Vorsprung durch Betrug – Audi-Boss Stadler im Knast

Millionenfacher Dieselbetrug, kriminelle Verschwörung und Verdunklungsgefahr.

Die Krise kann demokratisch aufgelöst werden!

Wirtschaftsdemokratie und soziale Garantien für alle Beschäftigten und ihre Familien!

Am Montag, 18. Juni 2018, fand eine schon länger geplante Sitzung des Aufsichtsrates von Volkswagen statt. Neben den anderen Markenvorständen sollte auch Rupert Stadler, der Vorstandsvorsitzende der Marke Audi, teilnehmen. Der Aufsichtsrat sollte durch den von Wolfgang Porsche geleiteten „Dieselausschuss“ über die Vorwürfe gegen Stadler informiert werden. Die Kontrolleure wollten von den hausinternen Juristen erfahren, was genau die Ermittler gegen Stadler in der Hand hätten, berichtet das Handelsblatt. Doch Stadler fehlte bei der Aufsichtsratssitzung, die Münchner Staatsanwaltschaft hatte ihn festnehmen lassen. Die Ermittlungsrichterin ordnete „wegen Verdunklungsgefahr“ Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten an, ihm werden „Betrug und mittelbare Falschbeurkundung“ vorgeworfen. Laut Sprecher der Münchner Staatsanwaltschaft gab es Hinweise, dass Stadler möglicherweise Zeugen und Mitbeschuldigte beeinflussen und so die Ermittlungen behindern wollte. Die Floskel von der „vollumfänglichen Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden“ erweist sich als dreiste Irreführung der Öffentlichkeit.

Nach der Aufsichtsratssitzung wurde bekannt, dass der bisherige Audi-Vertriebsvorstand Bram Schot vorläufig den Chefposten übernehmen soll.

Arbeitnehmervertreter*innen und das Land Niedersachsen verfügen über eine Mehrheit im Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat, in dem die die Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten und der Gewerkschaft zusammen mit den Vertretern des Landes Niedersachsen 12 von 20 Mitgliedern stellen, hat es wieder verpasst, mit dem betrügerischen Management endgültig zu brechen. Die Vorwürfe gegen Stadler und andere sind längst bekannt, dennoch hat der Porsche-Piëch-Clan als Hauptaktionär mit über 50 Prozent Stammaktien seine schützende Hand über das betrügerische Management gehalten. Das ist nicht verwunderlich, schließlich floss die Betrugsdividende zu einem guten Teil auf die Konten der Erben des Kriegsverbrechers Ferdinand Porsche. Dass der angekündigte „Kulturwandel“ bei Volkswagen nur Kulisse ist, wird durch einen Brief der Vorstandsfrau Hiltrud Werner, die für „Integrität und Recht“ zuständig ist, vom 23. April deutlich. Sie wandte ich darin nicht etwa an die Vorstände der Marken des Konzerns, sondern an alle Beschäftigten. Nach Bekanntwerden der Kritik des Monitors der US-Behörden an der völlig ungenügenden internen Aufarbeitung des Abgasbetruges schrieb sie u.a.: Grundsätzlich festzuhalten ist, wie eindringlich unser Monitor in seinem Bericht die Notwendigkeit zu einem Kulturwandel im Volkswagen-Konzern betont. Für die Umsetzung von ersten Empfehlungen“, die übrigens streng geheim bleiben, „haben wir jetzt die kommenden Monate Zeit und bitten Führungskräfte und Mitarbeiter, sich intensiv einzubringen“. Dazu wurde ein Projekt „aufgelegt“: „Together4Integrity“, das ebenso geheim ist wie der interne Untersuchungsbericht der von VW beauftragten Kanzlei Jones Day. Nichts wurde bisher von Volkswagen aufgeklärt, was nicht von den Ermittlungsbehörden in den USA, in Deutschland oder einem anderen Land ermittelt worden war. Stadler und Kumpanen haben Ermittlungen behindert und verschleppt – der Aufsichtsrat hat dieses kriminelle Verhalten gedeckt. Gedeckt hat dieses Verhalten aber auch die Bundesregierung, das Bundesverkehrsministerium und das zuständige Kraftfahrtbundesamt. Das KBA hält die Erkenntnisse über Abschalteinrichtungen unter Verschluss mit der dreisten Begründung, dass es sich um „Betriebsgeheimnisse“ handeln würde. Der millionenfache Abgasbetrug mutiert so zum schützenswerten Betriebsgeheimnis.

Nun wird das Elend weiter gehen. Weitere Ermittlungsverfahren laufen gegen etwa 50 Manager, darunter der mit bis zu 17 Millionen Euro Jahresgehalt bestbezahlte Ex-Chef Martin Winterkorn. Matthias Müller wurde als Vorstandsvorsitzender abgelöst, weil gegen ihn ebenfalls ermittelt wird. Auch gegen den aktuellen VW-Boss Herbert Diess sowie gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Dieter Pötsch wird wegen des Abgasbetruges ermittelt. Während der interne Untersuchungsbericht entgegen den Ankündigungen vom September 2015 unter Verschluss bleibt, behaupten die oberen und bestens bezahlten Manager immer noch, von nichts gewusst zu haben. Daraus kann nur die Schlussfolgerung gezogen: entweder sie lügen oder sie sind unfähig, ein solches Unternehmen zu führen. In beiden Fälle müssen sie unmittelbar von ihren Aufgaben entbunden werden, um weiteren Schaden vom Unternehmen abzuwenden. In den USA hat Volkswagen längst den Betrug und die Verschwörung detailliert eingestanden – Konsequenzen hat das Unternehmen selbst daraus bisher nicht gezogen. Der „Monitor“ der US-Justizbehörden, der bei VW als Kontrolleur eingesetzt wurde, der ehemalige Staatssekretär im US-Justizministerium Larry Dean Thompson, hat sich über die bisherige Entwicklung sehr kritisch geäußert. Immer noch werden neue Fahrzeuge mit einer Software auf den Markt gebracht, die die Abgasregelung regelwidrig manipuliert. Inzwischen wurden derart viele Verstöße bekannt, dass Volkswagen, Porsche und Audi eine ganze Reihe von Fahrzeugen nicht mehr produzieren können. In den Werken macht sich die Angst breit, Produktionsausfälle und Kurzarbeit stehen vor der Tür.

Einige Aspekte der Debatte der letzten Monate habe ich hier zusammengefasst:

Mit Betrug aus der Krise kommen?

Der Abgas-Betrug bei Volkswagen und den anderen Automobilherstellern wie Daimler und BMW ist Ausdruck der Krise, der mörderischen Konkurrenz, Ausdruck einer großen Transformation dieser Branche mit offenem Ausgang. Ob die Produktion mit 85 Millionen Pkw weltweit ihren Zenit erreicht hat, ist offen. Doch dass sie in ihrer jetzigen Form keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr hat, steht außer Frage. Wir sind Zeugen einer Verkehrswende – unklar in welche Richtung: Profit- oder Bedürfnisorientierung? Das Auto inklusive Verbrennungsmotor genügt weder den Erfordernissen der Umwelt noch den unterschiedlichen Mobiltätsbedürfnissen.

In den dringenden Debatten zu diesen aktuellen Herausforderungen geht es um grundsätzliche Fragen und Haltungen. Es bedarf solcher Grundsätze, um die Herausforderungen konstruktiv und progressiv zu bearbeiten. Solidarität gehört dazu, die nicht am Werkstor endet, sondern alle Beschäftigten und die Erwerbslosen einbeziehen muss, ebenso globale Nachhaltigkeit, um der Verantwortung für die Natur, für das Klima, für die begrenzten Ressourcen und für nachfolgende Generationen gerecht zu werden. Ferner der Anspruch auf ein Gutes Leben für alle, das nur mit Guter Arbeit geht. Und Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen vor allem; Gerechtigkeit unabhängig von Aufenthaltsstatus, von Hautfarbe und sexueller Orientierung. Daran müssen sich auch die Antworten für aktuelle ökologische, beschäftigungs- und arbeitspolitische Herausforderungen messen lassen.

Tatsächlich lavieren die etablierte Politik und Gewerkschaft zwischen proklamierten Klimaschutzzielen, einer »Verkehrswende« ohne Reduktionsziele und einer Verkehrsinvestitions- und Subventionspolitik, die keine neue Weichenstellung erkennen lässt: Unterfinanzierung beim Öffentlichen Verkehr, Milliardeninvestitionen in neue Straßen und Milliardensubventionen für Dieseltreibstoff und Dienstwagen und individuelle Elektromobilität. Schlechtere Leitplanken kann man einer Branche kaum setzen.

Die in der kapitalistischen Logik erwartbare Marktbereinigung hat mit der Übernahme von Opel durch die PSA-Gruppe begonnen; das Schlachtfest – trotz aller Verträge und Zugeständnisse, die die Belegschaften in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach gemacht haben; auch die 1.600 Opel-Beschäftigten in Wien-Aspern sehen einer ungewissen Zukunft entgegen, Beschäftigungsgarantien halten nicht einmal wenige Monate. Weitere Übernahmen und schmerzhafte Liquidationen sind absehbar, solange die gnadenlose Konkurrenz und die Jagd nach Maximalprofit die Unternehmenspolitiken bestimmt. In der Sprache eines „Auto-Experten“ Prof. Bratzel hört sich das Krisenszenario so an: „Das durchschnittliche Wachstum der globalen Herstellerkonzerne Volkswagen, Toyota, GM, Hyundai sank im abgelaufenen Kalenderhalbjahr im Durchschnitt um 2,4 Prozent.“ In der Sprache eines Betriebsrates hört es sich anders an: „Wir werden aber nicht mehr jede Kollegin und jeden Kollegen mit einem Leiharbeitsvertrag weiter beschäftigen können. Auch das gehört zur Wahrheit.“ In der Erklärung der Wirtschaftsministerin und der Ministerpräsidenten zur Übernahme von Opel durch PSA heißt es vieldeutig: „… ein erster Schritt, um in Europa einen europäischen Global Player auf den Weg zu bringen.“

Aus einer linken Perspektive ist es angesichts der zerstörerischen Konsequenzen einer imperialen Lebensweise unabdingbar, die Berührungspunkte von Ökologie und Emanzipation zu identifizieren. »Der Externalisierungsgesellschaft droht das Außen verloren zu gehen, und mit diesem eine wichtige Grundlage der Bearbeitung ihrer internen Widersprüche. Die vorherrschende Reaktion darauf besteht darin, das bedrohte Außen und damit die für die imperiale Lebensweise unabdingbare Exklusivität autoritär zu verteidigen bzw. wiederherzustellen: durch Abschottungspolitik gegenüber Geflüchteten und durch das Bestreben, die geopolitischen und -ökonomischen Aufsteiger handelspolitisch oder gar militärisch kleinzuhalten. Gesellschaftlich findet diese Politik einer autoritären Stabilisierung ihren Widerpart in den Anpassungsstrategien der oberen Mittelschicht und der Oberklasse, bei denen das Auto und die Automobilitätspolitik eine zentrale Rolle spielen« (Zeitschrift LuXemburg). Damit sind die Gefahren und Herausforderung treffend benannt.

Wir wissen, dass viele Menschen vorzeitig sterben

Ab sofort drohen in Kommunen Fahrverbote, weil seit Jahren die Messstationen an den großen Straßen Stickoxid- und Feinstaubwerte oberhalb der Grenzwerte aufweisen. 75 bis 80 Prozent dieser Emissionen stammen aus (Diesel-)Fahrzeugen. Die EU-Kommission führt gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren, weil diese Überschreitungen weder abgestellt noch geahndet werden. Das extrem kleinteilige Fahrverbot auf der Stresemannstraße in Hamburg ist reine Symbolpolitik, kontraproduktiv noch dazu – zumal dort schon eine einspurige Verkehrsführung mit Tempo 30 erfolgreich erprobt, vom Beust/Schill-Senat jedoch wieder gekippt wurde. Der hannoversche Oberbürgermeister Schostock hielt anlässlich der Vorstellung eines Planes zur Luftreinhaltung im hannoverschen Rathaus im September 2017 eine bemerkenswerte Rede. Er dozierte u.a. von Interessenabwägung: »Vor allem sind für mich vier Interessen betroffen, die zum Teil Schutz von Verfassungsrang beanspruchen: Es geht um den Gesundheitsschutz. Wir wissen, dass eine Vielzahl von Menschen wegen einer zu hohen Stickoxid-Belastung vorzeitig stirbt. Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Allergien. Die Folgen sind bekannt. Es geht um die Automobilwirtschaft. Aushängeschild der deutschen Wirtschaft schlechthin. Hunderttausende von Arbeitsplätzen hängen von ihr ab. Es geht um die Besitzer von Dieselfahrzeugen. Unzählige Menschen, die in ein Produkt vertraut haben. Vertraut darauf, dass es – wie von den Herstellern angegeben – umweltfreundlich und zukunftsfähig ist. Und es geht um das Leben in den Städten. Wenn wir Verkehre ausschließen, laufen wir Gefahr, die Städte lahmzulegen.« Im Verfassungsrang ist davon sicher nur der Gesundheitsschutz, das »Recht auf körperliche Unversehrtheit«, wie es in Artikel 2 GG heißt. Eine Schlussfolgerung des Oberbürgermeisters aus Hannover ist allen politisch verantwortlichen Personen und der Autoindustrie in Deutschland gemein: »Wir müssten also den Dieselverkehr großflächig aussperren. Quasi eine Umweltzone mit einem undifferenzierten Dieselverbot. Das kann nicht sein, wenn Sie mich fragen.« Siegmar Gabriel stößt ins gleiche Horn: alles zu tun, »damit es in Deutschland keine Fahrverbote gibt…«

Die Bundesregierung ist nach der peinlichen Inszenierung mehrerer „nationaler Dieselgipfel“ zu nicht mehr in der Lage, als neue »finanzielle Anreize« zum Umstieg auf Elektromobilität zu geben, d.h. weitere Subventionierung der Automobilindustrie mit Milliardenbeträgen; ein Teilbetrag in Höhe von einer Milliarde Euro wird euphemistisch als »Nachhaltigkeitsfonds« bezeichnet. Teils fließen die beim zweiten »Dieselgipfel« am 4. September 2017 beschlossenen Subventionen über die Kommunen, die dafür Elektroautos anschaffen müssen; teils werden, natürlich steuermindernd, sogenannte »Umweltprämien« bis zu 11.000 Euro ausgereicht bei der Verschrottung älterer und dem Kauf neuer Autos: »Umweltprämie, Zukunftsprämie oder Umweltbonus, durch verschiedene Prämien und Boni vom Staat und Hersteller können Sie jetzt je nach Modell bis zu 13.070 Euro erhalten« – so wirbt z.B. Volkswagen bei seinen eigenen Beschäftigten für den Kauf eines Neuwagens. Doch trotz Rabattschlacht stagniert der Absatz von Volkswagen, BMW und Daimler auf dem deutschen Markt.

Neue Geschäftsmodelle

Künftige Profite erhoffen sich die Unternehmen von »neuen Geschäftsmodellen«, vor allem Dienstleistungen wie Shuttle Service und Robo-Taxen, mit denen die Umsätze aus dem Öffentlichen Personennahverkehr abgeschöpft werden sollen – mit MOIA bei VW und Moovel sowie MyTaxi bei Daimler, etlichen teuren Zukäufen von Start Ups wie Gett oder das Ridesharing-Unternehmen Flinc. Daimler Mobility Services übernimmt die 2010 in Darmstadt gegründete Mitfahrgelegenheit für die Kurzstrecke und gliedert das Angebot in seine eigene Mobilitätspalette ein. VW ist u.a. mit 380 Mio. Dollar bei dem Fahrtenvermittler Gett eingestiegen: Gett-Fahrer in der russischen Metropole erhalten den VW Polo Sedan, den VW Jetta, den Škoda Rapid oder den Škoda Octavia zu Vorzugskonditionen, profitieren von speziellen Fahrzeug-Paketen und beschleunigen so das Wachstum von Gett und Volkswagen in Moskau. Selbst Afrika ist im Visier: Ein ähnliches Projekt ist für Ruandas Hauptstadt Kigali geplant. Die Visionen können gar nicht schön genug sein: »Wer die Stadt rettet, rettet die Welt. MOIA ist nicht einfach ein weiteres Verkehrsmittel. Wir entwerfen Mobilitätskonzepte, die unsere Städte zu lebenswerteren, sichereren und schöneren Orten machen – für alle Menschen. Die aufregende Reise beginnt jetzt!« Volkswagen will damit in den nächsten Jahren einen »substanziellen Teil des Umsatzes« von über 200 Milliarden Euro erwirtschaften.

Mittelfristig plant die Landeshauptstadt Dresden einen Schritt weiter zu gehen und statt auf einen eigenen Fuhrpark auf Mobilitätsdienstleitungen eines Dritten zurückzugreifen: SmartCity Dresden 2025+ – so die verlockende oder erschreckende Vision mit Bildung eines Joint Research Lab, einer Advanced Mobility Academy und eines Business Inkubators. Etwas Kleiner geht es noch, wenn die Schulkinder ins Visier geraten: Eine »Schutzranzen«-App[13] sollte entwickelt werden: »Sobald Kinder die App auf ihr Smartphone heruntergeladen haben, sendet sie oder ein GPS-Sender im Schulranzen, deren aktuelle Position an die Coodriver Cloud. Der Cloud Server berechnet den notwendigen Sicherheitsabstand zwischen Kind und Fahrzeug.« Vorläufig ist das Projekt in Wolfsburg an Protesten und zu wenigen freiwilligen Probanden gescheitert.

Die Autoindustrie unter öffentliche Kontrolle stellen!

In den 1980er Jahren gab es eine gesellschaftliche Debatte über „Auto, Umwelt und Verkehr“, die auch in der Gewerkschaft, in den Unternehmen und in den Betrieben geführt wurde. Nach dem Zusammenbruch von Sowjetunion und DDR jedoch erschloss sich nicht nur ein gigantischer neuer Markt, sondern die den Kapitalismus zügelnde Systemkonkurrenz hatte sich aufgelöst. Das bis dahin in der DDR gut entwickelte System des öffentlichen Verkehrs bei Personen und Gütern wurde  systematisch zerstört. Man fuhr Auto, Güter wurden auf die Straße verlegt. Der damalige Vorsitzende der IG Metall, Franz Steinkühler, sagte auf dem Kongress der Gewerkschaft und des Naturschutzringes  u.a.: „Ökologische Schäden und soziale Frage …, die Rodung von Regenwäldern, neue Armut in den Industriestaaten und Hunger in den Entwicklungsländern zeigen zugleich, dass Kapitalismus und ungezügeltes Wachstum keine Alternativen sind. Regionale Lebensqualität und globales Überleben können wir nur gewinnen, wenn Arbeit und Technik im Einklang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen organisiert werden, wenn soziale Gerechtigkeit und Solidarität mehr gelten als das Recht des Stärkeren und der schnelle Profit.“ Dabei befand er sich in Übereinstimmung mit dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen, Daniel Goedevert: „Der Verkehr ist das soziale System, das bei weiterer Belastung nicht erträglich ist. Denkbar wären dann durchaus politische Entscheidungen, den hauptsächlichen Verkehrsträger, zumindest in Teilbereichen, aus dem Verkehr zu ziehen – und das ist das Kraftfahrzeug … Planung ist kein böses Wort. Es sind bestimmte Bereiche, auch der freien Markwirtschaft, wo Planung nach meiner Auffassung erforderlich wäre. Warum sollte die DDR nicht aus unseren Fehlern lernen und z.B. statt eines linearen Nebeneinanders eine vernetzte, ökologische Verkehrsinfrastruktur aufbauen?“ Im Einheitstaumel und im Absterben der Systemkonkurrenz gingen diese Ansätze einer systematischen Transformation unter, die Protagonisten von damals blieben nicht mehr lange in ihren Ämtern, die „Männer mit Benzin im Blut“ (Piëch) übernahmen das Kommando, die Jagd um Märkte, Marktanteile und Profite drehte sich wieder in der alten und bekannten Spirale.

Die Debatte über Transformation und »neue Geschäftsfelder« wird heute allzu zögerlich geführt angesichts der Problemanhäufung und der »Kollateralschäden«, die von der Autoindustrie angerichtet werden: 3.200 getötete Personen bei Straßenverkehrsunfällen hierzulande im vergangenen Jahr, unsichere Arbeitsverhältnisse, unsichere Steuereinnahmen für die Kommunen, Subventionen aus den Staatskassen, Kartellbildung und Abgasbetrug. Den Eigentümern und Managern ist fast jedes Verbrechen zuzutrauen. Die Autoindustrie muss deshalb unter öffentlich-rechtliche Kontrolle gestellt werden, analog des Einsatzes des US-Juristen Larry Dean Thompson bei VW. Er und sein Team bilden eine Art Spezialeinsatzkommando mit Zugang zu allen Räumen, Computern und Dokumenten des Unternehmens. Das Team soll dafür sorgen, dass Volkswagen die Auflagen des Anfang 2017 geschlossenen Vergleichs mit dem US-Justizministerium wegen des Abgasbetrugs erfüllt.

Zur Konsequenz dieser Debatte gehörte ähnliches wie bei der Tabakindustrie (Werbeverbot) oder bei Gammelfleischproduzenten (Entzug der Betriebsführungserlaubnis). Angesichts der »Bedeutung« der Autoindustrie mag das abwegig klingen, angesichts der Schäden und Risiken der Produkte und der Manager wäre das die einzige Lösung, die kurzfristig zu notwendigen Veränderungen führt.

Kritisch bei der begonnenen Transformation, die neben der Digitalisierung und ganz anderen Produkten auch eine Reduktion von Input und Output sein muss, ist das soziale Problem der Beschäftigung von vielen hunderttausend Menschen in unserem Land und Millionen Menschen weltweit in den entsprechenden Wertschöpfungsketten. Die Herausforderungen sind deutlich: Ohne Alternativen für die Beschäftigten entlang der automobilen Wertschöpfungskette wird die Transformation nicht gelingen. Es geht um faire Arbeitsbedingungen und um Arbeitsperspektiven in einer Schlüsselindustrie, die vor großen Umbrüchen steht. Es bedarf sozialer Garantien für alle.

Bei der Suche nach Lösungen in diesem Transformationsprozess fällt auf, dass einzelne Abschnitte der Produktion unabhängig vom Auto anders genutzt werden können. Ob Bleche für die Autoindustrie oder für Busse, Bahnen und Schienen hergestellt werden, ist den Beschäftigten in der Stahlindustrie ziemlich egal. Das gleiche trifft für die Textilproduktion (Sitze), die Elektrik und Elektronik zu. Damit verkleinert sich das soziale Problem. Wenn weiter Verschiebungen innerhalb der Industrie- und Dienstleistungsbereiche, z.B. von der Autoproduktion im weitesten Sinne in den Natur- und Landschaftsschutz, in die Infrastruktur des Landes, in die Herstellung alternativer Verkehrsmittel und Verkehrswege erfolgen, wird die soziale Frage nochmals kleiner. All diese Veränderungen stehen uns ohnehin bevor und wir müssen lernen, damit umzugehen.

Die Absicht der Automobilkonzerne, der mit ihr verbundenen Zulieferindustrie, Mineralölindustrie und der diesen Industrien verpflichteten Politik ist es, solange so viele Autos mit Verbrennungsmotor wie möglich zu verkaufen und das bestehende Profitsystem in die Zukunft zu verlängern. Aber die Zukunft ist vielfach ungewiss, für die Manager stellen sich schier unlösbare Fragen. Kann sich Elektromobilität durchsetzen? Wer bezahlt die Ladeinfrastruktur und wo kommt der Strom her? Ist die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie eher die Zukunft? In welche Richtung soll geforscht und viel Geld investiert werden? Was sind die richtigen Konzepte für künftige Mobilität? Warum funktionieren die Car-Sharing-Ausflüge der Großkonzerne nicht? Wie können wir die Milliarden-Umsätze aus dem Öffentlichen Verkehr in die Konzernkassen umleiten? Die Endlichkeit der Ressourcen, der bevorstehende Klimakollaps und der veränderte Status des Autos, die nicht mehr vorhandene Mobilität in den Megacities sowie in den infrastrukturarmen ländlichen Regionen erzwingen jetzt Antworten. Deshalb wird spekulativ investiert – viele Milliarden in verschiedene Lösungswege.

Ein Branchenrat ist erforderlich

Gelegentlich wird die IG Metall als Interessenvertretung der Beschäftigten in der Automobilindustrie wahrgenommen, die standortchauvinistisch mit den Autofirmen paktiert. Aber es gibt eine andere Seite und andere Branchen, die nicht so sehr im Licht stehen, aber für eine bedürfnisorientierte Transformation wichtig sind. Auf einem von der IG Metall organisierten Aktionstag in den Betrieben der Bahnindustrie setzten Beschäftigte und Betriebsräte bundesweit ein Zeichen. In einer gemeinsamen Erklärung der IG Metall-Betriebsräte in der Bahnindustrie heißt es u.a.: »Wir wissen zugleich, dass die integrierte Mobilität der Zukunft eine starke Schiene braucht. Eine starke Schiene gewährleistet Mobilität und schützt Klima sowie Gesundheit. Wir bringen uns aktiv in die Gestaltung unserer Branche ein. Wir setzen auf eine Offensive zur Sicherung und Stärkung unserer Arbeitsplätze, Standorte und Wertschöpfungsketten. Der Markt allein kann es nicht richten. Deshalb erwarten wir von den politischen Entscheidungsträgern in Deutschland und Europa eine innovations- und beschäftigungsorientierte Branchenpolitik.« Die IG Metall und die Betriebsräte fordern u.a. einen Bahnkoordinator der Bundesregierung, der Bahnindustrie und Bahnbetrieb zusammendenkt; die Einführung eines Branchendialogs, um Transparenz zu schaffen und Strategien zu klären; die Einrichtung eines nationalen Forschungsprogramms; eine faire Auftragsvergabe sowie Investitionen in die Schieneninfrastruktur. Der Veränderungsbedarf wird auch bei den Betriebsräten der Autoindustrie gesehen. In einer gemeinsamen Erklärung vom Juli 2017 betonen Gewerkschaft und Betriebsräte: »Es ist an der Zeit, die Weichen für eine zukunftsfähige Transformation zu stellen. Das längerfristige Ziel ist eine ökologisch und sozial verträgliche Mobilität.«

Daraus ergeben sich u.a. folgende Forderungen: Vor allem muss Schluss sein mit den betrügerischen Praktiken der Eigentümer und Manager in der Autoindustrie. Bei den Streikaktionen im Rahmen der Tarifrunde 2018 haben viele Beschäftigte sich bitter beklagt, dass sie sich für die Gesetzesverstöße der Manager rechtfertigen müssen. »Das Ärgerliche ist, dass wir das jedes Mal mit abkriegen. Wir sind auch Volkswagen« – so der Betriebsratsvorsitzende von VW-Kassel bei der nächtlichen Streikaktion am 1. Februar 2018. Die außerordentlich hohen Gewinne der Unternehmen sind zur Regulierung der Schäden und zur Finanzierung der Transformation zu verwenden. Volkswagen zum Beispiel hat »Gewinnrückstellungen« in Höhe von 80 Mrd. Euro, Daimler weist einen Vorsteuergewinn von fast 15 Mrd. aus und BMW von fast 10 Mrd.

Fahrverbote zumindest für Dieselfahrzeuge sind unvermeidlich. Die davon betroffenen Personen sind zu Lasten der Autokonzerne mit Monats- bzw. Jahrestickets für den jeweiligen Öffentlichen Personennahverkehr auszustatten.

Einerseits und andererseits – die Rolle der IG Metall

Der von der IG Metall für die Bahnindustrie und in Baden-Württemberg für die Automobilindustrie geforderte Branchendialog (Beirat zur Transformation) ist zu einem Branchenrat, gerne auch zu einem »Zukunftspakt Mobilität«, wie von der Friedrich-Ebert-Stiftung vorgeschlagen, aufzuwerten, in den die Gewerkschaften, aber auch Umwelt- und Verbraucherorganisationen einzubeziehen sind. Die Beratungsergebnisse sollen verbindlich für die Branche sein. Im Ergebnis bedeutet das eine öffentlich-rechtliche Kontrolle dieser Kernindustrie unseres Landes.

Wenn nicht mehr der Profit im Mittelpunkt stünde und das Ziel allen Wirtschaftens die Bedürfnisbefriedigung der Menschen wäre, würde Mobilität ganz anders aussehen. Besteht nun die vielleicht historische Chance, den durchaus unterschiedlichen Bedürfnissen in Megacities einerseits und infrastrukturarmen Regionen andererseits zum Durchbruch zu verhelfen? Ohne die Eigentumsfrage anders als bisher zu beantworten, ohne Vergesellschaftung und ohne gesellschaftliche Planung ist das sicher nicht möglich.

Dabei kommt es auf das gesellschaftliche Kräfteverhältnis an, auf die Gewerkschaften und viele Bürger- und Verkehrsinitiativen sowie die linken Kräfte einerseits, die Auto- und Erdölindustrie und ihre Lobby andererseits. Es reicht nicht aus, dass vielen die Autos im wörtlichen Sinne stinken, dass über volkswirtschaftliche Schäden durch Unfälle und Flächenverbrauch geklagt wird, es bedarf konkreter technischer, ökologischer und arbeitspolitischer Transformationsprojekte bis hin zu einer radikalen Verkürzung der Zeit für Erwerbsarbeit (kurze Vollzeit), in denen vor allem auch die berechtigten sozialen Ängste der Beschäftigten in der Industrie Berücksichtigung finden. Deshalb kommt der Gewerkschaft, die, anders als Anfang der 1990er Jahre, keine eindeutige Position hat, eine besondere Bedeutung in dieser Auseinandersetzung zu.

Einerseits will die IG Metall „den Wandel intelligent gestalten“, wie auf verschiedenen bezirklichen Automobilkonferenzen beraten wurde. Dabei geht es um zwei Stoßrichtungen: Autos mit konventionellen Antrieben sollen umweltfreundlicher werden. Zugleich soll der Umstieg auf Autos mit alternativen Antrieben, also mit Batterie oder Brennstoffzelle, beschleunigt werden. Das Fazit der Diskussion der Gewerkschafter: Wir mischen uns stärker ein in die öffentliche Diskussion. Wir fragen präziser nach, wenn es um Brennstoffzelle, Elektro-, Gas- oder Hybridantrieb geht. Was kann die Technik leisten, was erwarten wir von der Politik? Wir stoßen regionale Debatten über die Zukunft des Verkehrs an. Wir machen uns Gedanken, wie gute Arbeit im Jahr 2025 aussehen soll. Die grundsätzlichen Fragen nach einer ganz anderen Form von Mobilität, nach Regionalisierung und kleineren Kreisläufen und nach Vergesellschaftung und Wirtschaftsdemokratie wurden nicht benannt. Das hängt wohl auch mit dem „andererseits“ zusammen, mit der Einbindung der Spitze der Gewerkschaft in die „Nationalen Plattform Elektromobilität“ (NPE), über die viel Geld für Forschung, Entwicklung, Kaufprämien, Sonderabschreibungen, Steuerbefreiungen und Infrastruktur verteilt wird; das „die Sicherung von Rohstoffen“ dabei extra genannt werden, macht die Brisanz dieses Planes deutlich. Das Ziel, eine Millionen Elektro-Fahrzeuge bis 2020 auf die Straße zu bringen, wird deutlich verfehlt. In einer Erklärung der IG Metall dazu heißt es sehr idealistisch: „Eine umweltfreundliche Mobilität – das ist das Ziel, dem sich die Nationale Plattform Elektromobilität verschrieben hat. Die IG Metall ist dabei, damit sich die Mobilitätswende nicht nachteilig auf die Beschäftigung auswirkt. Die IG Metall ist Teil der NPE, damit die Automobilproduktion von morgen nicht alleine dem Markt überlassen wird. Arbeitgeber, Staat und Gewerkschaften gestalten sie gemeinsam – im Interesse der Beschäftigten.“ Unter den über 150 Auto-Lobbyisten und Ministerial-Bürokraten in der NPE befinden sich weniger als eine Handvoll Gewerkschafter.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, in dem Gewerkschaften beratend vertreten sind, hat einen Paradigmenwechsel in der Automobilindustrie sowie eine „zukunftsgerichtete und vorausschauende europäische Industriepolitik“ angemahnt. „Die Industriepolitik sollte es der Automobilindustrie ermöglichen, ein komplexes industrielles Geflecht zu erhalten und auszubauen.“ An einen koordinierenden Branchendialog, eine Ausweitung von Mitbestimmung, gesellschaftlicher Planung und Wirtschaftsdemokratie ist nicht gedacht, denn, so die die Ko-Berichterstatterin Monika Sitarova Hrusecka von der slowakischen Metallgewerkschaft OZ KOVO: „Dem Sozialen Dialog zwischen den betroffenen Unternehmen und Arbeitnehmervertretern kommt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung sozial verträglicher Strategien zu“. Die IG Metall hat sich bei dem Bericht mit ihrer Expertise eingebracht und insbesondere die Interessen der Beschäftigten betont. Diesem Anspruch kann sie allerdings nicht gerecht werden, wenn die Beschäftigten der Konzerne, der Zulieferer und Standorte wieder und weiter gegeneinander ausgespielt werden.

Bedürfnisorientierung, Wirtschaftsdemokratie und ein Branchenrat – Dimensionen der Transformation

Doch könnte der Plattform NPE auch etwas Gutes abgewonnen werden, wenn sie die Basis für einen dringend erforderlichen Branchendialog mit dem Ziel gesellschaftlicher Planung wäre? Jedenfalls bedeutet Solidarität unter diesen Umständen, einen Weg aus der Sackgasse der Profitorientierung zu suchen und mit möglichst vielen zu gehen. Wirtschaftsdemokratie, ohnehin ein gewerkschaftliches Projekt, wäre ein Weg, das Grundgesetz Artikel 14 gibt die Möglichkeiten dafür: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Auf dieser Basis wurde die HRE in der Finanzkrise enteignet, Opel und die Commerzbank ließen sich „freiwillig“ von der Bundesrepublik aufkaufen. Das allerdings eine Vergesellschaftung nur der Verluste, die wir natürlich nicht meinen. Kriterien für den wirtschaftsdemokratischen Plan müssten gleichermaßen ökologische und soziale Nachhaltigkeit sein. Notwendige Veränderungen sind höchst komplex, betreffen Produkt, Produktion und damit technische, soziale, ökologische, ökonomische, juristische, ethische und politische Prozesse – es geht also um alternative Formen des Wirtschaftens und neue Formen von Solidarität über die Branche hinweg – nicht nur in den einzelnen Konzernen, wo ein Interessenausgleich zwischen verschiedenen Standorten teils schon funktioniert, sondern auch in andere Wirtschaftszweige hinein wie die Bahnindustrie, den Bahnbetrieb, den ÖPNV, auch zum Beispiel die Fahrradindustrie.

Die Dimension wird deutlich, um die es bei dieser Transformation geht, wenn wir uns kurz den einzelnen Aspekten zuwenden:

Technisch geht es um die Frage, Aufrüsten oder Umrüsten. Weg von 2 Tonnen Stahl und monströser Technik auf vier Gummirädern zwecks Transport von einer Person von A nach B – hin zu bedarfsorientiertem öffentlichem Personen- und Güterverkehr auf Schienen, Wasserwegen und – soweit unvermeidbar – auf Straßen, sicherlich nicht in kleinen privaten Autos, die zu 90% Stehzeuge sind.

Sozial geht es um Gute Arbeit versus Profitmaximierung, um gute Beschäftigungsperspektiven für viele tausende Menschen. Ohne die Berücksichtigung berechtigter sozialer Ansprüche wird eine Verkehrswende nicht gelingen.

Ökologisch geht es um Klimabelastungen bzw. dessen Vermeidung, um Gesundheit, um Flächenverbrauch und Flächenversiegelung, um Ressourcenschutz und in dem Zusammenhang auch um Krieg und Frieden, um die Möglichkeit oder die Blockierung alternativen Verkehrs.

Ökonomisch geht es um Profit und darum, dass der Staat bzw. die Staaten die Autoindustrie mit Milliarden subventionieren (Abwrackprämie, E-Mobilität) – direkt (900 Mio $ für VW-Werk in Chattanooga – inkl. Anti-Gewerkschaftsklausel, 130 Mio € für neues Produkt in der Slowakei, Sonderwirtschaftszonen in Polen) wie auch indirekt durch Steuererleichterungen, Steuerverzicht, das Dienstwagenprivileg, Infrastrukturleistungen, Rabatte auf Energie, Wasser, Abwasser etc.pp

Ethisch geht es um die Frage, ob wir so leben wollen, ob wir so arbeiten, produzieren und konsumieren wollen. Diese Produktionsweise ist mit unendlich vielen Ungerechtigkeiten behaftet, sie ist zerstörerisch und tödlich für viele Menschen – ähnlich stringent wie die Rüstungsproduktion. Jede Waffe findet ihren Krieg; allein in Deutschland starben im vergangenen Jahr über 3.000 Menschen bei Verkehrsunfällen, weltweit sind es 1,2 Millionen p.a., mehr als 300 Tote pro Tag!

Juristisch geht es nicht in erster Linie um den Abgasbetruges, nicht um die Frage, ob da auch die Finanzbehörden betrogen wurden und wer für diesen Schaden aufkommt. Vor allem geht es um die Eigentums- bzw. die Verfügungsfrage. Zum Beispiel Volkswagen, das nach 1945 zunächst „herrenlos“ war, die räuberische „Deutsche Arbeitsfront“ war als verbrecherische Organisation enteignet und verboten: „Der Porsche-Piëch-Clan und der Terrorstaat Katar haben von dem Abgasbetrug profitiert, diese Profite quasi als Hehler privatisiert durch Dividendeneinnahmen der zurückliegenden 10 Jahre. Wie verhält es sich da mit dem Eigentum, das dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll und widrigenfalls enteignet werden kann (und das trifft dann sicher nicht nur auf VW zu).

Politisch geht es um die Rolle des Staates, der von der damaligen Besatzungsmacht, wieder am Beispiel Volkswagen, als Treuhänder für das Werk eingesetzt wurde. Schon von der CDU-Regierung unter Adenauer wurden Teile des Unternehmens privatisiert, Kohl hat dann in der Koalition mit der FDP den Rest von Anteilen des Bundes verschleudert. Lediglich das Land Niedersachsen hat – ungeachtet der jeweiligen Regierungskonstellation – an seinen Anteilen am Unternehmen festgehalten. Alle neoliberalen Politiker verweigern sich einer aktiven Wirtschaftspolitik, einer planmäßigen Branchenentwicklung – diese ist aber erforderlich, wenn Wirtschaftsdemokratie durchgesetzt werden soll.

Sozial und ethisch geht es aber jedoch vor allem um die Frage, welche Alternativen den Beschäftigten geboten werden, wenn sie anderes auf andere Weise produzieren sollen und wollen. Abgesehen davon, dass das nicht vorgeschrieben werden kann, sondern beraten werden muss, sind insbesondere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefragt, über Möglichkeiten und Chancen nachzudenken, Alternativen und Perspektiven vorzuschlagen, Ideen zu entwickeln, wie Mobilitätszwänge reduziert und Mobilitätsbedürfnisse befriedigt werden können; ohne eine Kritik der kapitalistischen Modernisierungsstrategie von E-Mobilität, autonomen Autos, Digitalisierung sowie Stadt- und Raumplanung wird es dabei nicht gehen.

»Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen« (Artikel 14 Absatz 2 GG). Zur Durchsetzung dieses Artikels kann zum Instrument der Enteignung gegriffen werden (Art. 15 GG, „Sozialisierung“). Anders wird die dringende und an den wirklichen Mobilitätsbedürfnissen orientierte Verkehrs- und Mobilitätswende nicht auf den Weg zu bringen sein. Wenn diese Wende jetzt in Verbindung mit einer wünschenswerten und möglichen allgemeinen Arbeitszeitverkürzung, mit einem »Neuen Normalarbeitsverhältnis« in einem Zeithorizont von zehn Jahren angegangen wird, ist sie sozial beherrschbar und wird nicht zu massenhafter Erwerbslosigkeit und verödeten Kommunen und Regionen führen. Wenn das nicht angegangen wird, endet der mörderische Konkurrenzkampf mit Fabrikschließungen und Massenentlassungen.

 

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