Quandt-Erbin Klatten: „Gemeinsam gegen USA und China bestehen!“

Die Neuordnung der Welt und das Klassenbewusstsein der Oligarchen, anschlussfähig an alle autokratischen Despoten wie die Regierungschefs von Polen, Ungarn und der Türkei, aber auch Trump und nicht zuletzt Putin.

Kleines Lehrstück in politischer Ökonomie – oder: Warum das mit der sozial-ökologischen Transformation so schwierig ist.

Susanne Klatten, geborene Quandt, die reichste Frau Deutschlands und BMW-Großaktionärin, propagiert im Handelsblatt eine „lebendige Wirtschaftsstruktur“. Dafür hat sie bereits vor 20 Jahren ein eigenes Start-up für Start-ups geschaffen: Startuphub UnternehmerTUM, an der TU München angesiedelt. 2021 sammelten sie eine Summe von mehr als 3,5 Milliarden Euro für neue Geschäftsmodelle und Ideen ein.

Sie hat nun angekündigt, ihr gemeinnütziges und steuersparendes Gründungszentrum auf ganz Europa auszudehnen: Unternehmergeist und neue Technologien seien die entscheidenden Faktoren im Wettbewerb. Zu den „Start ups“, auf die sie stolz verweist, gehört u.a. die FLIX SE, mit der der öffentliche Verkehr in Deutschland und vielen anderen Ländern kannibalisiert wird. Geldgeber dieses sogenannten „Start ups“ sind internationale Finanzinvestoren, deutsche Milliardäre und Daimler Mobility. Erfolgreich wurde das ab Februar 2013 im Rahmen der Liberalisierung des Fernbusverkehrs und einer Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes. Bis Ende 2012 durften Fernbuslinien Fahrgäste innerhalb Deutschlands bis auf wenige Ausnahmen nicht befördern – als rationale Maßnahme der Verkehrssteuerung und zwecks Reduzierung des Straßenverkehrs.

Flixbus hat Reisen billig gemacht. Doch den Preis dafür zahlen oft die Fahrer, wie einige beklagen. Die Befragten fahren nach eigener Aussage lange Strecken, werden schlecht bezahlt und machen unbezahlte Überstunden. Dies gilt insbesondere für viele osteuropäische Fahrerinnen und Fahrer, die bei Subunternehmen angestellt sind. Denn die Fahrer arbeiten nicht direkt für Flixmobility, sondern für eines der weltweit 300 Busunternehmen, die mit Flixbus kooperieren. Flixmobility wiederum fungiert als Plattform – es legt die Ticketpreise fest und beauftragt die Subunternehmer. Laut Spiegel-Recherche bekommen deutsche Fahrer:innen regionale Tariflöhne oder etwas mehr. Osteuropäische Fahrer:innen hingegen erhalten oft nicht mehr als den Mindestlohn. Noch schlechter werden sie bezahlt, wenn die Touren in ihren Heimatländern starten, denn der deutsche Mindestlohn gilt erst ab der deutschen Grenze. Davor und danach haben die Fahrer nur Anspruch auf den Mindestlohn des Nachbarlandes (Spiegel, Juli 2019).

Weitere von Quandt-Erbin Susanne Klatten stolz geförderte „Start ups“ sind unter anderem Lilium (Bau und Vertrieb von senkrecht startenden und landenden Luftfahrzeugen), Personi (Automatisierung von Personalprozessen) und SonoMotors (Entwicklung von Elektro-Autos).

Bei ihrer Begründung zur Ausweitung ihres Beraternetzwerkes geht es nicht um schnöden Mammon, sondern, da wird die klassenbewusste Milliarden-Erbin grundsätzlich: „Nur gemeinsam können wir gegenüber den USA oder China bestehen“ – Russland scheint in ihrer Vorstellung schon keine Rolle mehr zu spielen. Wir würden auf eine „neue Weltordnung“ zugehen, die Frage sei, welche Rolle Europa dabei spielen werde, sagt sie. Und, ganz in der Tradition ihrer Familie: „Ich glaube an einen europäischen Markt und an eine Autarkie im weitesten Sinne. Wenn wir technologisch unabhängig bleiben, wahren wir auch unsere Kultur und unsere europäische Identität“.

Konkurrenz, Autarkie, Unabhängigkeit, europäische Kultur und Identität – das ist doch mal prima anschlussfähig an alle autokratischen Despoten wie die Regierungschefs von Polen, Ungarn und der Türkei, aber auch Trump und nicht zuletzt auch Putin. Sie will UnternehmerTUM zu einem europäischen Gründerzentrum umbauen. „Derzeit nehmen wir Kontakt zu anderen europäischen Unternehmerfamilien und zu Forschungsinstituten auf“.

Von Interesse in diesem Zusammenhang der Ursprung ihres Reichtums und des ihres Brunders Stefan Quandt: Ihr Großvater Günther und Vater Herbert Quandt waren erst Unterstützer der Nazis und dann Profiteure von Arisierung, Aufrüstung, Krieg, Plünderungen und Zwangsarbeit. Etwa 50.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mussten für den Reichtum der Quandts schuften.

Hätten die heute bekannten Dokumente über die Verbrechen des Unternehmerclans bereits zu Zeiten der Nürnberger Prozesse zur Verfügung gestanden – die Quandts hätten sich zweifelsfrei als Hauptkriegsverbrecher verantworten müssen. So war es die ARD mit dem Film Das Schweigen der Quandts, die Licht in das Dunkel der Familiengeschichte und der Entstehung des sagenhaften Reichtums gebracht hat. Familie Quandt zählt bis heute zu Deutschlands reichsten und einflussreichsten Familien. Zum weltumspannenden Konzernimperium zählten in den vergangenen 100 Jahren Unternehmen wie Altana, Milupa, Varta und BMW. Doch die Quandts verbargen bislang ihre Familiengeschichte und die Herkunft von Teilen ihres Vermögens. Die Firmenarchive blieben Journalisten und Historikern viel zu lange verschlossen. Für „Das Schweigen der Quandts“ recherchierten die Filmemacher Eric Friedler und Barbara Siebert über fünf Jahre lang in Archiven im In- und Ausland. Mit Hilfe der zusammengetragenen Dokumente ist es ihnen gelungen, Stück für Stück die Herkunft von Teilen des Familienvermögens offen zu legen.

Das Fazit: Die Quandts nutzten seinerzeit offenbar wirtschaftliche Vorteile, die der Nationalsozialismus ihnen bot. KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter ermöglichten Profite und den Konzernausbau. Das belegen unter anderem Aussagen Überlebender des Konzentrationslagers Hannover-Stöcken. Die Vermögenszuwächse, die die Quandts zwischen 1933 und 1945 erzielten, begründeten zum Teil auch den Aufstieg in der deutschen Nachkriegswirtschaft.

Die Filmemacher haben mit dieser ersten Dokumentation über die Geschichte der Familie eine Mauer des Schweigens durchbrochen – mit Erfolg: Wenige Tage nach der überraschenden und unangekündigten Sendung des Films am 30. September 2007 in der ARD – erklärten die Erben, sie seien sehr bewegt und sie wollten die Familiengeschichte jetzt aufarbeiten lassen. Daraufhin haben die Quandts das Archiv für den Bonner Historiker Joachim Scholtyseck geöffnet. Auf dieser Grundlage und nach umfassenden Recherchen in über 40 deutschen und ausländischen Archiven legt dieser 2011 seine Ergebnisse vor: „Der Aufstieg der Quandts: Eine deutsche Unternehmerdynastie“ (C.H.Beck).

Nun, ein Jahrzehnt später, erklärt die Quandt-Erbin im Interesse ihrer Klasse der Reichen: „Nur gemeinsam können wir gegenüber den USA oder China bestehen“. Wir würden auf eine neue Weltordnung zugehen, die Frage sei, welche Rolle Europa dabei spielen werde, sagt sie. Und, ganz in der Tradition ihrer Familie: „Ich glaube an einen europäischen Markt und an eine Autarkie im weitesten Sinne. Wenn wir technologisch unabhängig bleiben, wahren wir auch unsere Kultur und unsere europäische Identität“.

Kleines Glossar:

Business Angel: reiche, private Geldgeber / Investoren,

Start up: Unternehmensgründung; Zweck jeden privatwirtschaftlichen Unternehmens ist Profit, Akkumulation des eingesetzten Kapitals. Beispiele: FlixBus, Car2go (Daimler), DriveNow (BMW)

Startuphub – Inkubator: Helfer bei der „Geburt“ von Start ups, reiche Mäzene, Banken, Risikokapital

Unternehmerfamilie: vulg. Oligarchen – oder umgekehrt-

Unternehmertum – Unternehmergeist, Entrepreneurship: Euphemismus zur Umschreibung von Leuten, die andere für sich arbeiten lassen.

Literaturtipp zu Quandt und woher das Milliarden-Vermögen stammt: Braunes Erbe – Die dunkle Geschichte der reichsten deutschen Unternehmerdynastien (David de Jong)

https://www.kiwi-verlag.de/buch/david-de-jong-braunes-erbe-9783462052282

Das Cover zeigt den NS-Propagandaminister Joseph Goebbels in einer Runde mit einer Frau und einem Jungen, der eine NS-Uniform trägt.

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