Volkswagen: Blick in den Abgrund

Die Automobilbranche im Umbruch

Volkswagen versuchte die Quadratur des Kreises, hat sich Unmögliches vorgenommen, Behörden und Kunden betrogen, Verbrauchs- und Abgaswerte bei Millionen Fahrzeugen gefälscht. Bei Beschäftigten macht sich Angst breit, Einkommen werden reduziert, Arbeitsplätze vernichtet, Haushaltssperren verhängt. Der Schaden ist unkalkulierbar, die zurückgestellten fast 10 Milliarden Euro werden eventuell nicht reichen. Der Betrug wird zu einer existenziellen Krise eines der größten Arbeitgeber. Der Absatz der Marke Volkswagen geht in diesem Jahr um 5 Prozent zurück. Nicht nur der Betriebsrat mahnt einen Neustart, eine umfassende Konzernstrategie an. Gefragt sind ganzheitliches Denken und mehr Mitbestimmung. Es fehlt an Demokratie in der Wirtschaft, um Umweltanforderungen gerecht zu werden und Beschäftigung zu sichern. Ein schwieriger und langwieriger Prozess, bei dem es nicht um die Abschaffung des PKW, aber um den Beginn des Umsteuerns geht. Volkswagen: Blick in den Abgrund weiterlesen

Volkswagen – Vom Musterbetrieb zum Modellunternehmen?

Wolfsburg: Zwischen Identifikation und Verdrängung.

Beiträge zur politisch-kulturellen Bildungsarbeit von ARBEIT UND LEBEN in Wolfsburg – anlässlich des Ausscheidens von Guérin Steichen als Verantwortlicher für die Bildungsarbeit in Wolfsburg.

Mehr als 75 Jahre nach der Gründung von Wolfsburg – ursprünglich „Stadt des KdF-Wagen“ –  und des Volkswagenwerkes bleibt die Geschichte aufgrund ihrer unzureichenden Aufarbeitung ein gesellschaftliches Problem und eine Herausforderung für die politische und historische Bildungsarbeit. Die Stadt Wolfsburg beging im Sommer 2013 ihren 75. Gründungstag unter dem Motto „Wolfsburg 75 – beeindruckend jung“. Ein Informationsdienst schrieb dazu: „In den bislang bekannten Materialien zum Jubiläum geht es vor allem um Identifikation und Zukunft der Stadt und um die Herausforderungen der kommenden Jahre. Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gründung der Stadt während des Nationalsozialismus wird es nicht geben. Eine Sprecherin der Stadt begründet die Entscheidung damit, dass die Gründungsgeschichte im Dritten Reich durch wissenschaftliche Studien bereits ‚gut erforscht‘ sei.[1]“ Wäre der mühselige und von Halbheiten geprägte Prozess der Aufarbeitung der Geschichte von Werk und Stadt nicht ohnehin ein Problem, so wäre diese Begründung der letzte Beweis, Volkswagen – Vom Musterbetrieb zum Modellunternehmen? weiterlesen

Kraft durch Freude (KdF): Wirkungsvolle NS-Propaganda

 

Vor 80 Jahren wurde die »NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude« ­gegründet. Sie sollte die vermeintliche Aufhebung der Klassenwidersprüche zugunsten der »Volksgemeinschaft« unterstreichen

Sucht man im Internet nach KdF, stößt man auf ein von Neonazis geplantes Museum vis-à-vis dem Volkswagenwerk in Wolfsburg, das am Ableben des Sponsors Jürgen Rieger scheiterte. Außerdem findet man den »Kreis deutschsprachiger Führungskräfte« in Spanien: »Wir möchten Ihnen wieder ein Kreistreffen anbieten, an dem sich die Mitglieder und Freunde des KdF abends in informeller Runde treffen können.« Als KdF finden sich in Barcelona bis heute Rüstungsmanager, Vertreter der chemischen Industrie und Bertelsmänner zusammen.

Am 27. November 1933 wurde die »NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude«, die KdF gegründet. Mit ihr sollten Arbeiterinnen und Arbeiter an das Nazisystem gebunden werden. Damit war das Versprechen auf Urlaubsreisen, bunte Abende, schöne Konzerte und den »Volkswagen« verbunden. Kraft durch Freude (KdF): Wirkungsvolle NS-Propaganda weiterlesen

Geprellte »Volksgenossen« und Zwangsarbeit

75 Jahre »Stadt des KdF-Wagen« – an diesem Wochenende feiert Wolfsburg. Aber was?

Von Hans-Gerd Öfinger, 29.6.2013, Neues Deutschland

»Beeindruckend jung« präsentiert sich Wolfsburg zur 75-Jahr-Feier. Die niedersächsische Industriestadt, Stammsitz des mit ihr gewachsenen VW-Konzerns, setzt sich als weltoffene Stadt in Szene, die ihre Geschichte sauber aufgearbeitet habe. Wolfsburg und VW geben sich als Symbiose, als Hochburg deutscher Mitbestimmungs- und Konsenskultur mit einer zufriedenen Belegschaft.

Dunkle Flecken, die in der offiziellen »Erfolgsgeschichte« ausgeblendet sind, fördert ein von Ex-VW-Betriebsrat Stephan Krull herausgegebenes Buch zu Tage. Die Grundsteinlegung für die Fabrik und die »Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben«, die erst seit 1945 Wolfsburg heißt, nahm Hitler persönlich im Mai 1938 vor. KdF steht für »Kraft durch Freude«, eine Unterorganisation der NS-Betriebsorganisation Deutsche Arbeitsfront. Tatsächlich bildete geraubtes Vermögen der 1933 von den Nazis gewaltsam aufgelösten Freien Gewerkschaften den finanziellen Grundstock für das Werk.

Krulls Buch entzaubert den Mythos »Massenmotorisierung durch Volkswagen«. Bis Kriegsausbruch wurden hier nur wenige hundert Käfer für die »Volksgenossen« produziert, danach 65 000 Militärfahrzeuge. Geprellte KdF-Sparer, die den versprochenen VW Käfer nie geliefert bekamen, klagten bis 1960 auf Schadensersatz. Auch mit dem Porsche-Kult räumt das Buch auf. Der von Hitler mit der Konstruktion eines Prototyps beauftragte Ferdinand Porsche war kein unpolitischer Technokrat. Abgesehen davon, dass sich der »geniale« Porsche das Knowhow bei Ford und US-Fachleuten besorgte, begegnen wir im Buch einem von der NS-Ideologie zutiefst durchdrungenen »Wehrwirtschaftsführer«, der bis zuletzt Durchhalteappelle verbreitete. Mit der Sklavenarbeit von Zwangsarbeitern im »SS-Musterbetrieb« konnte Porsche riesige Reichtümer anhäufen, Fundament für das Milliardenvermögen des heutigen Porsche-Piëch-Familienclans, der nach einer Übernahmeschlacht VW-Mehrheitsaktionär geworden ist. Schäbig verhielt sich der Konzern in der Frage der Entschädigung von mehr als 25 000 Zwangsarbeitern; man spielte auf Zeit und gestand bescheidene Zahlungen erst nach über 50 Jahren zu – für viele zu spät. Eine persönliche Entschuldigung haben die Familien Porsche und Piëch bis heute nicht zustande gebracht.

Anfang 1945 setzte sich Porsche mit zehn Millionen Reichsmark in der Tasche nach Österreich ab. Der Wolfsburger Betrieb ging nach der Befreiung vom Faschismus in den Besitz des Landes Niedersachsen über. Eine konsequente »Entnazifizierung« fand nicht statt. Anfang 1948 ernannte die britische Besatzungsmacht Ex-Rüstungsmanager Heinrich Nordhoff zum VW-Generaldirektor. Dass dessen Tochter 1959 Porsche-Enkel Ernst Piëch heiratete, dürfte Ausdruck weitsichtiger Heiratspolitik gewesen sein und den Wiedereinstieg des Familienclans bei VW begünstigt haben. 1960 wurden 60 Prozent der VW-Aktien an der Börse verkauft, Niedersachsen und der Bund behielten jeweils 20 Prozent. Um diese von Krull als »zweite Enteignung« bezeichnete Teilprivatisierung kosmetisch zu verbrämen, propagierten Kanzler Adenauer und Wirtschaftsminister Erhard »Volksaktien«. Mit der Beschränkung der Macht privater Anleger im »VW-Gesetz« zogen sie 1960 Belegschaft, Gewerkschaft und SPD ins Boot. 1988 privatisierte die Regierung Kohl dann den Anteil des Bundes. Was also feiert man am Wochenende in Wolfsburg?

Stephan Krull: 75 Jahre »Stadt des KdF-Wagen«/Wolfsburg. Ossietzky-Verlag. 164 S., br., 14,95 €.

Die Vergangenheit ist nicht vorbei. Volkswagen und die Autostadt Wolfsburg

Der Bau des Volkswagenwerkes durch Porsche und die Nazis

Die „Stunde Null“ gab es nicht – geschäftliche, personelle und ideologsiche Kontinuitäten

Werk und Stadt wollten sich der Vergangenheit entledigen

Artikel aus SOZIALISMUS, 4-2012

https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Themen/GK_Geschichte/Sozialismus_04-2012_Krull.pdf

Die Vergangenheit ist längst nicht vorbei

Tagung beleuchtete die Rolle Ferdinand Porsches im Dritten Reich und die anhaltende Verehrung des Wehrwirtschaftsführers

  • Von Stephan Krull, Wolfsburg, 6.12.2011, Neues Deutschland
Eine Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich am Wochenende in Wolfsburg mit der Nazivergangenheit des Auto- und Panzerkonstrukteurs Ferdinand Porsche.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) sowie das Wolfsburger Zentrum für demokratische Bildung luden am vergangenen Sonnabend zu einer Tagung in die VW-Stadt, die der Frage nachging, ob »Ferdinand Porsche genialer Techniker oder Kriegsverbrecher« gewesen sei. Einleitend wurde hervorgehoben, dass es in der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus nicht nur eklatantes Staatsversagen, sondern – schlimmer noch – eine verdeckte Kumpanei zwischen Teilen des Staatsapparates und neonazistischen Terroristen gibt. Das ist von Bedeutung, weil die Justiz bereits in den späten 1940er Jahren bei der Entnazifizierung versagt hat. Die Blindheit auf dem rechten Auge hat eine schreckliche Kontinuität. Vor wenigen Wochen wurde durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten McAllister in Argentinien ein »Ferdinand-Porsche-Institut« zur Ausbildung von Ingenieuren eingeweiht. In Wolfsburg wurde der dortige Wohnsitz Porsches während des Werksbaues und Kriegsproduktion von 1938 bis 1945, die sogenannte »Porsche-Hütte«, von der Stadt an Volkswagen verkauft. Die Erben des SS-Offiziers und Wehrwirtschaftsführers wollen dort »das Andenken an den Großvater« museal aufbereiten. Im Rathaus der Stadt sollte vor wenigen Monaten ein Sitzungssaal nach Ferdinand Porsche benannt werden – nur am Veto des Rats- und Landtagsmitgliedes der LINKEN, Pia Zimmermann, ist dieses Vorhaben gescheitert.

Die Initiatoren der ersten öffentlichen und keineswegs folgenlosen Diskussion um die Porsche-Verklärung vor fast 25 Jahren berichteten über ihre damaligen Erfahrungen: der Pastor Hartwig Hohnsbein, die damalige Ratsfrau der Grünen Betty Rannenberg und Mechthild Hartung für die VVN-BdA, Pia Zimmermann von der Linkspartei berichtete von der Angst in der Stadtpolitik, sich kritisch mit der Person Ferdinand Porsche auseinanderzusetzen.

Der Journalist und Autor Otto Köhler referierte über die Rolle von Porsche in der Zeit des Faschismus und die Bearbeitung dieses Komplexes durch den Historiker Hans Mommsen im Auftrag von VW. Dazu benötigte die Forschergruppe etwa zehn Jahre. Schließlich kam man 1996 zu dem Ergebnis, dass Porsche kein Verbrecher gewesen und eine Entschädigung der Zwangsarbeiter nicht möglich sei. Dabei war bekannt, dass der 1939 zum Wehrwirtschaftsführer ernannte Porsche als Vorsitzender der Panzerkommission und Rüstungsrat tief in die nationalsozialistischen Verbrechen verstrickt war. So gab er persönlich Anweisungen zur »Beschaffung« von KZ-Häftlingen und sowjetischen Kriegsgefangenen. Schließlich gab es doch noch eine Entschädigung der noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter, aber nur aufgrund des öffentlichen Drucks. Seitdem ist es um den 1951 verstorbenen Porsche wieder still geworden.

Mechthild Hartung wurde von Pia Zimmermann in der Forderung unterstützt, keine Straßen und öffentlichen Einrichtungen mehr nach Porsche und anderen Naziverbrechern zu benennen. Im Gegensatz zu den 90er Jahren, als ein solcher Antrag an der CDU-Mehrheit im Stadtrat scheiterte, gibt es heute eine rot-grüne Mehrheit im Rat. Die Abwesenheit von Politikern der Grünen und der SPD bei der Veranstaltung macht aber deutlich, dass Druck aus der Öffentlichkeit erzeugt werden muss, um die Porsche-Verehrung in Wolfsburg zu beenden und zu verhindern, dass die Person und die Rolle von Porsche weiter verklärt werden.

In einer kleinen Kunstausstellung hing ein Transparent, das seit vielen Jahren am 8. Mai in der Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus in Wolfsburg getragen wird: »Ihr sollt die Ermordeten nicht und nicht die Mörder vergessen«.

Die jüngst bekannt gewordene Tatsache, dass der langjährige VW-Betriebsratsvorsitzende und Wolfsburger Oberbürgermeister, Hugo Bork, Mitglied der NSDAP war, wirft eine Reihe weiterer Fragen auf, die einer Klärung bedürfen. Die Veranstalter der Tagung haben sich vorgenommen, die erforderliche Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit dafür zu leisten.

Volkswagen – vom Sanierungsfall zum Höhenflug

Das VW-Gesetz und die Privatisierung

Die Konkurrenz der Automobilindustrie wird mit harten Bandagen ausgetragen. Es geht um Marktanteile und Maximalprofite! Es geht nicht nur um Gewinn, sondern um Mindestrenditen; wenn die nicht erreicht sind, wird der „Sanierungsfall“ ausgerufen. Bei Volkswagen ist der Mindestprofit inzwischen bei 10%, weil Toyota auch 10% Profit aus den Arbeiterinnen und Arbeitern der Fabriken und Zulieferbetriebe presst.

Volkswagen – vom Sanierungsfall zum Höhenflug weiterlesen

Entsorgte Geschichte: Der inszenierte Fall des VW-Gesetzes

Gerichte, Regierung und Kapital spielten sich die Bälle zu. Auch in Wolfsburg soll wieder »Ordnung« herrschen

Bundes- und Landesregierung von Niedersachsen hatten es nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Dienstag auffallend eilig zu erklären, daß es zügig umgesetzt werde. Als hätten sie darauf gewartet. Bereits 1988 hatte die Bundesregierung ihren Anteil an VW verkauft, das Gesetz für überholt erklärt und die Grundlagen für das jetzige EuGH-Urteil gelegt: Den Machtwünschen des VW-Vorstandes und den unverfrorenen Ansprüchen des Porsche-Piëch-Clans wurde nun Rechnung getragen. Entsorgte Geschichte: Der inszenierte Fall des VW-Gesetzes weiterlesen

Volkswagen – der entfesselte Riese?

Vorbemerkung:

Ein Artikel von mir aus „SOZIALISMUS 6/2004, der wenig an Aktualität verloren hat – einige Personen haben gewechselt, ansonsten wird der Plan für die Hartz-Gesetze im VW-Labor ausprobiert.

Das Foto oben (der gefesselte Riese) ist aus dem Vortrag von Personalvorstand Peter Hartz bei einer Betriebsräteversammlung am 29. April 2004.

 

Die Demagogie wird zur materiellen Gewalt, wenn die Standortfalle zuklappt!

„Ein Quäntchen Angst am Arbeitsplatz könne die Leistungskraft entscheidend steigern, meinen zwei Kölner Betriebswirtschaftler. Ihr Rat an die Manager: Mehr Mut zur Macht!“

Diese krude Idee von zwei wohl Aufträge suchenden „Wissenschaftlern“  könnte man getrost in den Papierkorb werfen, lägen sie damit nicht genau im Zeitgeist. Eine ganze Seite war dieser menschenfeindliche Gedanken-Abfluss dem „manager magazin“ wert. Möglicher weise handelt es sich dabei aber auch nur um eine Blaupause der tarifpolitischen Strategie von Volkswagen für das Jahr 2004, die von der Manager-Idee beseelt scheint, „die Mitarbeiter aus der Komfortzone“ zu holen.[2] Der Begriff „Zone“ ist hier kaum zufällig gewählt, wurde doch über die ehemalige „Ostzone“ gerade als künftige „Sonderwirtschaftszone“ orakelt. Merkmale dieser „Sonderwirtschaftszonen“ sind, neben Steuerfreiheit, die „Befreiung“ von arbeitsrechtlichen Normen, von Tarifverträgen, Koalitionsfreiheit und von Gewerkschaften. Volkswagen – der entfesselte Riese? weiterlesen