Neustart: sozial und ökologisch

Aus NEUES DEUTSCHLAND, Stephan Krull, 11.3.2016

Der millionenfache Abgas-Betrug von Volkswagen wird das Unternehmen sehr viel Geld kosten. Selbst die Existenz dieses unumstößlich geglaubten Weltkonzerns ist nicht mehr gesichert. Dramatische Auswirkungen sind schon jetzt sichtbar: Leiharbeiter werden nicht weiter beschäftigt, Werkvertragsunternehmen gekündigt, Kommunen revidieren Haushaltspläne und streichen Investitionen. Im VW-Werk in Mexiko, von wo der US-Markt beliefert wird, sind Produktion und Absatz bereits um fast die Hälfte eingebrochen.

Das Krisenmanagement des Konzerns ist katastrophal – es wird geleugnet und verharmlost. Ein paar Ingenieure hätten den Betrug ausgeheckt; der Vorstand sei bereits seit zwei Jahren informiert, habe die Information aber vielleicht nicht gelesen; die juristischen »Berater« hielten das Problem für gering und beherrschbar – so die jüngsten Erklärungen von VW. Wahr ist, dass die Zielvorgaben des Konzerns bei den Schadstoffemissionen nicht anders als durch Betrug zu erreichen waren. Profitiert hat davon neben dem Porsche-Piëch-Clan auch der Terrorstaat Katar als einer der Hauptaktionäre.

Angesichts dieser nun existenziellen Krise des Autobauers ist eine Neuausrichtung notwendig. Dafür sollten Linke und GewerkschafterInnen sich stark machen, dafür sollten die IG Metall und der Betriebsrat gewonnen werden. Extraprofite, die der Betrug erzielte, müssten für die Schadensregulierung herangezogen werden. Hohe Beiträge für den anstehenden Konzernumbau sind von den Großaktionären zu fordern, selbst eine Enteignung entsprechend Artikel 14 Grundgesetz müsste geprüft werden. Währenddessen setzen die Eigentümer und Manager derzeit weiter auf Sieg im Krieg der Autokonzerne mit immer größeren, schnelleren, stärkeren, teureren Autos, mit Elektronik, Digitalisierung und »autonomem Fahren«.

Bei einer Neuausrichtung geht es um soziale wie technische, ökologische und ökonomische Fragen. Dreh- und Angelpunkt müssen die begrenzten Ressourcen, die Reduktion der Klimabelastung und die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen nach einer intakten Umwelt und sinnvollen Fortbewegung sein: Volkswagen müsste ein Mobilitätsanbieter mit modernen, sicheren und ökologisch-nachhaltigen Verkehrsmitteln für Personen und Güter auf Straße und Schiene werden. Solche Verkehrsmittel müssten überwiegend öffentliches Eigentum sein, die allen zur Verfügung stehen und den regionalen Bedingungen in Megacitys wie in dünn besiedelten Regionen der Welt angepasst sind.

Ein solcher Paradigmenwechsel hätte weitreichende Konsequenzen für Produkte, Produktion und Produzenten. Er wäre nur in einem längeren und beteiligungsorientierten Prozess durchzusetzen. Ein Neustart wäre Teil einer gesellschaftlichen wie ökologischen Wende. Zu klären wäre in diesem Prozess die fundamentale Frage der Verfügung über die Produktionsmittel. VW mit seiner Geschichte als teil-öffentliches Unternehmen ist prädestiniert für solche Debatten, bei denen es um Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung geht.

Die niedersächsische Landesregierung ist mit einer Beteiligung von 20 Prozent einer der bestimmenden Aktionäre bei VW. Ihre Sprachlosigkeit in dieser Krise ist Ausdruck einer Ideen- und Konzeptionslosigkeit. Längst müsste sie im Bündnis mit IG Metall und Betriebsrat aktiv sein.

Wenn nämlich der Abgas-Betrug nicht zu einer Wende in der Produktpolitik und in der Jagd auf Maximalprofite führt, wenn nicht sinnvolle gesellschaftliche Planung durchgesetzt wird, steuert das Unternehmen wie die Automobilindustrie insgesamt auf eine ökonomische, soziale und ökologische Katastrophe zu: In Detroit ist zu besichtigen, wie Städte nach dem Zusammenbruch zu Industriebrachen und sozialen Trümmerfeldern werden.

Diese Zusammenhänge zu erkennen und zu diskutieren ist anspruchsvoller als verbale Solidarität mit den Beschäftigten und das Einfordern von Beschäftigungsgarantien. Es ist Aufgabe der gesellschaftlichen Linken, solche Forderungen zu entwickeln, sie in Belegschaften und Gewerkschaften zu diskutieren und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. So gewendet, birgt der Betrugsskandal durchaus Chancen. Es liegt an den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften, an der Linken, an der internationalen Solidarität und an globalen Klimaallianzen, ob diese Chancen genutzt werden. Die Alternative dazu wäre eine Marktbereinigung zulasten von vielen Städten und Gemeinden, von Hunderttausenden Beschäftigten.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1004787.nie-wieder-krieg-der-autokonzerne.html

Der marktgerechte Mensch – ein Filmprojekt

Veröffentlicht in Ossietzky, Nr. 14/2017, 8. Juli 2017

Die Welt verändert sich mit rasanter Geschwindigkeit. Die meisten Menschen werden das mit ihrer eigenen veränderten Stellung und den verschwundenen Sicherheiten am sogenannten Arbeitsmarkt selbst erleben, seit dieser mit der Hartz-Schröderschen Agenda 2010 massiv dereguliert wurde. Gesellschaftliche Solidarsysteme wie die Krankenversicherung, die Erwerbslosenversicherung und die Rentenversicherung, die über Jahrzehnte von der Arbeiterbewegung, von den Gewerkschaften erkämpft wurden, erodieren, werden ausgehebelt, gehen in ihrer Substanz verloren. Die Arbeitszeit wird verlängert und extrem flexibilisiert – Nachtarbeit und Sonntagsarbeit nehmen fast sprunghaft zu. Der marktgerechte Mensch – ein Filmprojekt weiterlesen

#dieselgate bei Audi – Betriebsrat kritisiert fehlende Strategie

Audi-Chef Stadtler vor der Ablösung?

Wie verschiedene Medien in den ersten Juli-Tagen berichten, ist ein von den USA mit Haftbefehl ausgeschriebener Audi-Manager in Deutschland verhaftet worden. Sein Pech: Er ist italienischer Nationalität und vor Auslieferung aus Deutschland deshalb nicht gefeit. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat – nach monatelangem Zögern – im Rahmen eigener Ermittlungen, verbunden mit Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahme diverser Unterlagen bei Audi, einen Haftbefehl erlassen und vollstreckt. #dieselgate bei Audi – Betriebsrat kritisiert fehlende Strategie weiterlesen

Zuviel Arbeit? Die Liebe kommt unter die Räder!

Stressbedingte psychische Erkrankungen sind inzwischen die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehltage in deutschen Betrieben. In den zurückliegenden zehn Jahren haben sich diese Ausfalltage auf mehr als 60 Millionen pro Jahr verdoppelt. Zu über 16 Milliarden Euro für direkte Krankheitskosten kommt vor allem das Leid für die Betroffenen und ihre Familien hinzu. Die Langzeitarbeitsunkultur und die Unkultur der permanenten Erreichbarkeit und Verfügbarkeit sind ebenso ursächlich wie systematische Über- und Unterforderungen. Viele Menschen können nach der Arbeit nicht mehr abschalten, die Erwerbsarbeit nimmt einen überwältigenden Raum im Leben ein. Die Liebe, die Familie, die Kultur, die Bildung, das ehrenamtliche Engagement für die Gesellschaft, alles kommt unter die Räder – letztlich die Demokratie.

Daher gilt: Schluss mit Wochenarbeitszeiten von über 40 Stunden für den einen Teil und von weniger als 15 Stunden für den anderen. Arbeitszeitverkürzung auf um die 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich kostet die Arbeitgeber in Deutschland rund 160 Milliarden Euro jährlich. Die Gewinnquote der Unternehmer würde, wie in den 1980er Jahren, wieder auf auskömmliche 25 Prozent sinken, die Lohnquote auf erforderliche 75 Prozent steigen – ein wichtiger Beitrag zur Umverteilung des Reichtums in unserem Land und ein dringend notwendiger Beitrag zur Austrocknung der spekulativen Finanzgeschäfte. Ein wesentlicher Aspekt solcher Umverteilung von Arbeit ist die Geschlechtergerechtigkeit. Mit 30 Stunden durchschnittlicher Wochenerwerbsarbeitszeit in Vollzeitanstellung haben endlich auch Männer ausreichend Zeit, sich an Kindern zu erfreuen, und Frauen haben endlich die gleichen Chancen in ihrer beruflichen Entwicklung.

Durch solche faire Verteilung der Erwerbsarbeit werden das Leid und die Kosten durch psychische Erkrankungen verringert und das gesamte Gesundheitssystem finanziell entlastet. Bei der Arbeitsagentur können mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden. Es verringern sich die körperlichen Belastungen während der Arbeit und die psychischen Belastungen durch die Arbeit oder durch das Fehlen von Arbeit; die Erholzeiten zwischen den Arbeitstagen verlängern sich und ermöglichen eine gesunde und erfüllende Lebensweise.

Die Digitalisierung von Arbeit und Leben, die enormen Produktivitätssteigerungen ermöglichen und erfordern eine solch radikale Verkürzung und Umverteilung der Erwerbsarbeit. Die höheren Profite aus der Arbeit 4.0 dürfen nicht noch zusätzlich den Aktionären und Finanzjongleuren zugeführt werden. Gewerkschaften, Sozialverbände und Initiativen haben sich eine faire Teilung aller Arbeit zum Ziel gesetzt: kurze Vollzeit und gute Arbeit für alle. Im angelaufenen Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017 ist es das Gewinnerthema, wenn es denn von den Parteien, die sich dazu berufen fühlen, ehrlich und überzeugend auf die politische Agenda gesetzt wird.

http://www.ossietzky.net/9-2017

Volkswagen auf Kollisionskurs – Eingriffe sind nötig!

Piëch und Ermittlungsbehörden belasten Winterkorn, IG Metall-Chef fordert Schadenersatz von Piëch, Audi-Manager in Haft.

Ferdinand Piëch hat es bereits Ende 2016 bei der Braunschweiger Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben: Er selbst habe Ende Februar 2015 von einem Informanten den Hinweis erhalten, dass VW ein großes Problem in den USA habe, weil das Unternehmen mit einer Software die Abgaswerte manipuliere; Hinweise darauf hätten US-Behörden bereits an VW weitergeleitet. Er habe Winterkorn darauf angesprochen. Doch der damalige VW-Chef Volkswagen auf Kollisionskurs – Eingriffe sind nötig! weiterlesen

CDU und FDP: Angriff auf den 8-Stunden-Arbeitstag

Attac AG ArbeitFairTeilen wird aktiv:

Im Koalitionsvertrag von CDU/FDP in NRW wird die Auflösung des 8-Stunden-Tages angekündigt. Wörtlich heißt es dort:

„Wir wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen und deshalb über eine Bundesratsinitiative das Arbeitszeitgesetz flexibilisieren. Die innerhalb der Vorgaben der europäischen Richtlinie zur Arbeitszeitgestaltung vorhandenen Spielräume wollen wir nutzenund die Tarifpartner innerhalb dieses Rahmens eigene Regelungen treffen lassen.“

Der WDR berichtet darüber wie folgt: CDU und FDP: Angriff auf den 8-Stunden-Arbeitstag weiterlesen

NoG20: Grenzenlose Solidarität – Alternativen zum Neoliberalismus

Bewegende Tage des Protestes gegen neoliberale Globalisierung und für Alternativen dazu sind vorbei.

Es waren tolle Aktionen für eine andere, bessere Welt, für Frieden, soziale Gerechtigkeit, für Demokratie und Versammlungsfreiheit: die vielfältige und große Demonstration „grenzenlose Solidarität“ mit vielen zehntausenden Teilnehmenden am 8. Juni; die Empörung angesichts der Gewaltexzesse am Schulterblatt und in einigen anderen Straßen oder die völlig überzogenen bis komplett rechtswidrigen Polizeieinsätze und Campverbote. NoG20: Grenzenlose Solidarität – Alternativen zum Neoliberalismus weiterlesen

DGB Verteilungsbericht 2017 – Wachsende Kluft!

Bekämpfung der Ungleichheit: Starke Gewerkschaften, Tarifbindung, Solidarität und Mitbestimmung!

 Während die CDU ihr Wahlprogramm unter dem schön klingenden Titel “Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben” vorstellt, stellt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seinen Verteilungsbericht 2017 vor: „Jetzt handeln – Ungleichheit bekämpfen.“

Nur Wohlhabende profitieren von dieser Politik, meint der DGB mit Blick auf die Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung in einer Gesellschaft, in der die Ungleichheit radikal gestiegen ist und das Armutsrisiko immer weiter steigt.

Wesentliche Befunde dokumentieren die Spaltung arm – reich und Ost – West: DGB Verteilungsbericht 2017 – Wachsende Kluft! weiterlesen

VW-Konzern: Absatz stagniert – 4.500 Leiharbeiter nicht mehr beschäftigt

Im Ergebnis des Abgasbetruges kommt es im VW-Konzern zur Stagnation beim Absatz – eine Katastrophe für einen Konzern, der ständig wachsen muss, um die Profite zu sichern. Bei einzelnen Marken und in einigen Märkten kommt es gar zu Absatzrückgängen – bei der Marke VW von Januar bis Mai 2017 minus 0,4 Prozent ( minus 10.000 Fahrzeuge), in China minus 3,3 Prozente (minus 50.000 Fahrzeuge). Dem wird seitens des Unternehmens mit einem rigiden Sparprogramm, mit erheblichem Personalabbau und Leistungsverdichtung auf der Produktionsseite und mit teuren Rabattaktionen auf der Vertriebsseite begegnet. VW-Konzern: Absatz stagniert – 4.500 Leiharbeiter nicht mehr beschäftigt weiterlesen

Zum Umgang mit Geschichte – Ein Gespräch am Beispiel Wolfsburg

Zum Umgang mit der eigenen Geschichte am Beispiel der Überreste eines faschistischen Koneztrationslager in Wolfsburg – ein sehr gutes Gespräch von Pia Zimmermann mit Mechthild Hartung von der VVN-BdA, dem Historiker Manfred Grieger und dem ehemaligen VW-Betriebsratsvorsitzenden und niedersächischem Sozialminister Walter Hiller. https://www.youtube.com/watch?v=7zona2T2sMg