VEB Volkswagen? Vergesellschaftung der Automobilindustrie!

Zu meiner Position, die Autoindustrie müsse unter „gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden“, sie gehöre „entmündigt“ und betreut, bekam ich die zweifelnde Frage, ob „Entmündigung“ nicht gleich sei wie „Verstaatlichung“, was „ein Geschmäckle“ hätte. Darin schwingt immer mit, dass es in der DDR staatliche Betriebe, so genanntes „Volkseigentum“ gab und die darauf gegründete Planwirtschaft vollends versagt habe. Das war für mich Anlass, meine Überlegungen zu diesem Komplex nochmals im folgenden zusammen zu fassen – obwohl die ökonomischen, die juristischen und die moralischen Aspekte noch nicht genügend differenziert sind.

Dieses Gedicht von Bert Brecht wurde auf Beschluss des Parteitages der Präambel des Programms der Partei DIE LINKE vorangestellt:

Fragen eines lesenden Arbeiters.

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
Brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.

Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?

Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?

So viele Berichte.
So viele Fragen.

Daran angelehnt könnte ich als lesender Arbeiter, der ich tatsächlich bin, weitere Fragen anschließen:

Wer baute die größten Automobilfabriken der Welt?

In den Geschäftsberichten stehen die Namen von Porsche und Piëch, von Daimler, Benz und Opel.

Haben die die Maschinen herbeigeschleppt?

Und die zerstörten Fabriken nach dem großen Krieg

Wer baute sie wieder auf?

Der Volkswagen eroberte die Welt.

War es nur das Auto?

Der Boss von Opel weinte, als das Unternehmen

an PSA/Citroën verscherbelt wurde. Weinte sonst niemand?

Alle zwei Jahre ein neuer großer Manager.
Wer bezahlte die Spesen?

So viele Berichte.
So viele Fragen.

Im Programm der Partei Die LINKE heißt es u.a.:

„DIE LINKE kämpft für eine andere, demokratische Wirtschaftsordnung,die die Marktsteuerung von Produktion und Verteilung der demokratischen, sozialen und ökologischen Rahmensetzung und Kontrolle unterordnet. Sie muss auf öffentlichem und demokratisch kontrolliertem Eigentum in der Daseinsvorsorge, an der gesellschaftlichen Infrastruktur, in der Energiewirtschaft und im Finanzsektor beruhen. Wir wollen eine demokratische Vergesellschaftung weiterer strukturbestimmender Bereiche auf der Grundlage von staatlichem, kommunalem, genossenschaftlichem oder Belegschaftseigentum. Die Wirtschaft ist einer strikten Wettbewerbskontrolle zu unterwerfen. In allen Unternehmen sind wirksame Arbeitnehmer-und Mitbestimmungsrechte zu sichern.“

Du widersprichst meiner Aussage: „Die deutschen Autohersteller haben jedes Maß verloren, sie gehören entmündigt und unter gesellschaftliche Kontrolle bzw. Betreuung gestellt!“ Wie gesagt, von Verstaatlichung ist da nicht die Rede – dieser Begriff ist tatsächlich untauglich und ich verwende ihn nicht. Nun fragst Du weiter, wo der Unterschied zwischen „Verstaatlichung und Entmündigung“ läge. Ich versuche mal, meine Sicht auf diesen Unterschied deutlich zu machen und beginne mit einigen Behauptungen:

Die Kaste der obersten Manager der Automobilindustrie ist zu einer kriminellen Vereinigung mutiert. Es existiert kein Verbrechen, das sie nicht begehen würden, um ihren Profit zu sichern.

Die Eigentümer der Betriebe der Autoindustrie, in Deutschland vor allem Daimler, BMW und VW, sind die Familien Quandt, Porsche und Piëch sowie die Finanzinstitutionen der Terrorstaaten Kuweit und Katar.

Diese Eigentümer haben kein Interesse an Mobilität. Die Fabriken und die Autos sind lediglich Mittel zu dem Zweck, maximalen Profit zu erlangen. Die Geschwister Quandt werden jedes Jahr um eine Milliarde Euro reicher; der Porsche-Piëch-Clan taucht in der Liste der reichsten Menschen in Deutschland nur deshalb nicht auf, weil sie ihren Sitz in der Steueroase Österreich haben.

Was den Unterschied zwischen Verstaatlichung und Entmündigung bzw. Betreuung betrifft: Betreuung bekommen bei uns Menschen, die nicht selbst für sich entscheiden können. Betreut werden können Erwachsene, die zu krank oder zu verwirrt sind, um bestimmte Bereiche ihres Lebens selbst zu „managen“ (Entmündigung gibt es juristisch seit 1992 nicht mehr). Das trifft offensichtlich – im übertragenen Sinne – auf die Autoindustrie zu. Dabei bleibt ihnen ihr Eigentum erhalten. Es wäre also weder eine Enteignung noch eine Verstaatlichung. Und es geht nicht um das Eigentum, sondern um die Verfügungsgewalt – wer entscheidet darüber, was, wo und wieviel produziert wird.

Ein weiterer Punkt ist, dass nach geltendem Recht Diebe und Hehler das Diebesgut wieder hergeben müssen, wenn sie erwischt werden. Auf die Autoindustrie bezogen bedeutet das, dass sie Schadenersatz leisten müssen für die Betrügereien, für die Kartellbildung, für die Steuerhinterziehung, für die vorsätzlichen Körperverletzungen und für die Umweltvergiftung. Die Höhe muss ermittelt und darüber muss verhandelt werden.

Das Grundgesetz gebietet übrigens ein solches Herangehen in Artikel 14 und Artikel 15:

Artikel 14/2: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

14/3: Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. …

Artikel 15: … Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz … in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. …

Solche Enteignungen sind gar nicht selten, wenn es um Autobahnen oder andere Infrastruktureinrichtungen geht, im Zuge der Finanzkrise wurden Opel und die HRE vergesellschaftet (verstaatlicht) ebenso wie größten Teils die Commerzbank – der Bund ist dort nach wie vor größter Anteilsinhaber (die Dresdner Bank wurde in diesem Prozess versenkt). Andere Formen von Enteignung des Gesellschaftlichen und Privatisierung sind an der Tagesordnung im Gesundheitswesen, im Bildungswesen ebenso wie die Enteignung von Landwirten durch die Preise diktierende Handelsketten und Discounter – die Liste ließe sich beträchtlich verlängern. Seit inzwischen drei Jahrzehnten findet – nicht nur in Deutschland – eine Enteignung der „kleinen Leute“ statt. Hartz IV ist eine Form der Enteignung: Wer ein bisschen Vermögen hat, ein selbstbewohntes Häuschen zum Beispiel, muss das verscherbeln, bevor Arbeitslosengeld II bezahlt wird.

Die Herrschenden haben überhaupt kein Problem mit Enteignung, solange sie diejenigen sind, die dabei gewinnen und sich die enteigneten Werte aneignen. In diesem Sinne schreib Marx mal von der Exploriation der Exploriateure – von der Enteignung der Enteigner. Der Betrieb, in dem ich viele Jahre gearbeitet habe, ist ein gutes Beispiel dafür: Volkswagen wurde in den 1930er Jahren von den Nazis und Ferdinand Porsche mit geraubtem Gewerkschaftsvermögen und mit Sklavenarbeit von KZ-Häftlingen aufgebaut. Nach der Befreiung vom Faschismus war der Betrieb „herrenlos“ und „zu treuen Händen“ von den Briten der Bundesrepublik Deutschland übergeben, bis die Bundesregierung unter Adenauer einen großen Teil davon an der Börse verscherbelte. Inzwischen hat sich der Porsche-Piëch-Clan mit sehr dubiosen Methoden die Mehrheit an diesem Unternehmen erschlichen. Bezahlt haben das die Beschäftigten des sehr gewinnträchtigen Unternehmens.

Tatsächlich gibt es in unserem Land sehr viele verschiedene Eigentumsformen – staatliches Eigentum wie Post und Bahn, kommunales Eigentum die Stadtwerke und Nahverkehrsbetriebe, genossenschaftliches Eigentum wie Wohnungs- oder Einkaufgenossenschaften und natürlich kollektives Eigentum von Menschen, die sich in Vereinen zusammenschließen. Das Grundgesetz schreibt ausdrücklich keine Wirtschaftsform vor, beinhaltet aber das Sozialstaatsgebot.

Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt dazu u.a.:

Mehrere Grundrechtsartikel fordern jedoch vom Staat soziales Handeln:

  • Aus der Verpflichtung der staatlichen Gewalt, die Menschenwürde zu achten und zu schützen (Art. 1), folgt, dass der Staat allen seinen Bürgern das materielle Existenzminimum sichern muss.
  • Die Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Diskriminierungsverbot, also das Verbot, jemanden aus irgendwelchen Gründen zu benachteiligen (Art. 3 Abs. 2 und 3), verpflichten dazu, soziale Ungleichheiten zu beseitigen und für Gleichbehandlung, zum Beispiel am Arbeitsplatz, zu sorgen.
  • Der Schutz von Ehe und Familie (Art. 6) gibt dem Staat auf, die finanziellen Belastungen durch Kindergeld und Steuervergünstigungen zu erleichtern und Mütter durch Kündigungsschutz und Mutterschaftsgeld abzusichern.
  • Die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3) garantiert Arbeitnehmern, dass sie ihre Stellung im Arbeitsleben durch Bildung von Gewerkschaften verbessern können.
  • Die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2) ist ein Teil des Sozialstaatsgebots.

In Art. 20 Abs. 1 steht zum Sozialstaatsprinzip: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ So garantiert die Bundesrepublik den Bürgerinnen und Bürgern auch die Sozialstaatlichkeit. Und in Art. 79/3 heißt es u.a.: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes … oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“

Nun wäre noch eine ganze Menge zu sagen zur Verfügungsgewalt über Eigentum an Produktionsmitteln und über fehlende Mitbestimmung der Produzentinnen und Produzenten. In unserem Land entscheidet oft ererbtes Vermögen darüber, ob Du in Saus und Braus lebst oder ob Du erwerbslos bist und von Hartz IV lebst. Die Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr mit verheerenden politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Seit 30 Jahren müssen die Menschen in den ostdeutschen Bundesländern länger arbeiten, verdienen dafür aber weniger als in den westdeutschen Bundesländern – einfach deshalb, weil die Arbeitgeber sich weigern, Tarifverträge abzuschließen. Ein Machtmissbrauch sondergleichen. Wenn Macht aber missbraucht wird, muss sie einfach beschnitten werden, um den Missbrauch zu verhindern und den gesellschaftlichen Frieden zu sichern.

Die Enteignung des Gemeinwesens durch die Autokonzerne findet zum Beispiel auch durch Subventionen an diese Industrie statt – trotz der horrenden Gewinne, die weltweit realisiert werden. Kommunen und Länder werden erpresst, um höchstmögliche Förderung und direkte Subventionen zu erhalten. Natürlich muss solchen Erpressungen ein Riegel vorgeschoben werden. Hier ein Link zu einer Anfrage im Bundestag zu den Subventionen für die Autoindustrie – es geht um viele Milliarden Euro jedes Jahr: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/123/1812370.pdf

Und ein vorläufig letztes Argument: In der Autoindustrie vollzieht sich eine rasante Konzentration von Kapital. Damit geht eine Vernichtung von Produktionskapazitäten einher: Der PSA-Konzern übernimmt Opel; kurz vorher wurde das Werk in Bochum geschlossen, nun wird der gesamte Forschungs- und Entwicklungsbereich von Opel verkauft und dezimiert. BMW kooperiert mit Daimler, VW kooperiert mit Ford, Audi steigt in die Entwicklungsallianz von Daimler und BMW ein, Fiat übernimmt Chrysler, Geely übernimmt Volvo – alles hinter verschlossenen Türen ausgekungelt – mit gravierenden Folgen für die Standorte und für die Beschäftigten. In diesem Spiel sind Menschen und Gesellschaften nur Figuren auf dem Schachbrett der wirklich Mächtigen, die am überlebten und unverträglichen Bau von Autos wie seit hundert Jahren festhalten wollen. Die Verweigerung der längst überfälligen Mobilitätswende zerstört nicht nur Umwelt, Klima, Städte und Landschaften – sie steigert die mörderische Konkurrenz bis hin zur Zerstörung der Lebensgrundlage, der sozialen Existenz von Millionen betroffenen Menschen.

Dem ist Einhalt zu gebieten. Deshalb mein Text, als Audi mal wieder eine 600-PS-Protzkarre auf den Markt bringt: „Die deutschen Autohersteller haben jedes Maß verloren, sie gehören entmündigt und unter gesellschaftliche Kontrolle bzw. Betreuung gestellt!“

Wir leben in einer Klassengesellschaft. Im Programm der Linken heißt es dazu u.a.: „Auch wenn die Arbeitsverhältnisse und Tätigkeiten sehr differenziert sind, so ergibt sich doch die gemeinsame Klassenlage aus dem allgemeinen Charakter der Lohnarbeit mit ihrer Abhängigkeit vom Kapital. Die Lohnabhängigen haben das gemeinsame Interesse, ihre Einkommen, Arbeitsbedingungen und ihre soziale Absicherung durch betriebliche, tarifliche und gesetzliche Regelungen zu verbessern und so die kapitalistische Herrschaft und Ausbeutung zu beschränken. … Gute Arbeit für jede und jeden erfordert erweiterte Mitbestimmung der Beschäftigten im Betrieb und im Unternehmen. Wir sind für bindende Veto-Rechte von Beschäftigten in bedeutenden sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Belangen. …Wir fordern ein Verbot von Massenentlassungen. Das wird in großem Umfang sozial abgesicherte Übergänge von Beschäftigten aus schrumpfenden in zukunftsfähige Branchen einschließen.

Wir wollen einen öffentlichen Zukunftsfonds einrichten, mit dem bedrohten, aber überlebensfähigen Unternehmen geholfen und der sozial-ökologische Umbau gefördert werden kann. Dabei dürfen staatliche Hilfen nur im Tausch gegen entsprechende Eigentumsanteile der öffentlichen Hand oder Belegschaftsanteile vergeben werden. Diese Eigentumsrechte sind zu nutzen, um die Kriterien der Unternehmensführung zu verändern: Die heutige Renditefixierung, die ausschließlich den Eigentümern beziehungsweise Aktionären nützt, muss abgelöst werden durch ein Wirtschaften, das den Unternehmenserfolg am langfristigen Wachstum, an den Interessen der Beschäftigten sowie der ökologischen Nachhaltigkeit misst.“

2 Gedanken zu „VEB Volkswagen? Vergesellschaftung der Automobilindustrie!“

  1. Hallo Stepfan Krull
    Dein Hinweis ,das Eigentum und Verfügungsgewalt nicht das selbe sind ist völlig richtig .Producktion ,Verbrauch und Verteilung sind variabel. Wichtig währe es ebend , wenn dieses mit Verstand entschieden würde. Gesetzentwürfe die Soziale Verpfichtungen aushebeln und somit gegen entsprechende Artikel des Grundgesetzes verstossen sollten deshalb laut beim Namen genannt werden
    Gruss kay Schmidtke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert