VW vor dem Abgrund

Vor 16 Monaten wurde der millionenfache Abgasbetrug durch Volkswagen durch die US-Umweltbehörde öffentlich gemacht. Elf Millionen Fahrzeuge erfüllen nur auf dem Prüfstand die Abgasnormen, im Normalbetrieb blasen sie ein Vielfaches des Giftes in unsere Umwelt. Die Gesundheit der Menschen wird dadurch schwer geschädigt. Zugleich wurden und werden die Steuerbehörden um erhebliche Einnahmen betrogen, weil die Berechnung der Abgaben auf Basis der gefälschten Werte erfolgte.
Im August 2015 vergoss der damalige VW-Vorstandschef Martin Winterkorn Krokodilstränen und kündigte schnelle und »rückhaltlose« Aufklärung an. Nachfolger Matthias Müller bat um Verzeihung, nicht nur in den USA. Er kündigte schnelle technische Lösungen an. Man ermittle »auf Hochtouren«, sagte ein VW-Sprecher im September 2015.
Mehr als ein Jahr später gibt es weder Aufklärung noch technische Lösungen. Der Bericht einer internen Prüfung wird auf unbestimmte Zeit zurückgehalten – weil »mit einer Veröffentlichung zum gegenwärtigen Zeitpunkt unvertretbare Risiken für Volkswagen verbunden wären«, wie der Konzern am 22. April nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte. Man ahnt, was drinstehen könnte. Auf der Aktionärsversammlung im Juni dieses Jahres sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch, früher Finanzvorstand des Konzerns und nahezu zeitgleich mit seiner Kür zum Chef des Kontrollgremiums Ende 2015 auch zum Vorstandsvorsitzenden der Porsche Automobilholding berufen, die Veröffentlichung dürfe »die Aufklärung nicht behindern«.
Gegen die Konzernspitze um Pötsch, Müller, Herbert Diess und 20 weitere Manager laufen inzwischen Ermittlungsverfahren der Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Die US-Behörden sprechen wegen verschwundener E- Mails, verlorener Smartphones, gelöschter Dateien und vernichteter Akten von »Verschwörung« bei Volkswagen.
In Berlin beschäftigt sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Rolle der Bundesregierung, des Verkehrsministers und nachgeordneter Behörden wie dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) sowie der Umweltminister der Länder bei dem gigantischen Betrug. Von zuviel Einfluss der Autolobby will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) jedoch nichts wissen. Vor dem Bundestagsausschuss behauptete er am 15. Dezember: »Dass das größte Unternehmen der Welt mit krimineller Energie vorgeht, hätte ich nicht für möglich gehalten.« Von den illegalen Praktiken habe er erst aus der Presse erfahren. Begriffe wie »Abschalteinrichtungen« zur Deaktivierung des Emissionskontrollsystems habe er vor dem Skandal auch in Gesprächen mit Experten nie gehört.
Dabei geht die Schere bezüglich tatsächlichem Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen und den Angaben in den Verkaufsprospekten seit vielen Jahren immer weiter auseinander, Umweltverbände kritisierten dies lange vor den Sanktionen der US-Behörden. Gabriel hatte diese Kritik jedoch als »nicht belastbar« eingestuft.
Inzwischen ist auch die EU-Kommission der Ansicht, dass die deutschen Behörden offensichtliche Verstöße der Automobilindustrie gegen Gesetze und Verordnungen dulden und geduldet haben. Die Bundesrepublik habe die Fahrzeughersteller entgegen nationalem Recht nicht mit Strafen belegt und halte technische Daten zurück, begründete die Behörde am 8. Dezember die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Zudem bemängelte Brüssel, dass VW für die Manipulation von Schadstoffwerten bei Dieselautos bis heute in der Bundesrepublik nicht bestraft wurde.
Recherchen von Journalisten belegten zudem, dass die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) installierte und mit Mitarbeitern seines Hauses und des KBA besetzte Volkswagen-Untersuchungskommis­sion keineswegs unabhängig war. Deren Bericht wurde mit der Autoindustrie besprochen und um wesentliche Passagen reduziert, wie unter anderem Spiegel online im November berichtete.
Der Betrug kommt die Beschäftigten bei Volkswagen teuer zu stehen: Auf Verkaufsstopps in vielen Ländern und sinkenden Absatz wurde mit Personalabbau und Kurzarbeit reagiert. Strafzahlungen sowie die Kosten für Rückruf­aktionen und Nachrüstung summieren sich inzwischen auf mehr als 20 Milliarden Euro. Selbst für einen Weltkonzern wie Volkswagen ist das eine schmerzvolle Summe, die für Forschung und Entwicklung nicht zur Verfügung steht. Das Management setzt derweil weiter auf Wachstum und Marktanteilsgewinne. Wenn diese waghalsige Strategie nicht aufgeht, ist der Schritt in den Abgrund getan. Die Umsetzung von Programmen zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen, zur Digitalisierung und zu »Mobilitätspartnerschaften« mit den Städten Hamburg, Dresden und Wolfsburg werden erst in ein paar Jahren wirksam. In der Zwischenzeit werden die Zulassungsstatistiken durch Eigenzulassungen, Händlerzulassungen und teure Rabattaktionen geschönt.
Kein Thema sind für das Management etwa der Verkauf der Rüstungssparte von MAN oder der Fabriken von Lamborghini und Bugatti. Zugleich streichen die Haupteigentümer weiter fette Dividenden ein: Der Porsche-Piëch-Clan und die Scheichs des Terrorstaates Katar kassieren weiter Milliarden, wovon ein Teil dem millionenfachen Betrug entspringt.
Für 2016 hatte die Porsche SE eine Dividendenzahlung aus ihrer Beteiligung an VW geplant, das ist in deren Geschäftsbericht für 2015 nachzulesen. Wie jeder Hehler müsste Porsche gezwungen werden, diese Betrugsdividende zurückzuzahlen, Artikel 14/15 des Grundgesetzes böte die Möglichkeit zu solchen Maßnahmen.
Der VW-Vorstand weigert sich unterdessen auch nach der Ankündigung vom 18. November, weltweit bis zu 30.000 Stellen, davon 23.000 allein in Deutschland, abzubauen, auch nur einen Teil seiner Millionenboni zurückzuzahlen. Der frühere VW-Chef Martin Winterkorn war 2014 mit fast 16 Millionen Euro Topverdiener unter den Vorständen der Dax-Konzerne gewesen, nur ein Zehntel davon war sein Fixgehalt. Bislang hat das Management lediglich das Zugeständnis gemacht, dass 30 Prozent der Sonderzahlungen in Wertpapiere umgewandelt werden. Nach drei Jahren soll geprüft werden, wie sich der Aktien­kurs entwickelt hat. Liegt er auch nur um ein Viertel über dem Krisenniveau, sollen die Boni ausgezahlt werden.
VW vor dem Abgrund
VW vor dem Abgrund

Hitler hatte auch seine guten Seiten? Entgleisung des Carl H. Hahn

Hitler hatte auch seine guten Seiten?
Geschichtsrevisionismus bei den deutschen Eliten!
Ist das der Grund, weshalb volkswagen den Historiker Dr. Manfred Grieger gefeuert hat? Carl Hahn sen. wird als Held und Ehrenmann gepriesen, blitzblank geputzt und von seiner Mitverantwortung für Raubkrieg, Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit freigesprochen. Als Direktor der damaligen Auto-Union, einem der Vorläufer von Audi, trägt er aber genau dafür Verantwortung. Als Mitglied im RDA (Vorläufer des VDA), hat Carl Hahn sen. an der Entwicklung hin zum KdF-Wagen seinen Anteil.
Es wäre tatsächlich Gras drüber gewachsen, würde es nicht in diesen Tagen in Wolfsburg wieder publiziert worden (siehe Ausschnitt Senioren-Journal). Und schlimm wird es dadurch, dass sein Sohn, der spätere VW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Carl.H. Hahn den Eindruck vermittelt, Hitler hätte ja auch „seine guten Seiten“ gehabt.
Dieses ein weiterer Beleg dafür, dass die Vergangenheit nicht vergeht, dass die Volks- und Betriebsgemeinschaftsideologie der Nazis bis in unsere heutige Zeit wirkt und dass die Großaktionäre von Volkswagen, der Porsche-Piëch-Clan keinen Spaß verstehen, wenn an die verbrecherischen Grundlagen ihres Milliardenvermögens erinnert wird.
Historyisunwritten!
Der aus Westdeutschland stammende Chemnitzer Prof. Rudolf Boch, einer der Autoren des Buches über Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei der #Volkswagen-Tochter Audi (Auto-Union):
„Bald nach der (staatlich geförderten und finanzierten) Gründung der Auto Union aus den Firmen DKW, Audi, Horch und der Automobilabteilung der Wanderer-Werke zog bekanntlich über Deutschland das Dritte Reich herauf. … Der Kriegsausbruch im Spätsommer 1939 kam der Auto Union un­gelegen. … Ab dem Spätfrühjahr 1940 wandte sich die Auto Union umständehal­ber mehr der Kriegsrüstung zu. … Mit ihrem KZ-Häftlings-Anteil bewegte sich die Auto Union aber durchaus noch im branchenüblichen Rahmen. Der vergleichbare Wert lag bei BMW bei 4,8 und bei Daimler-Benz bei 7,6 Prozent. Auch der Gesamtumfang des Zwangsar­beitskomplexes bei der Auto Union, der sich durch die Übernahmen tschechischer Firmen und den Einsatz rückverlagerter Justizstrafgefan­gener im letzten Kriegsjahr noch auf bis zu 45 Prozent erhöhte, blieb im Rahmen der deutschen Kraftfahrzeugbranche.“ Einer der Chefs der Auto-Union war Carl Hahn sen., der Vater des späteren VW-Vorstandsvorsitzenden Carl Hahn.

Volkswagen in USA IndustrieAll schaltet sich ein

#Volkswagen respektiert die Rechte der Beschäftigten in Chattanooga USA nicht – jetzt steht ein Konflikt mit dem internationalen Gewerkschaftsverband #IndustriAll bevor, falls das Unternehmen nicht schnell einlenkt
#wirtschaftsdemokratie
#igmetall
Resolution vom Kongress IndustriAll http://www.industriall-union.org/sites/default/files/uploads/documents/2016/GERMANY/ExCoFrankfurt/industriall_resolution_on_vw_may_2016_en.pdf

VW feuert kritischen Historiker

Ferdinand #Porsche und Anton #Piëch waren nicht in erster Linie die Gründer von Volkswagen, sondern fanatische Nazis und Kriegsverbrecher, verantwortlich für den Einsatz und den Tod von tausenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, für den Tod von hunderten Säuglingen der Zwangsarbeiterinnen, für die Kooperation mit der NSDAP und der SS, für die Produktion von Kriegsfahrzeugen für Wehrmacht und SS, für die Produktion von Minen, Flugzeugteilen und Raketen – für die Ermöglichung und Verlängerung des Raubkrieges der Nazis. VW feuert kritischen Historiker weiterlesen

VW muss den Luxus abspecken

Kommentar für Neues Deutschland, 6.7.2016

Lohnt es, um Volkswagen zu kämpfen, oder soll der Konzern vom Markt verschwinden?

14,7 Milliarden US-Dollar wird der Autokonzern VW in den USA zahlen – wegen 500 000 manipulierter Fahrzeuge. Mit eingerechnet sind 2,7 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung von Umweltausgleichsmaßnahmen und 2 Milliarden US-Dollar für Initiativen zur Förderung von Null-Emissions-Fahrzeugen. Die 500 000 betroffenen Fahrzeuge müssen überwiegend verschrottet werden, da genehmigungsfähige technische Anpassungen nicht in Sicht sind.

In Europa geht es um fast zehn Millionen manipulierte Autos – also um 20 mal soviel, allerdings haben die deutschen Behörden für »technische Anpassungen« bereits grünes Licht gegeben. Sicherlich kommen da nicht 20 mal so hohe Kosten auf VW zu, aber mit Rückruf, Reparatur, Strafzahlungen, Entschädigungen und Steuernachforderungen werden das auch einige Milliarden Euro. Dieses addiert geht an die Substanz des Unternehmens, es geht um die Existenz. Die Konkurrenz freut es im enger werdenden Markt, könnte doch ein aggressiver Anbieter über den historischen Betrugsskandal aus dem Rennen gekegelt werden. Ganz anders der erwischte Übeltäter: »Wir werden Volkswagen zu einem besseren und stärkeren Unternehmen machen und unser Ziel, einer der weltweit führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität zu werden, konsequent verfolgen«, so der Vorstandsvorsitzende Müller nach der Vereinbarung mit der US-Justiz.

Lohnt es, um Volkswagen zu kämpfen, oder soll das Unternehmen vom Markt verschwinden?

Die Antwort der Beschäftigten wäre eindeutig. Aber schon werden Leiharbeiter nicht weiter beschäftigt und erste Fabriken werden abgeschaltet (Dresden und Sarajevo) bzw. sind nicht annähernd ausgelastet (Argentinien, Brasilien, Russland, Mexiko, USA).

In den zurückliegenden Jahren wurden riesige Überkapazitäten aufgebaut, immer mehr Werke, immer mehr Standorte – normale kapitalistische Konkurrenz um Märkte und Marktanteile. Jetzt stürzen sich alle Hersteller, Volkswagen voran, auf Elektroautos, Digitalisierung und »autonomes Fahren« als hoffnungsvolle Zukunftstechnologien.

Aber es handelt sich dabei erstens um eine Wette auf die Zukunft – und die lässt sich schwer prognostizieren; die Wette kann auch verloren gehen. Zweitens wird dadurch die Konkurrenz auf einer anderen Stufe verschärft, Investitionen und Subventionen werden sinnlos verpulvert. Drittens werden die Produkte so teuer, dass sie sich kaum jemand leisten kann; die globalen Mobilitätsprobleme in den überlasteten Megacities oder in infrastrukturarmen ländlichen Regionen werden damit nicht gelöst.

Nachhaltige Mobilität, die für alle erschwinglich ist und die Umwelt nicht extrem belastet, ist preiswerter öffentlicher Personenverkehr vor allem auf der Schiene. Dazu zu forschen, dazu innovative Produkte zu entwickeln, dazu Fördermittel bereit zu stellen, das wäre die Aufgabe weitsichtiger Unternehmen und verantwortlicher Politik.

Volkswagen hat tatsächlich Speck angesetzt, der abgestoßen werden sollte: die Luxuskarossen von Lamborghini und Bugatti ebenso wie die Rüstungssparte von MAN – darüber können ein paar Milliarden Euro in die Schadenersatz-Kasse kommen.

Außerdem müssen die privaten Gewinne des Porsche-Piëch-Clan und der Scheichs von Katar aus dem Abgasbetrug beschlagnahmt werden, um die Kosten des Betruges nicht auf die Beschäftigten und die Öffentlichkeit abzuwälzen.

Schließlich sind nach Maßgabe des Grundgesetzes (»Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen«) die privaten Besitzer, die sich Volkswagen mit teils kriminellen Methoden angeeignet haben, zu enteignen.

Wenn Volkswagen nicht vom Markt verschwinden soll, müssen die Weichen jetzt in die genannte Richtung gestellt werden. Mit der Mehrheit von Betriebsräten, Gewerkschaftsvertretern und den Vertretern des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat wäre ein solcher Neustart möglich. Volkswagen würde nicht vom Markt verschwinden, hunderttausende Arbeitsplätze würden nicht vernichtet werden, wenn diese Voraussetzungen geschaffen werden, um nachhaltige, sozial- und umweltverträgliche Produktion, Mobilität und Mobilitäts- Dienstleistungen auf demokratische Art und Weise zu entwickeln. Andernfalls werden, kapitalistischer Logik folgend, Überkapazitäten vernichtet. Dann heißt es: »Tschüss, Volkswagen!«

 

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1017704.vw-muss-den-luxus-abspecken.html?sstr=Stephan|Krull

Nie wieder Krieg der Autokonzerne

Beitrag für Neues Deutschland, 11.3.2016

Der millionenfache Abgas-Betrug von Volkswagen wird das Unternehmen sehr viel Geld kosten. Selbst die Existenz dieses unumstößlich geglaubten Weltkonzerns ist nicht mehr gesichert. Dramatische Auswirkungen sind schon jetzt sichtbar: Leiharbeiter werden nicht weiter beschäftigt, Werkvertragsunternehmen gekündigt, Kommunen revidieren Haushaltspläne und streichen Investitionen. Im VW-Werk in Mexiko, von wo der US-Markt beliefert wird, sind Produktion und Absatz bereits um fast die Hälfte eingebrochen.

Das Krisenmanagement des Konzerns ist katastrophal – es wird geleugnet und verharmlost. Ein paar Ingenieure hätten den Betrug ausgeheckt; der Vorstand sei bereits seit zwei Jahren informiert, habe die Information aber vielleicht nicht gelesen; die juristischen »Berater« hielten das Problem für gering und beherrschbar – so die jüngsten Erklärungen von VW. Wahr ist, dass die Zielvorgaben des Konzerns bei den Schadstoffemissionen nicht anders als durch Betrug zu erreichen waren. Profitiert hat davon neben dem Porsche-Piëch-Clan auch der Terrorstaat Katar als einer der Hauptaktionäre.

Angesichts dieser nun existenziellen Krise des Autobauers ist eine Neuausrichtung notwendig. Dafür sollten Linke und GewerkschafterInnen sich stark machen, dafür sollten die IG Metall und der Betriebsrat gewonnen werden. Extraprofite, die der Betrug erzielte, müssten für die Schadensregulierung herangezogen werden. Hohe Beiträge für den anstehenden Konzernumbau sind von den Großaktionären zu fordern, selbst eine Enteignung entsprechend Artikel 14 Grundgesetz müsste geprüft werden. Währenddessen setzen die Eigentümer und Manager derzeit weiter auf Sieg im Krieg der Autokonzerne mit immer größeren, schnelleren, stärkeren, teureren Autos, mit Elektronik, Digitalisierung und »autonomem Fahren«.

Bei einer Neuausrichtung geht es um soziale wie technische, ökologische und ökonomische Fragen. Dreh- und Angelpunkt müssen die begrenzten Ressourcen, die Reduktion der Klimabelastung und die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen nach einer intakten Umwelt und sinnvollen Fortbewegung sein: Volkswagen müsste ein Mobilitätsanbieter mit modernen, sicheren und ökologisch-nachhaltigen Verkehrsmitteln für Personen und Güter auf Straße und Schiene werden. Solche Verkehrsmittel müssten überwiegend öffentliches Eigentum sein, die allen zur Verfügung stehen und den regionalen Bedingungen in Megacitys wie in dünn besiedelten Regionen der Welt angepasst sind.

Volkswagen: Blick in den Abgrund

Die Automobilbranche im Umbruch

Volkswagen versuchte die Quadratur des Kreises, hat sich Unmögliches vorgenommen, Behörden und Kunden betrogen, Verbrauchs- und Abgaswerte bei Millionen Fahrzeugen gefälscht. Bei Beschäftigten macht sich Angst breit, Einkommen werden reduziert, Arbeitsplätze vernichtet, Haushaltssperren verhängt. Der Schaden ist unkalkulierbar, die zurückgestellten fast 10 Milliarden Euro werden eventuell nicht reichen. Der Betrug wird zu einer existenziellen Krise eines der größten Arbeitgeber. Der Absatz der Marke Volkswagen geht in diesem Jahr um 5 Prozent zurück. Nicht nur der Betriebsrat mahnt einen Neustart, eine umfassende Konzernstrategie an. Gefragt sind ganzheitliches Denken und mehr Mitbestimmung. Es fehlt an Demokratie in der Wirtschaft, um Umweltanforderungen gerecht zu werden und Beschäftigung zu sichern. Ein schwieriger und langwieriger Prozess, bei dem es nicht um die Abschaffung des PKW, aber um den Beginn des Umsteuerns geht. Volkswagen: Blick in den Abgrund weiterlesen

Volkswagen – Vom Musterbetrieb zum Modellunternehmen?

Wolfsburg: Zwischen Identifikation und Verdrängung.

Beiträge zur politisch-kulturellen Bildungsarbeit von ARBEIT UND LEBEN in Wolfsburg – anlässlich des Ausscheidens von Guérin Steichen als Verantwortlicher für die Bildungsarbeit in Wolfsburg.

Mehr als 75 Jahre nach der Gründung von Wolfsburg – ursprünglich „Stadt des KdF-Wagen“ –  und des Volkswagenwerkes bleibt die Geschichte aufgrund ihrer unzureichenden Aufarbeitung ein gesellschaftliches Problem und eine Herausforderung für die politische und historische Bildungsarbeit. Die Stadt Wolfsburg beging im Sommer 2013 ihren 75. Gründungstag unter dem Motto „Wolfsburg 75 – beeindruckend jung“. Ein Informationsdienst schrieb dazu: „In den bislang bekannten Materialien zum Jubiläum geht es vor allem um Identifikation und Zukunft der Stadt und um die Herausforderungen der kommenden Jahre. Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gründung der Stadt während des Nationalsozialismus wird es nicht geben. Eine Sprecherin der Stadt begründet die Entscheidung damit, dass die Gründungsgeschichte im Dritten Reich durch wissenschaftliche Studien bereits ‚gut erforscht‘ sei.[1]“ Wäre der mühselige und von Halbheiten geprägte Prozess der Aufarbeitung der Geschichte von Werk und Stadt nicht ohnehin ein Problem, so wäre diese Begründung der letzte Beweis, Volkswagen – Vom Musterbetrieb zum Modellunternehmen? weiterlesen

Kraft durch Freude (KdF): Wirkungsvolle NS-Propaganda

 

Vor 80 Jahren wurde die »NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude« ­gegründet. Sie sollte die vermeintliche Aufhebung der Klassenwidersprüche zugunsten der »Volksgemeinschaft« unterstreichen

Sucht man im Internet nach KdF, stößt man auf ein von Neonazis geplantes Museum vis-à-vis dem Volkswagenwerk in Wolfsburg, das am Ableben des Sponsors Jürgen Rieger scheiterte. Außerdem findet man den »Kreis deutschsprachiger Führungskräfte« in Spanien: »Wir möchten Ihnen wieder ein Kreistreffen anbieten, an dem sich die Mitglieder und Freunde des KdF abends in informeller Runde treffen können.« Als KdF finden sich in Barcelona bis heute Rüstungsmanager, Vertreter der chemischen Industrie und Bertelsmänner zusammen.

Am 27. November 1933 wurde die »NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude«, die KdF gegründet. Mit ihr sollten Arbeiterinnen und Arbeiter an das Nazisystem gebunden werden. Damit war das Versprechen auf Urlaubsreisen, bunte Abende, schöne Konzerte und den »Volkswagen« verbunden. Kraft durch Freude (KdF): Wirkungsvolle NS-Propaganda weiterlesen

Geprellte »Volksgenossen« und Zwangsarbeit

75 Jahre »Stadt des KdF-Wagen« – an diesem Wochenende feiert Wolfsburg. Aber was?

Von Hans-Gerd Öfinger, 29.6.2013, Neues Deutschland

»Beeindruckend jung« präsentiert sich Wolfsburg zur 75-Jahr-Feier. Die niedersächsische Industriestadt, Stammsitz des mit ihr gewachsenen VW-Konzerns, setzt sich als weltoffene Stadt in Szene, die ihre Geschichte sauber aufgearbeitet habe. Wolfsburg und VW geben sich als Symbiose, als Hochburg deutscher Mitbestimmungs- und Konsenskultur mit einer zufriedenen Belegschaft.

Dunkle Flecken, die in der offiziellen »Erfolgsgeschichte« ausgeblendet sind, fördert ein von Ex-VW-Betriebsrat Stephan Krull herausgegebenes Buch zu Tage. Die Grundsteinlegung für die Fabrik und die »Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben«, die erst seit 1945 Wolfsburg heißt, nahm Hitler persönlich im Mai 1938 vor. KdF steht für »Kraft durch Freude«, eine Unterorganisation der NS-Betriebsorganisation Deutsche Arbeitsfront. Tatsächlich bildete geraubtes Vermögen der 1933 von den Nazis gewaltsam aufgelösten Freien Gewerkschaften den finanziellen Grundstock für das Werk.

Krulls Buch entzaubert den Mythos »Massenmotorisierung durch Volkswagen«. Bis Kriegsausbruch wurden hier nur wenige hundert Käfer für die »Volksgenossen« produziert, danach 65 000 Militärfahrzeuge. Geprellte KdF-Sparer, die den versprochenen VW Käfer nie geliefert bekamen, klagten bis 1960 auf Schadensersatz. Auch mit dem Porsche-Kult räumt das Buch auf. Der von Hitler mit der Konstruktion eines Prototyps beauftragte Ferdinand Porsche war kein unpolitischer Technokrat. Abgesehen davon, dass sich der »geniale« Porsche das Knowhow bei Ford und US-Fachleuten besorgte, begegnen wir im Buch einem von der NS-Ideologie zutiefst durchdrungenen »Wehrwirtschaftsführer«, der bis zuletzt Durchhalteappelle verbreitete. Mit der Sklavenarbeit von Zwangsarbeitern im »SS-Musterbetrieb« konnte Porsche riesige Reichtümer anhäufen, Fundament für das Milliardenvermögen des heutigen Porsche-Piëch-Familienclans, der nach einer Übernahmeschlacht VW-Mehrheitsaktionär geworden ist. Schäbig verhielt sich der Konzern in der Frage der Entschädigung von mehr als 25 000 Zwangsarbeitern; man spielte auf Zeit und gestand bescheidene Zahlungen erst nach über 50 Jahren zu – für viele zu spät. Eine persönliche Entschuldigung haben die Familien Porsche und Piëch bis heute nicht zustande gebracht.

Anfang 1945 setzte sich Porsche mit zehn Millionen Reichsmark in der Tasche nach Österreich ab. Der Wolfsburger Betrieb ging nach der Befreiung vom Faschismus in den Besitz des Landes Niedersachsen über. Eine konsequente »Entnazifizierung« fand nicht statt. Anfang 1948 ernannte die britische Besatzungsmacht Ex-Rüstungsmanager Heinrich Nordhoff zum VW-Generaldirektor. Dass dessen Tochter 1959 Porsche-Enkel Ernst Piëch heiratete, dürfte Ausdruck weitsichtiger Heiratspolitik gewesen sein und den Wiedereinstieg des Familienclans bei VW begünstigt haben. 1960 wurden 60 Prozent der VW-Aktien an der Börse verkauft, Niedersachsen und der Bund behielten jeweils 20 Prozent. Um diese von Krull als »zweite Enteignung« bezeichnete Teilprivatisierung kosmetisch zu verbrämen, propagierten Kanzler Adenauer und Wirtschaftsminister Erhard »Volksaktien«. Mit der Beschränkung der Macht privater Anleger im »VW-Gesetz« zogen sie 1960 Belegschaft, Gewerkschaft und SPD ins Boot. 1988 privatisierte die Regierung Kohl dann den Anteil des Bundes. Was also feiert man am Wochenende in Wolfsburg?

Stephan Krull: 75 Jahre »Stadt des KdF-Wagen«/Wolfsburg. Ossietzky-Verlag. 164 S., br., 14,95 €.