„Fremantle Highway“: Katastrophe für Seeleute und Nordseeregion

Eine kurzer Kommentar zum Feuer auf dem Autotransporter „Fremantle Highway“ in der Nordsee: Autofans verschiedener Richtungen – pro oder kontra Elektroauto – streiten leidenschaftlich darüber, ob das Feuer durch ein Elektro-Auto ausgelöst wurde oder durch einen Verbrenner.

Vielleicht wird es in Erfahrung gebracht und wir werden dann Bescheid wissen, wenn das Feuer in ein paar Tagen oder Wochen gelöscht sein wird oder wenn das Schiff gekentert und gesunken sein wird. Jedenfalls gestalten sich die Löscharbeiten als sehr schwierig, das Feuer ist außer Kontrolle. „Wir können nichts weiter tun als zuschauen, wie sich das mit dem Feuer weiter entwickelt“, sagte der Sprecher der niederländischen Wasserbehörde laut NDR vom 28.7.2023.

Der Brand ist in erster Linie eine Katastrophe für die 23 indischen Seeleute – einer ist zu Tode gekommen, andere wurden beim Sprung vom Schiff ins Meer schwer verletzt, einige wurden mit Hubschraubern von Bord geholt. Der Brand ist eine Katastrophe für das Ökosystem Nordsee mit Gefahren für das Wattenmeer, für die Inseln, die Badeorte, die Urlaubsregion, die dort lebenden und arbeitenden Menschen.

Fast 4.000 Autos, nicht die zunächst genannten 3.000 Fahrzeuge, werden nach Port Said in Ägypten verschifft, um durch den Suezkanal, vorbei an Sudan, Eritrea und Jemen weiter nach Singapur transportiert zu werden. Die „Fremantle Highway“ ist 10 Jahre alt, im Eigentum eines japanischen Unternehmens, fährt unter panamaischer Flagge und hat 1.600 Tonnen, mehr als 3 Millionen Liter, Schweröl an Bord. Wenn die auslaufen sollten, wäre die Katastrophe für das Wattenmeer und die Nordseeinseln nicht mehr abwendbar.

Der Kapitalismus ist ursächlich.

Der Brand ist ein Unglück in einer langen Kette von Verbrechen und Unglücken, die dem globalen Automobilismus, dem Autokapital als einer mächtigen Kapitalfraktion, geschuldet sind: Erinnert sei an den gigantischen Abgasbetrug, der vor ein paar Jahren aufgeflogen ist. Erinnert sei an zahlreiche Kartellverstöße und Korruption in der Branche. 100 Millionen Autos sollen pro Jahr produziert und verteilt werden – koste es was es wolle. 1,3 Milliarden Autos rollen gegenwärtig über den Erdball. Damit sind unlösbare Probleme verbunden: Der unendliche Bau von Straßen und Parkplätzen, die Ausbeutung von knappen Rohstoffen in den ärmsten Ländern der Welt, die Förderung und Verbrennung von Unmengen von Erdöl, die Emission von Millionen Tonnen von Treibhausgasen als eine wesentliche Ursache für die begonnene Klimakatastrophe, die Verschuldung von vielen einzelnen Personen und von ganzen Staaten. Für die Industrieländer bedeutet es Produktion, Beschäftigung, Einkommen, Steueraufkommen, Subventionen und Exportüberschüsse. Für die großen Aktionäre bedeutet es riesige Profite – das Autokapital ist ökonomisch mächtig und nutzt diese Macht auf undemokratische Weise strategisch, infrastrukturell und politisch zu seinen Nutzen.

Es braucht so viele Autos, weil andere Systeme der Mobilität vom Autokapital zerstört wurden und immer noch aktiv bekämpft werden. Um den Absatz von Autos, Benzin oder Reifen zu steigern, kauften General Motors, Ford & Co. Eisenbahnen und Straßenbahnen in den USA auf – und ruinierten sie. So wurden Amerikas Städte autofreundlich. Die Autobahnen in Deutschland wurden von den Nazis unter mörderischen Bedingungen gebaut, um die Automobilität zu ermöglichen und die Autoindustrie zu fördern. Nach der Zerstörung der Städte in Deutschland im faschistischen Krieg gegen den Rest der Welt wurden diese Städte, ausgerichtet auf den motorisierten Individualverkehr, wieder aufgebaut. Autostädte halt, Städte für Autos statt für Menschen. Aber auch in der Fläche wurden seit 1994 in Deutschland rund 6.000 Kilometer Bahnstrecken stillgelegt und teils rückgebaut; dagegen stehen aktuell 144 Autobahnprojekte, die mit Milliardenaufwand neu gebaut werden.

Um solche Unglücke wie den Brand der „Fremantle Highway“ in der Nordsee zu vermeiden, um die Erde und das Klima nicht weiter zu belasten, um das Geld für sinnvolle Aufgaben auszugeben, müssen Industrie, Mobilität und Verkehr neu ausgerichtet werden; weg vom Profitstreben, weg von Mobilitätszwängen, weg vom motorisierten Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr, hin zur Mobilität als öffentliche Daseinsvorsorge. Weg vom Auto, hin zu Bus und Bahn, zum Fahrrad und zum zu Fuß gehen. Das ist mit heutiger Technologie, mit Algorithmen, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz viel einfacher geworden, längst gibt es CarSharing und Ride Pooling – leider zu wenig davon in ländlichen Regionen. Das wiederum liegt daran, dass auch diese Angebote nicht in den öffentlichen Verkehr integriert sind, sondern lediglich die Umsätze aus dem ÖPNV in die Kassen der Autokonzerne umlenken sollen. Es muss kräftig investiert werden in den Bus- und Schienenfahrzeugbau und in die Infrastruktur für den öffentlichen Verkehr – nicht nur in unserem Land, aber wir können und sollten damit beginnen. Elektroautos werden in dieser Verkehrswende sicher ihren Platz haben.

Dann erübrigt sich auch der Streit zwischen Befürworterinnen und Gegnerinnen von Elektroautos, wodurch der Brand auf der „Fremantle Highway“ denn nun ausgelöst wurde. Solange der Streit nur darum geführt wird, stört es die Brandverursacher und Brandbeschleuniger aus dem Autokapital nicht. Solange der Streit nur um E-Auto oder nicht E-Auto geführt wird, ändert sich an diesem zerstörerischem System nichts. Aber darauf kommt es eigentlich an.

Ein Gedanke zu „„Fremantle Highway“: Katastrophe für Seeleute und Nordseeregion“

  1. Sehr guter Kommentar. Mir scheint die Diskussion um die E Autos eine Spielwiese für Rechte und SchwurblerInnen.
    Die Dimension der Autoindustrie ist gigantisch erschreckend…

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