Volkswagen: Bußgeld ohne Buße?

Wer zahlt das Bußgeld? Strafrechtliche Ermittlungen gegen 49 Personen.

Nach mehr als 30 Monaten Ermittlungen hat die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ein Bußgeld in Höhe von 1 Milliarde Euro gegen Volkswagen verhängt. Das Unternehmen, so das Ergebnis der Ermittlungen, hat seine Aufsichtspflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt und dadurch strafrechtlich relevante Pflichtverletzungen begangen. Die strafrechtlichen Ermittlungen laufen gegen 49 Personen weiter, darunter der Ex-Chef Martin Winterkorn, der Ex-Chef Matthias Müller, der gegenwärtige Vorstandsvorsitzende Herbert Diess und der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dieter Pötsch.

VW teilt dazu mit: „Die Volkswagen AG hat die Geldbuße nach eingehender Prüfung akzeptiert und wird hiergegen keine Rechtsmittel einlegen. Volkswagen bekennt sich damit zu seiner Verantwortung für die Dieselkrise und sieht darin einen weiteren wesentlichen Schritt zu ihrer Bewältigung. Durch den Bußgeldbescheid wird das gegen Volkswagen laufende Ordnungswidrigkeitenverfahren abschließend beendet. Volkswagen geht davon aus, dass die Beendigung dieses Verfahrens auch erhebliche positive Auswirkungen auf weitere in Europa gegen die Volkswagen AG und ihre Konzerngesellschaften geführte behördliche Verfahren haben wird.“

Ein Unternehmenssprecher ergänzt in bekannt arroganter und überheblicher Weise, dass man nicht gegen den Bescheid vorgehe, sei „nicht automatisch ein Schuldeingeständnis“ (Süddeutsche Zeitung vom 13.6.2018). Es bleibt in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass Volkswagen bisher keinen Beitrag zur Aufklärung des Betruges geleistet hat. Die interne Untersuchung bleibt entgegen den Ankündigungen vom September 2015 nach „rückhaltloser Aufklärung ohne Ansehen der Person“ weiterhin unter Verschluss. Begründet wird das mit der lapidaren Erklärung, eine Veröffentlichung wäre zum schweren Schaden von Volkswagen und beinhalte unkalkulierbare Risiken für das Unternehmen.

Die Spur des Geldes

Das Bußgeld besteht aus zwei Teilen: Der „Ahndungsteil“, quasi die Strafe für den Betrug, beträgt mit 5 Millionen Euro die nach Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) höchstmögliche Summe. Der größere Teil mit 995 Millionen Euro, der „Abschöpfungsteil“, dient dazu, die wirtschaftlichen Vorteile durch den Betrug „abzuschöpfen“. Das ist insoweit wichtig und interessant, als ermittelt wurde, dass Volkswagen durch den Betrug einen Extraprofit erzielte, quasi eine „Betrugsdividende“. Wenn man der Spur des Geldes dann folgt, landete diese Betrugsdividende anteilig bei den Großaktionären, also beim Porsche-Piëch-Clan und bei den Scheichs von Katar. Aber die saßen gar nicht auf der Anklagebank – zahlen soll „das Unternehmen“ – und das geht erfahrungsgemäß zu Lasten der Beschäftigten. Sowohl die Entlassung tausender Leiharbeiter als auch der Personalabbau, die Leistungsverdichtungen und Produktivitätssteigerungen im Rahmen des Zukunftspaktes, schließlich die angekündigten Produktionsausfälle sind nicht nur materielle Einbußen der Beschäftigten, sondern verbreiten Angst und Schrecken in der Belegschaft.

Die abgeführten Gewinne jedenfalls sind in den letzten Jahren immer gestiegen; für 2017 kassierte der Porsche-Piëch-Clan fast 600 Millionen Euro für die ergaunerten Anteile am VW-Konzern. Der Abschöpfungsteil fließt entsprechend OWiG an das Land Niedersachsen. Obwohl es sich bei diesem Bußgeld um die höchste Summe handelt, die bisher in Deutschland verhängt wurde, hat die Staatsanwaltschaft den möglichen Rahmen bewusst nicht ausgeschöpft. Sie erklärt dazu: „Bei dieser Ermessensentscheidung und der eingeforderten Höhe der Summe ist unter anderem auch berücksichtigt worden, dass durch die Höhe der Zahlung nicht die Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Zahlungsansprüche von Bürgern gegen die VW- AG gefährdet werden soll.“ Zum einen wird damit, völlig zu Recht, gesagt, dass VW viel mehr zahlen könnte. Zum anderen wird darauf verwiesen, dass Kundinnen und Kunden von VW Ansprüche haben, die für die Staatsanwaltschaft durchsetzungsfähig sind.

 

Der Porsche-Piëch-Clan muss zahlen!

Es bleibt eine wesentliche Frage offen: Wenn es also eine „Betrugsdividende“ gibt, wenn also durch den Betrug Exraprofite in Höhe von mehreren Milliarden Euro erzielt wurden, dann muss das auch dort „abgeschöpft“ werden, wo die Profite hingeflossen sind. Bei dem Porsche-Piëch-Clan und den Scheichs von Katar ist das Geld, quasi die „Hehlerware“, zu holen. Ich bin gespannt darauf, wer das einklagt bzw. wie die Staatsanwaltschaften sich dazu verhalten.

Es ist zu erinnern in diesem Zusammenhang an den Art. 14/2 unseres Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Sicher ist es eine Frage der Interpretation des Allgemeinwohles – aber dass die vorsätzliche Luftverpestung unter Hinnahme von tausendfachen vorzeitigen Todesfällen im Interesse der Allgemeinheit liegt, wird ja wohl kaum jemand annehmen. Sollte das nicht der Fall sein, wovon selbstverständlich auszugehen ist, würde der Artikel 15 unseres Grundgesetzes mit der Überschrift „Sozialisierung“ zur Anwendung kommen müssen: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Allein das wäre, verbunden mit demokratischen Entscheidungen über die Zukunft von Mobilität und Verkehr,  wohl auch die Gewähr dafür, dass diese Betrügereien endlich ein Ende haben. Weder die Eigentümer noch die in deren Auftrag handelnden Manager wollen und können das gewährleisten, wie die jüngste Zurückweisung von Schuld wieder eindeutig belegt. Jedem Gammelfleischproduzenten wird die Erlaubnis zur Betriebsführung entzogen. Wenn nicht mit zweierlei Maß gemessen wird, dann ist jetzt das Management von VW, von Daimler und BMW mit dem Entzug der Erlaubnis zur Betriebsführung an der Reihe.

http://www.staatsanwaltschaften.niedersachsen.de/startseite/staatsanwaltschaften/braunschweig/presseinformationen/vw-muss-bussgeld-zahlen-165610.html

https://www.volkswagenag.com/de/news/2018/06/VW_Group_fine_diesel_crisis.html

 

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