Restrukturierung bei Volkswagen – wie kann es gehen und was bleibt?

Volkswagen könnte sich, so melden es verschiedene Agenturen und Zeitungen, u.a. das Manager Magazin[1], von einigen Töchtern trennen.

Hintergrund dieser Überlegungen bei VW sind die immensen Kosten des Abgasbetruges und die Milliarden für Entwicklung von Elektromobilität, autonomen fahren, Digitalisierung und neuen Geschäftsfeldern wie  „Mobilitätsdienstleistungen“. Mit CarSharing und Roboter-Taxen sollen in den nächsten zehn Jahren dem ÖPNV die Kunden weggenommen und ein Umsatz von 40 Mrd. Euro erzielt werden. Außerdem haben sich die Kreditkonditionen für Volkswagen verschlechtert, die Schulden sind gestiegen, der Cash Flow ist um 50 Prozent gesunken, Produktion und Absatz sind gesunken, die Fahrzeuge können nur mit erheblichen Rabatten in die Händlerorganisation gedrückt und abgesetzt werden.

Wenn nicht mehr der Profit im Mittelpunkt stünde und das Ziel allen Wirtschaftens die Bedürfnisbefriedigung der Menschen wäre, würde Mobilität ganz anders aussehen. Besteht nun die vielleicht historische Chance, den durchaus unterschiedlichen Bedürfnissen in Megacities einerseits und infrastrukturarmen Regionen andererseits zum Durchbruch zu verhelfen? Ohne die Eigentumsfrage anders als bisher zu beantworten, ohne Vergesellschaftung und ohne gesellschaftliche Planung ist das sicher nicht möglich.

Das Image des Unternehmens ist nicht nur in den USA massiv beschädigt – verbunden mit existenzgefährdenden Absatzrückgängen und Marktzugangsbeschränkungen. In fast allen Märkten sinken Absatz und Marktanteile des VW-Konzerns, entsprechend erhöhen sich die konstanten Kosten.

Dem Unternehmen kosten der Betrug und die Nichtaufklärung inzwischen über 25 Milliarden Euro, allein 5 Mrd. Euro im ersten Quartal 2017 – das geht auch in so einem großen Konzern wie VW an die Substanz.

Im Unternehmen spricht man von einer „radikalen Restrukturierung“ und „agiler Organisation“ – Sparprogramme, Leistungsverdichtung (25 Prozent Produktivitätssteigerung) und Personalabbau sind sichtbare Folgen der Orientierung auf eine Verdreifachung des Profites.

Der wirkliche Neustart wird verzögert bis zu einem Zeitpunkt, an dem es eventuell zu spät sein wird, weil die Ressourcen nicht mehr zur Verfügung stehen und weil „die anderen“ schneller gewesen sind. Elektro-Mobilität, Digitalisierung und selbstfahrende Autos sind nicht der Ausweg aus der Krise, sondern führen zu einer Verschärfung der Konkurrenz.

Dieser notwendige Neustart müsste beinhalten: VW müsste und könnte aufgrund der Landesbeteiligung Pionier sein bei der Verkehrswende, bei der tatsächliche Mobilitätsbedürfnisse in den Megacities und in infrastrukturarmen Regionen dieser Welt statt Profite im Mittelpunkt stehen, bei der durch eine andere Unternehmensform aus der mörderischen Konkurrenz ausgestiegen wird, in der Wirtschaftsdemokratie umgesetzt wird: Eine sozial-ökologische Transformation inklusive einer radikalen Arbeitszeitverkürzung für die gesamte Branche.

Damit ist auch die Eigentumsfrage gestellt, das Grundgesetz mit der Nützlichkeit des Eigentums für die Allgemeinheit (GG Artikel 14/15) ist dafür der Rahmen. Wer verfügt und entscheidet über die Art und Weise der Produktion, über das Produkt und über die Zukunft hunderttausender Beschäftigter? Dazu bedürfte es starker Initiativen der Gewerkschaft und des Staates, zum Beispiel eines Konversionsfonds, in den die Milliarden Euros fließen, die bisher direkt als Subventionen an die Automobilindustrie gehen. Die Sprach- und Tatenlosigkeit des Landes Niedersachsen als großer und einflussreicher Anteilseigner am Konzern ist in diesem Zusammenhang völlig unverständlich. Seit fast zwei Jahren schweigen Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Lies, ergreifen keinerlei Initiative zum Umsteuern bei Volkswagen. Wollen Bundes- und Landesregierung erst eingreifen, wenn Massenentlassungen und Werksschließungen kaum noch abwendbar sind? Oder gibt man sich damit zufrieden, dass ausländische Standorte in Nord- und Südamerika,  in Süd- und Osteuropa zunächst geschlossen werden und das Unternehmen wie die Textilindustrie, wie der Kohlebergbau, wie Opel einen langsamen Tod sterben?

Die bisher bekannt gewordenen Planungen von Volkswagen lassen nichts Gutes hoffen und es ist überhaupt nicht zu erklären, warum die Landesregierung als Ankeraktionär dieses Trauerspiel tatenlos ansieht.

Ja, Volkswagen kann und muss sich von Teilen des Konzernes trennen, und ich will benennen, worum es dabei gehen sollte:

  1. Volkswagen muss sich – auch aufgrund der eigenen Geschichte – von jeglicher Rüstungsproduktion verabschieden. Das betrifft zum Teil die MAN-Produktion, es betrifft fast die gesamte Produktion der MAN-Tochter Renk und vor allem die Kooperation mit Rheinmetall.[2]
  2. Volkswagen sollte sich unmittelbar von Lamborghini, Bugatti und Bentley trennen. Der Splin von Piëch, große, luxeriöse und schnelle Autos zu bauen, ist nicht nur unverträglich mit der Umwelt, er schadet auch dem Image von Volkswagen. Niemand braucht Autos mit 500 oder 1.000 PS. Wenn, was wünschenswert und denkbar ist, für Autos über 150 PS und über drei Liter Hubraum eine Luxussteuer von 50 Prozent eingeführt wird, wird der Absatz ohnehin zurückgehen. Wenn, was wünschenswert und denkbar ist, auch in Deutschland endlich Geschwindigkeitsbegrenzungen von 110 km/h auf Autobahnen eingeführt werden, braucht niemand mehr solch hochgerüstete Fahrzeuge. Ducati kann auch weg – Volkswagen muss keine Motorräder produzieren.

Wenn, was wünschenswert und denkbar ist, die Subventionen für die Automobilindustrie in Milliardenhöhe gestrichen werden, würde das zu Lasten des Profits der Großaktionäre gehen und sie würden ohnehin die Lust an der Automobilproduktion verlieren.

Nur solche strukturelle Veränderungen wären auch eine Versicherung dafür, dass der Konzern nicht in absehbarer Zeit vom Porsche-Piëch-Clan in eine Holding überführt und der Mitbestimmung entzogen oder vollständig filetiert wird.

 

[1] http://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/volkswagen-verkaufsplaene-von-diesen-toechtern-koennte-sich-vw-bald-trennen-a-1166763.html

[2] https://www.rheinmetall-defence.com/de/rheinmetall_defence/company/divisions_and_subsidiaries/rheinmetall_man_military_vehicles/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert