Mit Sonderwirtschaftszonen mehr Kapitalismus wagen?

Die LINKE Sachsen-Anhalt lehnt eine Sonderwirtschaftszone im Kohlerevier nicht ab.

Der Landesvorstand von Die LINKE Sachsen-Anhalt hat bei seiner Beratung am 7.2.2022 einen von mir vorgelegten Antrag mit 9 von 13 Stimmen abgelehnt. In dem Antragsentwurf heißt es unter anderem:

Transformationsräte statt Sonderwirtschaftszone!

Wir, Die Linke Sachsen-Anhalt, lehnen den erneuten Vorstoß von Ministerpräsident Haseloff ab, eine Sonderwirtschaftszone im Mitteldeutschen Revier einzurichten (Süddeutsche Zeitung, 19.10.2021), zumal dieses ein Dammbruch und schlechtes Beispiel für ganz Ostdeutschland wäre.

Für die sozial-ökologische Transformation im Revier braucht es mehr Demokratie, nicht weniger. Wir schlagen deshalb vor, einen Transformationsrat für das Revier zu berufen und zumindest in den größeren Kommunen ebenfalls Transformationsräte einzurichten. In diese Transformationsräte sind die Kommunen, die ansässigen Unternehmen, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Umweltverbände sowie technische Wissenschaften und Sozialwissenschaften einzubeziehen. Sie haben ein Vorschlagsrecht für die Verwendung der Mittel aus den Strukturfonds für das Revier.“

Begründet wurde die Ablehnung u.a. damit, dass wir ja gar nicht wissen können, ob in der Sonderwirtschaftszone soziale Rechte abgebaut würden; damit, dass der Kreistag des Burgenlandkreises in der letzten Sitzung der zu Ende gehenden Legislaturperiode am 1. April 2019 auf Antrag der CDU einstimmig, also auch mit den Stimmen der Fraktion Die LINKE, folgenden Beschluss fasste:

Beschluss-Nr. 288-34/2019 KT
Der Kreistag des Burgenlandkreises beauftragt den Landrat alles Notwendige dafür zu unternehmen, dass folgende Maßnahmen in das Sofortprogramm oder in die Maßnahmeliste aufgenommen werden, wobei der Schwerpunkt in den kernbetroffenen Gebieten liegen soll:
Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone im Burgenlandkreis mit Schwerpunkt auf den kohlebetroffenen Kommunen (Zeitz, Elsteraue, Theißen, Hohenmölsen und Lützen) in dieser sind Erleichterungen im Vergabe-, Bau-, EU-Beihilfe- und Steuerrecht zur Anwendung zu bringen)

Schaffung einer Wirtschaftsfördergesellschaft,

Förderung bestehender Unternehmen, insbesondere derjenigen, die vom Strukturwandel direkt betroffen sind,

Unterstützung branchennaher und branchengleicher Arbeitsplätze,

Aus- und Neubau von Bundestraßen sowie Ortsumgehungen, z.B. Neutrassierung und Lückenschluss der B2, Lückenschluss der B176 und Lückenschluss der B87

Schaffung von S-Bahn-Verbindungen mit mindestens halbstündigen Taktzeiten mit Einbindung des ÖPNV im gesamten Burgenlandkreis mit der Anbindung an die umliegenden Großstädte Leipzig und Gera und der Einbringung von Bedarfshalten in Bornitz und Reuden

Ausbau eines 5G-Netzes im gesamten Burgenlandkreis als Pilotregion und Vorantreiben der Digitalisierung,

Einrichtung von regionalen Digitalisierungszentren in jedem Mittelzentrum des Burgenlandkreises.“

Sowohl die damalige CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer als auch der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Rainer Haseloff haben viele Gelegenheiten genutzt, für Sonderwirtschaftszonen in den Braunkohlervieren in der Lausitz und in Mitteldeutschland zu werben. Diese Position wird verhalten von der FDP und massiv von der AfD unterstützt. Es ist der Wirtschaftslobby offensichtlich gelungen, ein Instrument aus der neoliberalen Mottenkiste in die Diskussion einzubringen. Die LINKE, die SPD, die Grünen und die Gewerkschaften sprechen sich auf Bundesebene gegen die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen aus, weil damit demokratische und soziale Grundrechte beschnitten und verkürzt werden. Diese Verkürzung von Grundrechten wird auch im Beschluss des Kreistages sichtbar, wenn dort formuliert wird, in dieser Sonderwirtschaftszone seien „Erleichterungen im Vergabe-, Bau-, EU-Beihilfe- und Steuerrecht zur Anwendung zu bringen.“

Die gewünschten „Erleichterungen“ im Vergabe-, Bau-, EU-Beihilfe- und Steuerrecht bedeuten gegebenenfalls niedrige Löhne und verringerte Rechte für Beschäftigte, während die Arbeitgeber von gesenkten Steuern und Abgaben profitieren. Die Forderung nach Sonderwirtschaftszonen ist eine Parteinahme für die Reichen und gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Sonderwirtschaftszonen bedeuten erfahrungsgemäß den Abbau staatlicher Regulierungen (Deregulierung), die Aushöhlung des Steuer-, Arbeits-, Sozial-, Gesundheits-, Planungs- und Umweltrechts.

Ursächlich für lange Planungszeiten ist die Rotstift-Politik der öffentlichen Hand bei den Planungsämtern in Bund, Ländern, Gemeinden, der Abbau von Planungs- und Ingenieurkapazitäten – nicht aber die gesetzlich verbriefte Wahrung des Umwelt- oder Planungsrechtes.

Die Ablehnung dieses Antrages ist ein schlechtes Zeichen für den Zustand und die Perspektive des Landesverbandes in Sachsen-Anhalt und ein Affront gegenüber den Gewerkschaften, den Umwelt- und Klimainitiativen, die sich für eine sozial-ökologische Transformation engagieren.

Stephan Krull, Mitglied des Landesvorstandes

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