Verkehrswende statt Autokrieg!

Kapitalismus ist Konkurrenz – bis zur Vernichtung der Konkurrenten. Es braucht jedoch dringend Demokratie, Mitbestimmung und soziale Garantien statt Krieg um Märkte, Marktanteile und Subventionen.

In den Betrieben der Auto- und Zulieferindustrie geht die Angst um: Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, Angst vor Schließung oder Verlagerung der Produktion, Angst vor dem Krieg der Autokonzerne untereinander und gemeinsam gegen das Klima und die Beschäftigten. Diese Angst ist oft nicht unbegründet, schließlich haben Bosch, Conti und Mahle sowie viele kleinere Zulieferer bereits Betriebe geschlossen, Opel ist aus Bochum verschwunden, Ford verlässt Saarlouis.

Da scheinen die großen Hersteller wie Volkswagen, Daimler und BMW mit ihren Töchtern noch Inseln der Sicherheit zu sein. Aber auch diese Sicherheiten bröckeln. Seit fünf Jahren sinken Absätze und Produktion von Verbrennern vor allem im Volumensegment, Kleinwagen sind fast gar nicht mehr im Angebot und die neuen Kapazitäten für Elektroautos sind nicht ausgelastet und gleichen die Verluste von Verbrennern nicht annähernd aus1. Die Folge sind Kurzarbeit und Personalabbau auch bei den einst so stolzen OEM‘s (Original Equipment Manufactourer), in den Autofabriken in Wolfsburg, Ingolstadt, Emden und Zwickau. Die Beschäftigung in der Autoindustrie in Deutschland ist in den zurückliegenden fünf Jahren um sagenhafte 50.000 Arbeiterinnen und Arbeiter gesunken, mit Kurzarbeit und verlängerten Urlaubswochen liegt die Unterbeschäftigung noch wesentlich höher. Ganz gut lässt sich nur der teure Luxus von BMW und Mercedes an den reichen Mann und die reiche Frau bringen.

Die Sorgen um die Zukunft der Auto- und Zulieferindustrie treibt inzwischen auch die Bundes- und Landesregierungen um – allerdings mit der falschen Schlussfolgerung, in die bestehenden Geschäftsmodelle weitere Subventionen zu pumpen. Die Apologeten der Autoindustrie in den Medien und in der Wissenschaft entwickeln gerade eine Alarmstimmung, um weitere Subventionen zu erzwingen, um die Belegschaften zu verunsichern und die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu sabotieren. Die Wirtshaftswoche (10.12.2020) schrieb völlig irrational im Zusammenhang mit der EU-Klimapolitik von Brüssels Krieg gegen die deutsche Autoindustrie. Die Unternehmen selbst nutzen die Gelegenheit, um die Produktivitätspeitsche zu schwingen, um Sparprogramme durchzusetzen und Arbeitsplätze abzubauen. Das steht alles im krassen Gegensatz zu den an die Aktionäre überwiesenen Profiten der Autohersteller in Höhe von rund 50 Milliarden Euro, in krassem Gegensatz zu den Gewinnrücklagen in dreistelliger Milliardenhöhe.

„Die Kriegskasse von Tesla ist gut gefüllt“, verkündet der zum „Autopapst“ stilisierte Ferdinand Dudenhöffer, der selbst aus der Autoindustrie kommt. Er sagt dieses in einem reißerischen Artikel2 bei NTV vom 25.7.2023: „So kämpfen deutsche Autobauer gegen den Totalabsturz. Es geht um nicht weniger als ums Überleben.“

Daran ist einiges richtig und vieles falsch. Kapitalismus ist Konkurrenz bis zur Vernichtung. … In der Tendenz des Artikels geht es vor allem um mehr staatliche Förderung, um immer mehr bedingungslose direkte und indirekte Subventionen3 für die Autoindustrie, vulg. „Abwrackprämie“, Umweltprämie, Innovationsprämie, Dienstwagenprivileg4, Dieselbesteuerung, Aufbau der Ladeinfrastruktur, Investitionszuschüsse, Lohnersatzleistungen, … und vieles mehr summiert sich auf ca. 30 Milliarden Euro pro Jahr! Aber es ist nie genug. Die Nachfrageschwäche nach Autos, insbesondere nach E-Autos, das Marktversagen soll mit weiteren Subventionen ausgeglichen werden: Im Zuge des sich abschwächenden Marktes für Elektroautos verstärkt sich nach Ansicht des Bundesverband eMobilität (BEM) der Druck auf die Bundesregierung, ihre „toxische Entscheidungsschwäche“ in Sachen Mobilitätswende aufzulösen. Das kann mit einer Verkehrswende zu tun haben, wenn mit „Fahrzeugindustrie“ nicht nur die Autoindustrie gemeint ist – BEM-Vorstand Markus Emmert sagt: „Wenn sich die Regierung nicht komplett mit der Gesellschaft anlegen will, muss sie schleunigst einen Verkehr realisieren, der die Beweglichkeit in unserem Land klimaneutral ermöglicht und dabei eine tragende Säule unseres Wohlstandes, die Fahrzeugindustrie, weiterentwickelt.“5 Fraglich wird das jedoch am „Beirat“ dieses Verbandes, in dem u.a. Ulrike Müller von den Freien Wählern aus Bayern sitzt; gleichzeitig sagt diese Truppe um Aiwanger mit Werbebildchen in AfD-Manier „Ja zum Verbrenner“. Zuzustimmen ist dem Bundesverband eMobilität: Die Bundesregierung muss einen Verkehr entwickeln und fördern, der die Mobilität klimaneutral ermöglicht – vor allem auch in ländlichen Regionen. Gut und wichtig auch die Position des BEM pro Tempolimit und für einen guten und kostenlosen ÖPNV.

Der totalitäre Anspruch der Autoindustrie und deren aggressive Politik sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Offen bleibt nur, wann die Blase platzt. Gegenüber Analysten hatte Elon Musk erzählt, steigende Schulden von Kreditkarten-Kunden beunruhigten ihn. „Wir haben einfach keine Kontrolle über die Marktbedingungen.“. Es ist zu erwarten, dass Tesla seine Preispolitik bis weit ins nächste Jahr beibehalten wird – wenn nicht äußere Faktoren dazwischenkommen. So hatte sich Tesla vor wenigen Tagen mit führenden chinesischen E-Auto-Produzenten auf ein Abkommen verständigt, das den ruinösen Preiswettbewerb in China beenden sollte – wohl ein Abkommen, das, wie üblich bei Musk, nach wenigen Tagen wieder begraben wurde.

Weniger als 1.000 Autos werden täglich in Grünheide produziert – weit entfernt vom großspurigem Ziel von 500.000 Autos pro Jahr. Nun beantragt Elon Musk einen Ausbau der Fabrik und die IG Metall nimmt dazu folgendermaßen Stellung: Dieser Plan steht „in krassem Widerspruch zu dem, was die Beschäftigten vor Ort gerade erleben: Trotz hoher Krankenstände wird in erheblichem Umfang Personal abgebaut. Da die Produktionsziele nicht nach unten korrigiert werden, steigt der Druck auf die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen. Allein im letzten Monat sind unseren Informationen zufolge fast 200 Stammbeschäftigte gekündigt worden oder haben Aufhebungsverträge unterschrieben. Dazu sind im mittleren dreistelligen Bereich Leiharbeitskräfte abgemeldet worden. Viele von ihnen machen seit Monaten jede Sonderschicht mit, da sie auf eine Festanstellung hoffen. Die verkleinerten Schichten sollen nun weiterhin 5.000 Fahrzeuge in der Woche herstellen.“ https://www.igmetall-bbs.de/aktuelles/meldung/ig-metall-zu-ausbauplaenen-bei-tesla

Im Autokrieg sind die Beschäftigten die ersten Opfer

Der inzwischen verstorbene ehemalige VW-Boss Ferdinand Piëch hatte schon mal den Autokrieg ausgerufen, als er Ignacio López und seine „Krieger“ von General Motors mitsamt Geschäftsunterlagen regelwidrig und in krimineller Weise für Volkswagen abwarb. Dieser Autokrieg fand seine allseitige Fortsetzung in Korruption, Preisabsprachen, Kartellverstößen und schließlich im größten Abgasbetrug in der Gesichtete der Autoindustrie. Der Tagesspiegel schrieb anlässlich des Todes von Piëch im August 2019: Die Affäre war auch für Piëch eine schwere Schlappe, und sein Kopf wackelte bedenklich. Er überlebte – und damit die deutsche Autoindustrie. Denn „mit einem Abgang des Gespanns Piëch/López würde in Deutschland die englische Krankheit ausbrechen, nicht nur bei VW. Die Gegner hätten erreicht, was sie wollen. Sie hätten einen Krieg gewonnen“, sagte Piëch damals. Er blieb auf Kurs, um das Werk des hochgeschätzten Nazi-Großvaters zu vollenden. Und zu übertreffen. Ferdinand Porsche hatte Volkswagen einst mit von den Nazis geraubtem Gewerkschaftsvermögen gegründet. Und schon über den Großvater sagten Beteiligte, „wenn der lächelte, dann wurde es gefährlich“.6

Der Filmemacher Martin Keßler hat dieses Bild vom „Autokrieg“ aufgegriffen und Ende der 1990er Jahren den Film gedreht: „Überleben im Autokrieg“ – und dokumentierte, was Globalisierung, Konkurrenz und Autokrieg für Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit bedeutet: Arbeitsplatzabbau, gedrückte Löhne, unbezahlte Überstunden. „Wir müssen wettbewerbsorientiert führen“, so der Personalchef und Erfinder der nach ihm benannten Gesetze, Peter Hartz, vor der Androhung, Volkswagen zu einer „streikfreien Zone“ zu machen. Hilfloser Kommentar am Wolfsburger Fließband: „Scheißspiel.“ Ein Lehrstück über Märkte, Mächte und Manager, darin eine historische Momentaufnahme: Ferdinand Piëch gewährt mit seiner Unterschrift unter den Vertrag für die Gründung eines konzerninternen Weltbetriebsrates ein „Anhörungsrecht“, nicht mehr. Wolfgang Porsche, der 80-jährige Enkel von Ferdinand Porsche, verschärfte inzwischen den Ton, will die Gewichte in Wolfsburg in Richtung Kapital verändern: „Wir geben eine Arbeitsplatzgarantie bis 2028 und wissen nicht, was in zwei Jahren aus China kommt“, so Porsche. „Das ist problematisch.“ Stattdessen müsse man auch über unpopuläre Maßnahmen reden können, die das Personal betreffen. „In Wolfsburg haben wir zu viele Mitarbeiter, trotzdem übernehmen wir jedes Jahr 1500 Auszubildende und wissen gar nicht, wo wir die alle beschäftigen können“, sagte er. „Wir sind kein Paradies, sondern ein Unternehmen, das sich im Wettbewerb behaupten muss.“7

Die „toxische Entscheidungsschwäche“, die der Lobbyverband BEM der Bundesregierung unterstellt, findet sich tatsächlich nicht bei der Autoindustrie, sondern beim öffentlichen Verkehr, bei der Bahn und den ÖPNV-Betrieben. Als Beispiele seien nur das Theater um das 49-Euro-Ticket genannt und die Weigerung von Scholz, Lindner und Wissing, den Schienenverkehr bedarfsgerecht auszubauen, den öffentlichen Verkehr als Teil der Daseinsvorsorge auskömmlich zu finanzieren. Für die Autoindustrie hat die Regierung nicht nur ein offenes Ohr, sondern eigene Gesprächsformate konstruiert: zunächst die sogenannte Nationale Plattform Elektromobilität, mit regelmäßigen Treffen im Kanzleramt und jetzt die „Mobilitätsgipfel“, ebenfalls im Kanzleramt mit den Chefs der Auto- und Zulieferkonzerne. Weder die Schienenfahrzeug- oder Bus- und Fahrradindustrie sind dabei, noch Verbraucher- und Umweltverbände, schon gar keine Verkehrs- oder Klimabewegungen.

Im nun wieder verkündigten Autokrieg werden die Beschäftigten aller Unternehmen, die „Proletarier aller Länder“, die ersten Verliererinnen und Verlierer sein. Die natürlichen Ressourcen und die zerstörte Umwelt werden Verlierer sein.

Verkehrswende statt Autokrieg

Während die Aktionäre und Manager der Autokonzerne ihre „Kriegskassen“ füllen und sich um Märkte und Marktanteile mit Dumpingpreisen und um Subventionen balgen, schreitet die Klimakatastrophe für alle sichtbar fort. Nötig wäre es, radikale Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz einzuleiten zur Sicherung der Lebensgrundlagen künftiger Generationen. Nötig ist, ähnlich wie beim Atom- und Kohleausstieg, ein gesellschaftlicher Konsens zur Verkehrswende – mit demokratischer Beteiligung der Menschen in den Autoregionen, mit Beteiligung von Verkehrs- und Klimabewegungen, mit Beteiligung von Kinder-, Jugend- und Frauenverbänden. Nötig sind soziale Garantien für die Beschäftigten, mehr Mitbestimmung von denen und deren Vertretungen, von Gewerkschaften, in der Planung des Umbaues der Autoindustrie hin zu einer Industrie für öffentlichen Verkehr, für Windkraftanlagen und Solarkraftwerke.

Der DGB, die IG Metall und Verdi haben, gemeinsam mit Umwelt- und Sozialverbänden, ein breites Bündnis für eine soziale und ökologische Verkehrswende entwickelt.8: „Wie wir das Klima schützen und eine sozial gerechte Mobilitätswende umsetzen können.“ Leider hapert es an der Umsetzung in den Autoregionen von Südost-Niedersachsen, Sachsen, Baden-Württemberg, Bayern, Saarland bis nach Nordrhein-Westfalen. Die von der Bundesregierung installierten Transformationsnetzwerke orientieren nicht auf die Mobilitätswende, sondern nur auf die Abfederung von Beschäftigungsverlusten durch die Antriebswende hin zum E-Auto. Nötig wäre aber der Aufbau von Arbeitsplätzen in der Bus- und Schienenfahrzeugindustrie mit dem doppelten Effekt von alternativer Beschäftigung und Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Mit Scholz, Lindner und Wissing scheint das nicht zu machen zu sein. Mit dieser Autoindustrie scheint das auch nicht zu machen zu sein. Daraus folgt, dass wir eine andere Politik und eine andere Weise der Produktion benötigen. Sozialismus oder Barbarei (Rosa Luxemburg). Wunschdenken? Sieht im Moment so aus. Aber die Natur lässt nicht mit sich verhandeln und ein „Weiter so“ führt in soziales Elend und in politisch autoritäre Verhältnisse.

1https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bmw-elektroautos-absatz-china-101.html

2https://www.n-tv.de/wirtschaft/So-kaempfen-deutsche-Autobauer-gegen-den-Totalabsturz-article24283521.html?utm_term=ntv&utm_campaign=post&utm_medium=echobox&utm_source=Facebook&fbclid=IwAR0y9BaTRRjSmnEkGN-O6oa5yoO49pk_bKh3QIV8MKvXl8U9sWkb_Q7QHH8#Echobox=1690303233

3https://dserver.bundestag.de/btd/18/123/1812370.pdf

4Der Dienstwagen selbst ist ein abschreibungsfähiges Anlagegut (6 Jahre). Für die private Nutzung des Dienstwagens muss vom Kaufpreis pro Monat ein Prozent als geldwerter Vorteil versteuert werden. Hochpreisige Elektroautos und Hybridfahrzeuge fließen aktuell nur mit 0,5 Prozent ihres Bruttolistenpreises in die Berechnung ein, E-Autos mit einem Listenpreis unterhalb von 60.000 Euro nur mit 0,25 Prozent.

5https://ecomento.de/2023/07/21/schwaechender-e-auto-absatz-bem-fordert-mehr-massnahmen-der-politik/

6https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/mit-lapidaren-satzchen-konnte-er-managerkarrieren-beenden-5338168.html

7https://www.welt.de/wirtschaft/article189795597/Wolfgang-Porsche-Die-Strukturen-in-Wolfsburg-sind-verkrustet.html

8https://www.sovd.de/fileadmin/bundesverband/pdf/attachments/sozialvertraegliche-mobilitaetswende-web.pdf

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