Vertuscht und kassiert

Vorsprung durch Betrug? Autokonzerne und die Abgasaffäre.

Vorsprung durch Technik, lautet der zentrale Audi-Werbespot. Jetzt sieht es eher so aus, als basiere der Erfolg der Premiummarke der Volkswagen AG auf Betrug. Konzernboss Rupert Stadler sitzt in Untersuchungshaft. Und ist selber schuld. Soll er doch versucht haben, Zeugen und Mitbeschuldigte zu beeinflussen und so die Ermittlungen zu behindern: Verdunklungsgefahr.

Seine Kompagnons in Vorstand und Aufsichtsrat sind gleichermaßen verantwortlich. Sie haben ihn gewähren lassen. Und es wird deutlich, dass nicht etwa Ingenieure ohne Wissen der Topmanager Autos und Abgasmessungen manipuliert haben. Betrug hat sich in der Krise zum Geschäftsmodell entwickelt.

Ermittelt wird nicht nur bei VW und den Töchtern Audi und Porsche. Auch BMW und Daimler sind im Visier der Behörden: Fahrzeuge werden aus dem Verkehr gezogen, die Produktion teilweise gestoppt. Untersuchungen laufen bereits gegen den VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Dieter Pötsch, Vorstandschef Herbert Diess und dessen Vorgänger Martin Winterkorn und Matthias Müller sowie 50 weitere Manager.

 Das VW-Kontrollgremium hat in den drei Jahren unter Führung von Wolfgang Porsche nichts zur Aufklärung beigetragen. Im Gegensatz zu Erklärungen, man wolle »mit den Ermittlungsbehörden vollumfänglich kooperieren«, wurde gebremst, verdunkelt und vertuscht. In den USA gestand VW eine »kriminelle Verschwörung« ein. Der konzerninterne Untersuchungsbericht wird entgegen den Ankündigungen nicht veröffentlicht. »Um unabsehbaren Schaden vom Unternehmen abzuwenden.« Man ahnt, was darin steht und was Manager und Eigentümer wissen. Und inzwischen kassieren die Großaktionäre. Die Dividende aus den Betrügereien fließt zu einem großen Teil in die Schatulle des Porsche-Piëch-Clans. Allein für 2017 etwa 600 Millionen Euro.

Der Aufsichtsrat mit seiner Mehrheit von zwölf Vertretern der Beschäftigten und des Landes Niedersachsen sollte das Topmanagement von VW, Audi und Porsche unverzüglich und fristlos vor die Tür setzen und Schadenersatzforderungen geltend machen. Die hochbezahlten Angestellten behaupten noch immer, vom Abgasbetrug nichts gewusst zu haben. Entweder lügen sie oder sie sind unfähig, ein solches Unternehmen zu leiten. In beiden Fällen müssten sie sofort von ihren Aufgaben entbunden werden.

Höchste Zeit, auch gegen den »Patriarchen« Ferdinand Piëch zu ermitteln, der lange als Vorstands- und später als Aufsichtsratschef den Konzern befehligte. Die Betrugsdividende, die u. a. mit einem Bußgeldbescheid der Braunschweiger Staatsanwaltschaft in Höhe von einer Milliarde Euro vom Unternehmen abgeschöpft werden soll, müssen die Piëchs, die Porsches und die Scheichs von Katar zahlen – denn dorthin sind die VW-Milliardenprofite geflossen.

Wenn jetzt nicht bei VW und den anderen Autokonzernen umgesteuert wird, endet der Konkurrenzkampf mit Fabrikschließungen und Massenentlassungen. Die soziale und ökologische Transformation der Branche ist mit diesem Management und diesen Eigentümern nicht machbar.

https://www.jungewelt.de/artikel/334473.vertuscht-und-kassiert.html

Sehr bissig auch der Kommentar heute im Morning-Briefing des Handelblattes:

„Der verhaftete Audi-Chef Rupert Stadler ist offenbar zur Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden bereit. Am heutigen Mittwoch will der Manager auspacken. Seine Aussage muss auch der frühere VW-Boss Martin Winterkorn fürchten. Wenn einer weiß, wann der ehemalige Konzern-Chef von den manipulierten Diesel-Motoren erfuhr, dann ist es Rupert Stadler. In der Aufarbeitung des Diesel-Skandals könnte bald das Schlusskapitel geschrieben werden – mit allen Konsequenzen.“

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