Was bringt die Vier-Tage-Woche? Kurze Vollzeit für Alle!

Weniger Arbeit für den gleichen Lohn – das fordert die IG Metall. Die Debatte wird schon länger geführt, die Forderungen werden gerade lauter.

Viele Beispiele aus Deutschland, Österreich, Schweden und breit angelegte Studien aus Großbritannien belegen, dass nicht nur die Motivation der Beschäftigten gesteigert werden kann, sondern auch deren Produktivität. Ein breites Bündnis für Just Transition in Frankreich fordert radikale Arbeitszeitverkürzung und eine Million neue Arbeitsplätze. Die deutsche Wirtschaft könnte sich das längst leisten, sagt der Arbeitsforscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Aktive der Attac AG ArbeitFairTeilen, Philipp Frey.

Der NDR hat eine Umfrage dazu durchgeführt: Große Mehrheit für die VierTageWoche bei vollem Lohnausgleich. Das wäre gesellschaftlich vernünftig, ökologisch erforderlich, ökonomisch machbar.

Gute Arbeit und das gute Leben für Alle!

Die Vier-Tage-Woche soll für die Stahlindustrie durch die in der Gewerkschaft organisierten Beschäftigten bei den im November beginnenden Tarifverhandlungen erkämpft werden. Der Bezirksleiter der IG-Metall NRW, Knut Giesler, sagt: „Wir wollen eine echte Entlastung für die Beschäftigten erreichen, ohne dass sie deshalb weniger verdienen.“ (WAZ, siehe auch https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/eisen-und-stahl/diskussion-ueber-4-tage-woche-als-tarifforderung)

Dieser Kampf wird unterstützt durch die Attac AG ArbeitFairTeilen, die LINKE und Teile der SPD. Eine flächendeckende Vier-Tage-Woche hält der Minister Hubertus Heil (SPD) für nicht „zielführend“. Die Arbeitgeber, die CDU und FDP lehnen den Vorstoß rundweg ab, fordern stattdessen längere Arbeitszeiten und mehr Flexibilität der Beschäftigten.

Zum 1. Mai erneuerte der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, die Forderung für Beschäftigte bestimmter Branchen – man brauche sie vor allem auf Baustellen, wo keine Heimarbeit möglich sei, sowie für Schichtarbeiter.

Philipp Frey hält die Entwicklung nur für folgerichtig. „Immer mehr Unternehmen kommen auf die Idee: Wenn wir bessere Arbeitsbedingungen bieten, werden wir vielleicht auch attraktiver als Arbeitgeber – und können damit den Fachkräftemangel beheben.“ In Großbritannien und Belgien laufen bereits erfolgreich Feldversuche. Philipp Frey verweist darauf, dass der technische Fortschritt (Produktivitätsentwicklung) historisch zu sinkenden Arbeitszeiten geführt hatte, bis es ab 1990 zu einer „Stagnation“ gekommen ist. Dabei nehme die Produktivität, also die Leistung pro Arbeitseinheit angesichts neuer technischer Mittel kontinuierlich zu. Eine Entwicklung, die sich durch Digitalisierung und KI noch verstärken dürfte. „Wir sollten dem technologischen Wandel damit begegnen, dass wir die Arbeitszeit verkürzen. Es geht darum, dass die Menschen an der steigenden Produktivität auch teilhaben.“

Die 4-Tage-Woche gibt es in vielen Betrieben und Tarifverträgen der IG Metall.

Die IG Metall ist lange an diesem Thema und in vielen Betrieben wurden dafür Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen abgeschlossen – jüngst bei der VW-Tochter PowerCo, bei der in Salzgitter bald durch 5.000 Beschäftigte Batterien für E-Autos gebaut werden sollen. Tatsächlich gibt es die 4-Tage-Woche in vielen Betrieben und Tarifverträgen der IG Metall. Die Gewerkschaft beschreibt das als „Wettbewerb um die klügsten Köpfe“: „Gerade in der hart umkämpften Batterie-Branche galt der Anspruch, im neu entstandenen Unternehmen innovative und verlässliche Arbeitsbedingungen sowie eine faire Gehaltsstruktur zu etablieren. Die Beschäftigten können bei der Einstellung eine individuelle Wahlarbeitszeit bestimmen und haben die Option, diese bis zu zwei Mal im Jahtr zu ändern.“ Die Stufen von 28 bis 40 Stunden gelten alle als Vollzeit, bei einer Arbeitszeit unter 35 Stunden besteht die Möglichkeit der Vier-Tage-Woche bei PowerCo. Eine kollektive Arbeitszeitverkürzung konnte die IG Metall in diesem Bereich noch nicht durhcsetzen.

Stahlarbeiter hätten, so der NRW-Bezirksleiter, durch die Vier-Tage-Woche mehr Lebensqualität und bessere Gesundheit. Konkret will er für die Einführung der Vier-Tage-Woche die Senkung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 32 Stunden – es geht also um eine absolute Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit und um eine Neuverteilung der Arbeitszeit innerhalb Woche. Der Gewerkschafter unterstreicht, dass mit der Vier-Tage-Woche die Arbeitsplatzverluste, die im Zuge der Transformation zu erwarten sind, kompensiert werden können.

Die Frage des Lohnausgleichs bei Verkürzung der Arbeitszeit wird also von der Gewerkschaft wie in der Vergangenheit positiv beantwortet.

Voller Personalausgleich?

Bleibt die Befürchtung, dass die Verkürzung der Arbeitszeit zu Leistungsverdichtung und höherem Arbeitsdruck führt – eine Erfahrung, die vor allem in indirekten Bereichen abseits der Produktion, in der Verwaltung, in Entwicklungsabteilungen und Wartungsbereichen zu Skepsis gegenüber der Arbeitszeitverkürzung führt. Diese Befürchtungen sind nicht grundlos und ernst zu nehmen, zumal in kürzerer Arbeitszeit tatsächlich produktiver gearbeitet wird. Mit der Länge des Arbeitstages sinkt die Produktivität. Aufgefangen werden kann diese Skepsis durch wirksame Mitbestimmung in der Personal- und Leistungsbemessung, durch Neueinstellungen vor allem in den Bereichen ohne Leistungslohn und Zeitvorgaben. Kürzere Arbeitszeiten können immer flexibler verteilt werden als längere Arbeitszeiten – sowohl im unternehmerischen Interesse als auch orientiert an den Bedürfnissen der Beschäftigten.

Für eine generelle und kollektive Arbeitszeitverkürzung gibt es Bereiche, in denen ein Personalausgleich nicht erfolgen sollte, nämlich in den Industrien, die teils drastisch reduziert werden müssen: Kohle, Auto inklusive Straßenbau, Rüstung, Werbung. Und dann gibt es Bereiche, in denen Beschäftigung drastisch aufgebaut werden muss: Gesundheitswesen, Bildungswesen, öffentliche Verwaltungen, Schienenfahrzeug- und Infrastrukturbau.

Außerdem machen wir täglich die Erfahrung, dass seitens des Kapitals die Erwerbsarbeit immer intensiviert wird, die Arbeitsproduktivität gesteigert, der Arbeitsdruck erhöht wird – unabhängig von der Länge des Arbeitstages. Der Sinn von Arbeitszeitverkürzung besteht also auch darin, die Zeit zu verkürzen, in der der Unternehmer überhaupt die Gelegenheit hat, die primäre Ausbeutung zu organisieren und zu steigern. Wichtig in diesem Zusammenhang der Artikel 1 des Arbeitszeitgesetzes: „Zweck des Gesetzes ist es, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten.“ Es geht bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit nicht um Profite für die Aktionäre, sondern um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Analoges dazu steht auch in Artikel 6 der übergeordneten Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet.“

In der Stahlindustrie, in der gegenwärtig 35 Stunden gearbeitet wird (Freischichten), geht es jetzt um den nächsten tarifvertraglichen Schritt. Die Vier-Tage-Woche wären dann (8-Stunden-Schichten unterstellt) die 32-Stunden-Woche oder der 6,4 Stunde-Tag. Vielleicht gelingt das nicht im ersten Anlauf – der Weg ist aber richtig, geht es doch um eine weitere Verkürzung der Erwerbsarbeit. Entscheidend ist, dass die fremdbestimmte Arbeitszeit reduziert und die selbstbestimmte freie Zeit ausgedehnt wird. Deshalb unterstütze ich diesen fälligen Vorstoß der IG Metall.

Die Attac AG ArbeitFairTeilen zur Beratung mit der Linksfraktion im Europapalament – mit Martin Schirdewan und Thomas Händel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert