste Stelle setzt. Sie wollen nicht weiter den Preis für Personalmangel und steigende Produktionszahlen mit ihrer Gesundheit bezahlen. Wer ständig für zwei arbeiten muss, brennt aus.

Was gibt es für die IG Metall für einen Grund, genau diesen widerwärtigen Gewerkschaftsfeind zu hofieren und entgegen dem Willen der Bürgerinnen und Bürger um eine Erweiterung seiner Produktion zu bitten? Und das zu der gleichen Zeit, in der Ford eine Fabrik in Saarlouis auch wegen Unterauslastung bzw. Überkapazitäten schließt.

Ganz Skandinavien wehrt sich gegen die antigewerkschaftlichen Aktionen von Musk und Tesla. Die schwedischen Gewerkschaften haben Tesla – die in Schweden gewerkschaftsfreie Werkstätten errichten wollten – durch Streiks und internationale Solidarität in die Knie gezwungen! Die Metall-Gewerkschaft streikte in den Werkstätten und bei den Tesla-Zulieferern; die Postgewerkschaft verhinderte Post-Lieferungen (nötige KFZ-Kennzeichen) an Tesla; die Baugewerkschaft verhinderte eine Reinigung der Werkstätten; die Elektrik-Gewerkschaft verhinderte eine Wartung der Ladestationen; die Transportgewerkschaft sorgte dafür, dass in keinem schwedischen Hafen Tesla-Lieferungen bearbeitet werden. Als Tesla daraufhin auf andere skandinavische Häfen ausweichen wollte, blockierten die Gewerkschaften dort die Abfertigung. Bis Tesla kapitulieren und Gewerkschaften bei sich akzeptieren musste. Die Auseinandersetzung zeigt, dass Erfolge erstritten werden können, sie zeigt die Bedeutung von Solidaritätsstreiks und von internationaler Solidarität.

Plädoyer für Tesla passt nicht zum Bündnis für eine sozial-ökologische Verkehrswende!

Schwerwiegend kommt hinzu, dass die IG Metall sich eigentlich für eine sozial-ökologische Mobilitätswende im Bündnis mit Umweltverbänden, Sozialverbänden und der Evangelischen Kirche einsetzt. Im Gespräch mit Fridays for Future sagt die IG Metall u.a.: „Die IG Metall teilt das Ziel von Fridays for Future, die drohende Klimakatastrophe abzuwenden und hält einen raschen und grundlegenden ökologischen Umbau unseres Wirtschaftens für dringend notwendig. Um Druck für eine soziale, ökologische und demokratische Transformation zu machen, braucht es breite Mehrheiten in der Zivilgesellschaft. Die IG Metall begrüßt es daher, wenn ihre Mitglieder sich am Klimaaktionstag beteiligen und Flagge zeigen für einen Wandel, der Klimaschutz, sichere Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit verbindet.“

Der Verkehrswende kommt dabei eine besonders wichtige Aufgabe zu, da im Verkehr die Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen seit Jahren nicht erreicht werden. Dabei sagt die IG Metall u.a.: Mit der Umstellung auf emissionsfreie Antriebe, dem Ausbau des Angebots von Fahrzeugen für den öffentlichen Verkehr sowie neuen Schwerpunkten auf Dienstleistungen, Daten und Mikromobilität entsteht eine neue, klimaneutrale und wertschöpfende Mobilitätswirtschaft. Weitergehend wird im Bündnis formuliert: Eine langfristige und umfassende Finanzierung ist Grundlage für einen attraktiven Umweltverbund. Klimaschädliche Subventionen müssen abgebaut, Steuern umgestaltet und vorhandene Mittel unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten neu verteilt werden.

Mit ihrer Unterstützung des massiven Ausbaues der Autofabrik von Tesla in Gründheide macht sich die IG Metall im Bündnis der sozial-ökologischen Verkehrswende unglaubwürdig.

Im § 2 ihrer Satzung legt die IG Metall fest, dass sie nicht nur die Aufgabe hat, die wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder zu fördern, sondern gleichermaßen die sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen zu berücksichtigen und einzutreten für den Schutz der natürlichen Umwelt, Im § 2 Absatz 4 heißt es, dass die IG Metall eintritt für die Demokratisierung der Wirtschaft und Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum. Das hofieren von Musk und Tesla passt ganz sicher nicht in diesen Anspruch. Schöner leben ohne Tesla, ohne eine nur am Profit orientierte Autofabrik, schöner leben mit nachhaltiger Produktion von Verkehrsmitteln für den öffentlichen Verkehr, mit smarten, komfortablen und preiswerte Bussen oder Bahnen auch in ländlichen Regionen – das wäre doch eine Perspektive im Sinne einer sozialen und ökologischen Modernisierung unseres Landes, im Sinne der programmatischen Zielsetzung der IG Metall.

Wenn die IG Metall allerdings daran festhält, dass die Autoindustrie – abgesehen vom Antrieb – so bleibt wie sie ist, wird sie mit der Autoindustrie verlieren; und das wäre doch wirklich tragisch. Die Bahn- und Busindustrie muss ausgebaut werden – das sind auch Berufe der Metallindustrie, da können Arbeitsplätze und Mitglieder gleich Organisationskraft für die Gewerkschaft gewonnen werden.

https://www.dgb.de/themen/++co++f6cc4fa2-ae5e-11eb-b663-001a4a160123

https://www.igmetall.de/politik-und-gesellschaft/umwelt-und-energie/ein-buendnis-fuer-die-soziale-mobilitaetswende

https://www.stiftung-mercator.de/content/uploads/2021/04/Buendnis-sozialvertraegliche-Mobilitaetswende_Broschuere_digital_Einzelseiten.pdf

https://www.igmetall.de/politik-und-gesellschaft/umwelt-und-energie/ig-metall-im-dialog-mit-fridays-for-future-bewegung

https://www.zeit.de/news/2024-02/25/ig-metall-will-dialog-nach-nein-zur-tesla-erweiterung

https://www.igm-tesla.de/

https://www.bi-gruenheide.de/

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