Volkswagen in USA IndustrieAll schaltet sich ein

#Volkswagen respektiert die Rechte der Beschäftigten in Chattanooga USA nicht – jetzt steht ein Konflikt mit dem internationalen Gewerkschaftsverband #IndustriAll bevor, falls das Unternehmen nicht schnell einlenkt
#wirtschaftsdemokratie
#igmetall
Resolution vom Kongress IndustriAll http://www.industriall-union.org/sites/default/files/uploads/documents/2016/GERMANY/ExCoFrankfurt/industriall_resolution_on_vw_may_2016_en.pdf

VW feuert kritischen Historiker

Ferdinand #Porsche und Anton #Piëch waren nicht in erster Linie die Gründer von Volkswagen, sondern fanatische Nazis und Kriegsverbrecher, verantwortlich für den Einsatz und den Tod von tausenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, für den Tod von hunderten Säuglingen der Zwangsarbeiterinnen, für die Kooperation mit der NSDAP und der SS, für die Produktion von Kriegsfahrzeugen für Wehrmacht und SS, für die Produktion von Minen, Flugzeugteilen und Raketen – für die Ermöglichung und Verlängerung des Raubkrieges der Nazis. VW feuert kritischen Historiker weiterlesen

VW muss den Luxus abspecken

Kommentar für Neues Deutschland, 6.7.2016

Lohnt es, um Volkswagen zu kämpfen, oder soll der Konzern vom Markt verschwinden?

14,7 Milliarden US-Dollar wird der Autokonzern VW in den USA zahlen – wegen 500 000 manipulierter Fahrzeuge. Mit eingerechnet sind 2,7 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung von Umweltausgleichsmaßnahmen und 2 Milliarden US-Dollar für Initiativen zur Förderung von Null-Emissions-Fahrzeugen. Die 500 000 betroffenen Fahrzeuge müssen überwiegend verschrottet werden, da genehmigungsfähige technische Anpassungen nicht in Sicht sind.

In Europa geht es um fast zehn Millionen manipulierte Autos – also um 20 mal soviel, allerdings haben die deutschen Behörden für »technische Anpassungen« bereits grünes Licht gegeben. Sicherlich kommen da nicht 20 mal so hohe Kosten auf VW zu, aber mit Rückruf, Reparatur, Strafzahlungen, Entschädigungen und Steuernachforderungen werden das auch einige Milliarden Euro. Dieses addiert geht an die Substanz des Unternehmens, es geht um die Existenz. Die Konkurrenz freut es im enger werdenden Markt, könnte doch ein aggressiver Anbieter über den historischen Betrugsskandal aus dem Rennen gekegelt werden. Ganz anders der erwischte Übeltäter: »Wir werden Volkswagen zu einem besseren und stärkeren Unternehmen machen und unser Ziel, einer der weltweit führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität zu werden, konsequent verfolgen«, so der Vorstandsvorsitzende Müller nach der Vereinbarung mit der US-Justiz.

Lohnt es, um Volkswagen zu kämpfen, oder soll das Unternehmen vom Markt verschwinden?

Die Antwort der Beschäftigten wäre eindeutig. Aber schon werden Leiharbeiter nicht weiter beschäftigt und erste Fabriken werden abgeschaltet (Dresden und Sarajevo) bzw. sind nicht annähernd ausgelastet (Argentinien, Brasilien, Russland, Mexiko, USA).

In den zurückliegenden Jahren wurden riesige Überkapazitäten aufgebaut, immer mehr Werke, immer mehr Standorte – normale kapitalistische Konkurrenz um Märkte und Marktanteile. Jetzt stürzen sich alle Hersteller, Volkswagen voran, auf Elektroautos, Digitalisierung und »autonomes Fahren« als hoffnungsvolle Zukunftstechnologien.

Aber es handelt sich dabei erstens um eine Wette auf die Zukunft – und die lässt sich schwer prognostizieren; die Wette kann auch verloren gehen. Zweitens wird dadurch die Konkurrenz auf einer anderen Stufe verschärft, Investitionen und Subventionen werden sinnlos verpulvert. Drittens werden die Produkte so teuer, dass sie sich kaum jemand leisten kann; die globalen Mobilitätsprobleme in den überlasteten Megacities oder in infrastrukturarmen ländlichen Regionen werden damit nicht gelöst.

Nachhaltige Mobilität, die für alle erschwinglich ist und die Umwelt nicht extrem belastet, ist preiswerter öffentlicher Personenverkehr vor allem auf der Schiene. Dazu zu forschen, dazu innovative Produkte zu entwickeln, dazu Fördermittel bereit zu stellen, das wäre die Aufgabe weitsichtiger Unternehmen und verantwortlicher Politik.

Volkswagen hat tatsächlich Speck angesetzt, der abgestoßen werden sollte: die Luxuskarossen von Lamborghini und Bugatti ebenso wie die Rüstungssparte von MAN – darüber können ein paar Milliarden Euro in die Schadenersatz-Kasse kommen.

Außerdem müssen die privaten Gewinne des Porsche-Piëch-Clan und der Scheichs von Katar aus dem Abgasbetrug beschlagnahmt werden, um die Kosten des Betruges nicht auf die Beschäftigten und die Öffentlichkeit abzuwälzen.

Schließlich sind nach Maßgabe des Grundgesetzes (»Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen«) die privaten Besitzer, die sich Volkswagen mit teils kriminellen Methoden angeeignet haben, zu enteignen.

Wenn Volkswagen nicht vom Markt verschwinden soll, müssen die Weichen jetzt in die genannte Richtung gestellt werden. Mit der Mehrheit von Betriebsräten, Gewerkschaftsvertretern und den Vertretern des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat wäre ein solcher Neustart möglich. Volkswagen würde nicht vom Markt verschwinden, hunderttausende Arbeitsplätze würden nicht vernichtet werden, wenn diese Voraussetzungen geschaffen werden, um nachhaltige, sozial- und umweltverträgliche Produktion, Mobilität und Mobilitäts- Dienstleistungen auf demokratische Art und Weise zu entwickeln. Andernfalls werden, kapitalistischer Logik folgend, Überkapazitäten vernichtet. Dann heißt es: »Tschüss, Volkswagen!«

 

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1017704.vw-muss-den-luxus-abspecken.html?sstr=Stephan|Krull

Nie wieder Krieg der Autokonzerne

Beitrag für Neues Deutschland, 11.3.2016

Der millionenfache Abgas-Betrug von Volkswagen wird das Unternehmen sehr viel Geld kosten. Selbst die Existenz dieses unumstößlich geglaubten Weltkonzerns ist nicht mehr gesichert. Dramatische Auswirkungen sind schon jetzt sichtbar: Leiharbeiter werden nicht weiter beschäftigt, Werkvertragsunternehmen gekündigt, Kommunen revidieren Haushaltspläne und streichen Investitionen. Im VW-Werk in Mexiko, von wo der US-Markt beliefert wird, sind Produktion und Absatz bereits um fast die Hälfte eingebrochen.

Das Krisenmanagement des Konzerns ist katastrophal – es wird geleugnet und verharmlost. Ein paar Ingenieure hätten den Betrug ausgeheckt; der Vorstand sei bereits seit zwei Jahren informiert, habe die Information aber vielleicht nicht gelesen; die juristischen »Berater« hielten das Problem für gering und beherrschbar – so die jüngsten Erklärungen von VW. Wahr ist, dass die Zielvorgaben des Konzerns bei den Schadstoffemissionen nicht anders als durch Betrug zu erreichen waren. Profitiert hat davon neben dem Porsche-Piëch-Clan auch der Terrorstaat Katar als einer der Hauptaktionäre.

Angesichts dieser nun existenziellen Krise des Autobauers ist eine Neuausrichtung notwendig. Dafür sollten Linke und GewerkschafterInnen sich stark machen, dafür sollten die IG Metall und der Betriebsrat gewonnen werden. Extraprofite, die der Betrug erzielte, müssten für die Schadensregulierung herangezogen werden. Hohe Beiträge für den anstehenden Konzernumbau sind von den Großaktionären zu fordern, selbst eine Enteignung entsprechend Artikel 14 Grundgesetz müsste geprüft werden. Währenddessen setzen die Eigentümer und Manager derzeit weiter auf Sieg im Krieg der Autokonzerne mit immer größeren, schnelleren, stärkeren, teureren Autos, mit Elektronik, Digitalisierung und »autonomem Fahren«.

Bei einer Neuausrichtung geht es um soziale wie technische, ökologische und ökonomische Fragen. Dreh- und Angelpunkt müssen die begrenzten Ressourcen, die Reduktion der Klimabelastung und die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen nach einer intakten Umwelt und sinnvollen Fortbewegung sein: Volkswagen müsste ein Mobilitätsanbieter mit modernen, sicheren und ökologisch-nachhaltigen Verkehrsmitteln für Personen und Güter auf Straße und Schiene werden. Solche Verkehrsmittel müssten überwiegend öffentliches Eigentum sein, die allen zur Verfügung stehen und den regionalen Bedingungen in Megacitys wie in dünn besiedelten Regionen der Welt angepasst sind.

Kommunalpolitische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen

Ich bin gebeten, ein erstes Resümee des gemeinsame Projekt der RLS Nds. und des Linken Kommunalpolitischen Forums Niedersachsen (LKFN) zu kommunalpolitischer Bildung zu ziehen.

Das mache ich sehr gerne, nicht nur, weil ich diese Bildungsreihe mit Dr. Michael Braedt zusammen initiiert und konzipiert habe, sondern weil – wie in anderen Politikfeldern auch – Bildung und Fachwissen die Voraussetzung für wirksames Eingreifen ist. Ohne kritische politische Bildung geht es nicht. Und da so etwas in der Schule und in den meisten Studiengängen nicht vermittelt wird, müssen wir, die wir die Welt verändern und gestalten wollen, uns der Mühe der politischen Bildung unterziehen.
Ich spreche ganz bewusst von Bildung und Fachwissen, weil Bildung mehr ist als die Vermittlung von Daten, Fakten, Gesetzen und ähnlichem.
Bei Bildung geht es im schöpferischen Sinn um die Erarbeitung von grundlegenden Positionen und Haltungen. Die Freiwilligkeit der Teilnahme und die aktive Mitarbeit in den Seminaren sind zwei grundlegende Voraussetzungen, um solche Prozesse in Gang zu setzen. Es gibt weitere, auf die ich gleich zu sprechen komme. Kommunalpolitische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen weiterlesen

IG Metall: Kongress voller Widersprüche

Als »Kongress voller Widersprüche« charakterisiert jW-Autor Stephan Krull den zurückliegenden Gewerkschaftstag der IG Metall in Express. Die Industriegewerkschaft kritisiere das Freihandelsabkommen TTIP, spreche sich zugleich aber für weitere Verhandlungen aus. Sie positioniere sich für das uneingeschränkte Streikrecht, unterstütze aber das Gesetz zur »Tarifeinheit«, das selbiges aushebelt. Und die IG Metall stehe für gewerkschaftliche Solidarität, schwäche aber den Deutschen Gewerkschaftsbund. So änderte die IG Metall ihre Satzung dahingehend, dass nur noch solche DGB-Beschlüsse bindend sind, die von den eigenen Leitungsgremien befürwortet werden. Diese »Schwächung des DGB könnte sich als verhängnisvoll herausstellen«, warnt Krull. Die Widersprüche in den Kongressbeschlüssen führt er auf »eine gewisse Orientierungslosigkeit« der Gewerkschaft zurück, der eine brauchbare Analyse der gegenwärtigen Krise fehle.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt Krulls ist, dass die Spaltung des Arbeitsmarkts in der Debatte auf die Problematik von Stamm- und Randbelegschaften reduziert worden sei. »Die Erwerbslosigkeit und die Erwerbslosen waren und sind für die IG Metall erkennbar kein Thema.« Das zeige sich auch beim Thema Arbeitszeit: Zwar will sich die IG Metall in den kommenden drei Jahren dafür einsetzen, die Wochenarbeitszeiten in den von ihr vertretenen Branchen, vor allem in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie, auf 35 Stunden zu senken. Ein Zusammenhang zur Überwindung der Erwerbslosigkeit wird dabei allerdings nicht hergestellt. Ein neuer Anlauf für die 35-Stunden-Woche im Osten müsse – insbesondere nach der »traumatischen Niederlage im Sommer 2003« – als große gesellschaftliche Auseinandersetzung geführt und entsprechend vorbereitet werden, so Krull, der seine Kritik nicht allein auf die IG-Metall-Führung beschränkte. Es sei eine Schwäche gewesen, dass sich linke Metaller »nicht bzw. nicht gemeinsam auf die Debatten dieses Gewerkschaftstages« vorbereitet hatten. (dab)

Express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 12/2015, 16 Seiten, 3,50 Euro,

Volkswagen: Blick in den Abgrund

Die Automobilbranche im Umbruch

Volkswagen versuchte die Quadratur des Kreises, hat sich Unmögliches vorgenommen, Behörden und Kunden betrogen, Verbrauchs- und Abgaswerte bei Millionen Fahrzeugen gefälscht. Bei Beschäftigten macht sich Angst breit, Einkommen werden reduziert, Arbeitsplätze vernichtet, Haushaltssperren verhängt. Der Schaden ist unkalkulierbar, die zurückgestellten fast 10 Milliarden Euro werden eventuell nicht reichen. Der Betrug wird zu einer existenziellen Krise eines der größten Arbeitgeber. Der Absatz der Marke Volkswagen geht in diesem Jahr um 5 Prozent zurück. Nicht nur der Betriebsrat mahnt einen Neustart, eine umfassende Konzernstrategie an. Gefragt sind ganzheitliches Denken und mehr Mitbestimmung. Es fehlt an Demokratie in der Wirtschaft, um Umweltanforderungen gerecht zu werden und Beschäftigung zu sichern. Ein schwieriger und langwieriger Prozess, bei dem es nicht um die Abschaffung des PKW, aber um den Beginn des Umsteuerns geht. Volkswagen: Blick in den Abgrund weiterlesen

Erfahrungen internationaler gewerkschaftlicher Solidaritätsarbeit am Beispiel InterSoli der IG Metall in Wolfsburg

Vortragsmanuskript, IG Metall  Magdeburg, 1.10.2015 Erfahrungen internationaler gewerkschaftlicher Solidaritätsarbeit am Beispiel InterSoli der IG Metall in Wolfsburg weiterlesen

Volkswagen – Vom Musterbetrieb zum Modellunternehmen?

Wolfsburg: Zwischen Identifikation und Verdrängung.

Beiträge zur politisch-kulturellen Bildungsarbeit von ARBEIT UND LEBEN in Wolfsburg – anlässlich des Ausscheidens von Guérin Steichen als Verantwortlicher für die Bildungsarbeit in Wolfsburg.

Mehr als 75 Jahre nach der Gründung von Wolfsburg – ursprünglich „Stadt des KdF-Wagen“ –  und des Volkswagenwerkes bleibt die Geschichte aufgrund ihrer unzureichenden Aufarbeitung ein gesellschaftliches Problem und eine Herausforderung für die politische und historische Bildungsarbeit. Die Stadt Wolfsburg beging im Sommer 2013 ihren 75. Gründungstag unter dem Motto „Wolfsburg 75 – beeindruckend jung“. Ein Informationsdienst schrieb dazu: „In den bislang bekannten Materialien zum Jubiläum geht es vor allem um Identifikation und Zukunft der Stadt und um die Herausforderungen der kommenden Jahre. Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gründung der Stadt während des Nationalsozialismus wird es nicht geben. Eine Sprecherin der Stadt begründet die Entscheidung damit, dass die Gründungsgeschichte im Dritten Reich durch wissenschaftliche Studien bereits ‚gut erforscht‘ sei.[1]“ Wäre der mühselige und von Halbheiten geprägte Prozess der Aufarbeitung der Geschichte von Werk und Stadt nicht ohnehin ein Problem, so wäre diese Begründung der letzte Beweis, Volkswagen – Vom Musterbetrieb zum Modellunternehmen? weiterlesen

Arbeit der Zukunft: kurz, souverän und flexibel!

Kurze Vollzeit für alle statt erzwungene Teilzeit für viele

Neues Deutschland, 18.9.2015

Die Erwerbsarbeit verändert sich: Digitalisierung, Globalisierung und demografischer Wandel sind die Stichworte. Die Produktivität steigt, die Absatzmärkte stagnieren. Weniger Beschäftigte werden mehr Güter und Dienstleistungen herstellen, die auf weniger Nachfrage und geringere Kaufkraft stoßen.

Der »Arbeitsmarkt« ist vielfach gespalten: Vollzeit und Teilzeit, Männer und Frauen, hohe Einkommen und Mini-Löhne, Erwerbstätige und Erwerbslose. Es steigen die Anforderungen an die Beschäftigten und an gute Arbeit. Mehr Mitsprache, mehr Eigeninitiative, mehr Anerkennung bei der Arbeit werden gefordert. Die Jahre der Stagnation haben zu großen Ungerechtigkeiten geführt. Männer arbeiten häufig zu lang, oft mit Überstunden; überwiegend Frauen arbeiten unfreiwillig in Teilzeit und Minijobs. Die Regierung lobt sich selbst wegen der vielen Erwerbstätigen, aber es gab noch nie so viel Unterbeschäftigung wie heute: Zehn Millionen Menschen sind erwerbslos oder unfreiwillig in Minijob oder kurzer Teilzeit.

Durch Gleitzeit und »Vertrauensarbeitszeit« haben wir eine gewisse Autonomie schätzen gelernt. Die Arbeitgeber verlangen von den Beschäftigten jedoch grenzenlose Mobilität und zeitlose Flexibilität. Flexibilität, zu der die Beschäftigten bereit sind, kann sich nicht nur auf betriebliche Belange beziehen, sondern muss auch persönliche Bedürfnisse und die Wechselfälle des Lebens berücksichtigen. Die Menschen wollen sich nicht mehr vorschreiben lassen, wann die Arbeit beginnt und wann Schluss ist. Flexibilität und Autonomie wollen wir in Lebensphasen mit Kindern, wenn Pflege von Angehörigen nötig ist, wenn wir uns weiterbilden oder wenn wir einfach eine Pause brauchen und wollen.

Diese nötige Flexibilität und gewünschte Autonomie wird durch kurze Vollzeit von 30 Stunden steigen, wenn persönliche Belange in sicherem Rahmen berücksichtigt werden: Vier-Tage-Woche oder Sechs-Stunden-Tag, drei Wochen arbeiten – eine Woche frei, ein Viertel Jahr durcharbeiten im Projekt – dann eine Auszeit von sechs Wochen oder ein Jahr lang 40 Stunden pro Woche, dann ein Jahr Kunststudium und dann wieder ein Jahr 40 Stunden pro Woche. Wichtig ist der sichere Rahmen: Es gibt das Recht auf diese kurze Vollzeit, das Recht auf eine vereinbarte und gewünschte Abwesenheit im Unternehmen. Die gesetzliche Begrenzung der regelmäßigen Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung, nachdem der Acht-Stunden-Tag vor fast 100 Jahren erstmals Gesetz wurde. Es wäre ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der Verhältnisse in Europa und eine Unterstützung der Gewerkschaften bei ihren tarifpolitischen Zielen. In einem solchen Rahmen kollektiver gesetzlicher und tariflicher Regelungen ist eine individuelle Gestaltung der Arbeits- und Lebenszeit möglich.

Unter den Erwerbslosen und unfreiwillig in Teilzeit Beschäftigten sind viele gut qualifizierte Personen, vor allem Frauen. So könnte auch der Mangel an Fachkräften in der Pflege oder bei Ingenieurinnen und Ingenieuren, bei Facharbeiterinnen und Facharbeitern durch kurze Vollzeit für alle, durch gesicherte Flexibilität und durch gute Bildung und Ausbildung überwunden werden. Dafür ist gleiches Geld und etwa gleich verteilte Zeit für Erwerbsarbeit erforderlich: equal pay und equal time, das ganze Leben für alle!

Der Autor war Mitglied des Volkswagen-Betriebsrates und der IG-Metall-Tarifkommission, beteiligt an der Umsetzung der 30-Stunden-Woche bei VW, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen bis März 2015 und Mitbegründer der Attac AG Arbeit/Fair/Teilen.