Betriebsversammlung in Wolfsburg: Einiges klarzustellen!

High Noon bei der VW-Betriebsversammlung am Mittwoch (20.3.2019) in Wolfsburg. Deutlich mehr Beschäftigte als üblich wollen Klarheit über ihre Zukunft. Die Halle 11 im Stammwerk musste geschlossen werden, viele Mitarbeiter verfolgten das Geschehen draußen über Bildschirme. Konzernchef Herbert Diess stellte seine neuesten Pläne vor. Und die bergen sozialen Zündstoff.

Ereignisse zur gleichen Zeit: Die Wolfsburger Tafel empfängt eine Spende von 1.200 Euro vom örtlichen Rotary-Club. Zehntausende Beschäftigten bei VW sitzen auf „Transformationsarbeitsplätzen“ und wissen nicht, wie es morgen weitergeht. Die Erben von Kriegsverbrecher Ferdinand Porsche freuen sich über den Jahresgewinn von 3.500 Millionen Euro (3,5 Milliarden Euro, Dachgesellschaft Porsche SE).

Bei einer Pressekonferenz jenseits des Mittellandkanal hat der VW-Vorstand die Bilanz für 2018 vorgestellt: 12 Milliarden Euro Gewinn, die Dividende steigt um 25 Prozent auf 4,80 Euro pro Aktie. Die Hälfte der Stammaktien hat sich der Porsche-Piëch-Clan angeeignet. Dagegen nehmen sich die 8 Millionen Euro Gehalt für den Vorstandschef Herbert Diess schon fast bescheiden aus. Es wurde angekündigt, zu den bereits geplanten 23.000 Entlassungen nunmehr bis zu 7.000 weitere Stellen in der Wolfsburger Verwaltung abzubauen – ohne diese Zahlen näher zu erklären. „Fakt ist: Hirngespinste von externen Unternehmensberatungen werden wir nicht akzeptieren“, so der Betriebsrat. Nach dieser Ankündigung steht am Mittwoch eine Betriebsversammlung an, bei der es hoch hergehen wird: „Wir haben ein paar Dinge klarzustellen“, hieß es auf der Einladung an die Beschäftigten im Wolfsburger Werk. Die Arbeiter und Angestellten sind verunsichert. Dem versucht der Gesamtbetriebsrat zu begegnen. Der Vorsitzende des Gremiums, Bernd Osterloh, forderte am Mittwoch für die Kernmarke VW Pkw zehn Jahre Beschäftigungssicherung bis Ende 2028. Dies sei die Bedingung für den „digitalen Umbau des Unternehmens“.

Wie andere Autohersteller hat Volkswagen trotz staatlicher Verkaufsförderung mit stark rückläufigem weltweitem Absatz zu kämpfen: Minus 2,9% bei Volkswagen und minus 5,5% bei Audi in den ersten beiden Monaten diesen Jahres. Bei den in der Bilanzposition »Verbindlichkeiten bei den Vorräten« aufgeführten 5,3 Milliarden Euro handelt es sich offensichtlich um den Wert unverkaufter Fahrzeuge. Nach den durch massive Rabatte und eine Aufblähung der Eigenzulassungen geschönten Absatzzahlen des Jahres 2018 kann sich diese negative Entwicklung schnell zu einer großen Krise auswachsen – es geht in der kapitalistischen Konkurrenz immer um die Liquidierung anderer Hersteller, um selbst Marktanteile zu gewinnen. Die Bildung von Konsortien für Batteriezellenproduktion oder zur gemeinsamen Vermarktung von Mobilitätsdienstleistungen sind Vorboten einer schnelleren Konzentration bzw. Monopolbildung in der deutschen Autoindustrie – aber jeder dieser Schritte führt letztlich nur zu einer Verschärfung der Krise, weil Marktsättigung, Nachfragerückgang und Krise der Mobilität nicht berücksichtigt werden.

Trotz aller Betrügereien fordert Volkswagen massive Subventionen von der Bundesregierung zur Vermarktung von Elektro-Autos und für die Ladeinfrastruktur. Und legt sich mit BMW und Daimler an, weil diese das Vabanque-Spiel „alles auf die Karte Elektro-Auto“ nicht mitmachen wollen. Auch will Diess, so berichtet das „Handelsblatt“, die Steuervorteile für den Diesel eindampfen. Aber damit gefährde Diess das Geschäftsmodell seiner süddeutschen Kollegen, die mit ihren tendenziell größeren Autos noch lange auf Benzin und Verbrennungsmotoren angewiesen sind. Auch zahlreiche Zulieferer fühlen sich von Volkswagen vor den Kopf gestoßen und kommen mit ihrer bisherigen Produktion in allergrößte Schwierigkeiten, wie bei Schaeffler, Bosch und vielen anderen kleineren Zulieferern deutlich wird. Der größte Stellenabbau findet gerade dort statt – teils verheerend für die Standort-Regionen. VW wolle eine maßgeschneiderte Subventionspolitik zulasten der übrigen Branche, vermuten die Bosse von BMW und Daimler.

Die Beschäftigten treibt derweil die Angst um ihren Arbeitsplatz – und die Landesregierung als größter Anteilseigner (20 Prozent der Stimmrechte) könnte im Zusammenwirken mit den zehn Arbeitnehmerinnenvertretern im Aufsichtsrat durchaus eingreifen. Aber das tut sie nicht. „Ich bedauere, dass über einen weiteren Arbeitsplatzabbau bei Volkswagen öffentlich diskutiert wird, bevor substantielle und intern abgestimmte Planungen vorliegen“, wird Ministerpräsident Stephan Weil im Handelsblatt zitiert.

Was Zusagen dem Unternehmen wert sind, wurde bei einer fünfstündigen Betriebsversammlung im hannoverschen Werk vor einer Woche deutlich: Intensive Diskussionen und eine Protestaktion um Vertrauen und Verträge. Anders als im Standortvertrag geregelt, soll die Elektrovariante des Bulli nach einer Konzernentscheidung nun doch nicht gebaut werden – und die Beschäftigten blicken voller Angst und Wut in die Zukunft. Von einem angekündigten Kulturwandel ist nur geblieben, dass viele Manager jetzt ohne Krawatte in den Büros sitzen.

 

https://www.jungewelt.de/artikel/351482.wolfsburger-sparkurs-klarstellung-bei-vw.html

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