Magna in Dorfprozelten. Dorfprozelten, so heißt der Ort im Mainbogen zwischen Aschaffenburg und Würzburg. Den größten Arbeitgeber im Südspessart zu verlieren, wäre ein harter Schlag gewesen, ohne jeden Zweifel.
Wenn nicht mit mehr Energie für eine andere Produktion, für den öffentlichen Verkehr, für die sozial-ökologische Transformation gekämpft wird, kommt es zur Katastrophe, zu sozialen Verwerfungen mit allen politischen Konsequenzen.
Der österreichisch-kanadische Magna-Konzern hat 170.000 Beschäftigten in 29 Ländern, 14.000 Beschäftigte in Deutschland. Diese Beschäftigten erarbeiten einen Umsatz von über 40 Milliarden Euro pro Jahr mit Rüstungsgütern und Teilen für die Autoindustrie. Das Management von Magna ist eng mit neoliberalen und konservativen Politikern verbunden – so war der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus, viele Jahre zuständig für die Verbindung von Magna zu Volkswagen mit Büro in Wolfsburg. Die im Jahr 2009 geplante Übernahme von Opel scheiterte am Widerspruch von General Motors. Geschäftliche Verbindungen gibt es zum russischen Oligarchen Oleg W. Deripaska, der seit einem Jahr auf der EU-Sanktionsliste steht. Die Tochter des Gründers und Mehrheitsaktionärs, Belinda Stronach, war kurze Zeit sogar kanadische Sozialministerin.
Das Management hatte kurzfristig angekündigt, das Werk in Dorfprozelten mit etwa 500 Beschäftigten im Jahresverlauf zu schließen und die Produktion in ein Billiglohnland zu verlagern. Ende 2022 ist bereits das Magna-Werk im mittelfränkischen Bad Windsheim geschlossen worden. Dort waren 340 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die weitgehend für ein Jahr in einer Transfergesellschaft geparkt wurden. Eigentlich hat das alles mit Transformation oder Kosten nichts zu tun, sondern „nur“ mit dem Streben nach maximalen Profiten für die Eigentümer. Der Gewinn des Unternehmens, so wurde vom Management behauptet, war im letzten Quartal des Jahres 2022 um fast 80 Prozent auf 95 Millionen Euro gesunken.
Am 10.7. berichtet die IG Metall: „Die von Magna Mirrors angekündigte Schließung des Standortes Dorfprozelten mit rund 450 Beschäftigten ist vom Tisch. Nach langen und intensiven Verhandlungen haben die IG Metall und das Unternehmen in einem Eckpunktepapier eine Standortsicherung bis mindestens Ende 2028 vereinbart.“ Der bayerische Rundfunk berichtet am gleichen Tag: „Der Standort des Automobilzulieferers Magna in Dorfprozelten im Landkreis Miltenberg bleibt erhalten. Allerdings schrumpft die Belegschaft bis 2028 um mehr als die Hälfte. Von den aktuell 453 Arbeitsplätzen werden 250 abgebaut, spätestens bis zum Jahr 2028.“ Nach einem Gespräch beim bayrischen Wirtschaftsministerium seien für erforderliche Investitionen von 10 Millionen Euro Fördergelder für neue innovative Produkte in Aussicht gestellt worden: „Uns sind Fördergelder im siebenstelligen Bereich in Aussicht gestellt worden“, so der Werkleiter. Percy Scheidler von der IG Metall appelliert an die deutschen Autohersteller mit Blick auf die Verlagerung vieler Produktionen ins osteuropäische Ausland: „Die Deutschen Autobauer müssen sich zu den Zulieferbetrieben im eigenen Land bekennen, es ihnen ermöglichen, kreativ zu sein und Gewinne zu erzielen. Wir brauchen eine starke Zulieferindustrie in Deutschland, in Bayern und hier am Bayerischen Untermain. Eine Deindustrialisierung der Region werden wir nicht weiter hinnehmen“. Der Personalumbau, so die IG Metall, wird begleitet von vereinbarten Freiwilligenprogrammen (Abfindungen) und öffentlichen Mitteln für Qualifizierung. Unter Einbeziehung der regionalen Arbeitsagentur sollen die Beschäftigten intensiv beraten und qualifiziert werden. Zudem soll das Transformations-Kurzarbeitergeld zum Einsatz kommen. Das bedeutet, dass die Erwerbslosenversicherung der Beschäftigten die Qualifizierung und eigentlich vom Unternehmen geschuldeten Lohn übernimmt.
Quintessenz: Das Glas ist halbvoll – oder halbleer?!
Ein mächtiger Konzern erklärt seine Absicht, die Produktion aus Profitgründen zu verlagern. Die Gewerkschaft und die Beschäftigten schlagen Alarm, Ministerien, Landräte, Bürgermeisterin und die Erwerbslosenversicherung machen sich lang, überreden das Management mit viel Geld und guten Worten dort zu bleiben. Am Ende gibt es eine Bestandsvereinbarung von fünf Jahren, eine Halbierung der Belegschaft und Millionen an „Fördergeldern“. Hört sich aus Unternehmenssicht paradiesisch an. Aber die Gefahr der Deindustrialisierung ist damit nicht gebannt. Die Vergesellschaftung von Unternehmen nach Artikel 14/15 sollte ernsthaft auf die Tagesordnung gesetzt werden. Deshalb wiederhole ich gerne, was ich schon öfter formuliert habe: Wenn nicht mit mehr Energie von Gewerkschaften und Sozialverbänden, von Kirchen und Klimabewegung für eine andere Produktion, für den öffentlichen Verkehr, für die sozial-ökologische Transformation gekämpft wird, kommt es zur Katastrophe, zu sozialen Verwerfungen mit allen politischen Konsequenzen. Wir sollten mehr Demokratie wagen, runde Tische und regionale Transformationsräte sollten die Initiative für die Verkehrswende und die sozial-ökologische Transformation der Industrie übernehmen!
Foto: IG Metall
Was Stephan hier richtig für den Magna-Betrieb fordert, gilt genauso für den Automobilzulieferer Continental-Teves in Gifhorn bei Wolfsburg. „Continental hatte am Freitag mitgeteilt, das Gifhorner Werk bis 2027 sukzessive herunterzufahren und dann ganz zu schließen“ (WAZ vom 8.7). Für die jetzt noch 1000 Beschäftigten nach mehreren „sozialverträglichen“ Sparrunden ein schwerer Schlag. Dazu nochmal die WAZ: „Es gilt eine Standortgarantie bis zum 31. Dezember 2025. Nun droht jedoch mit dem Auslaufen von Conti-Produkten bis 2027 eine schrittweise Reduzierung der Produktion – das sogenannte „ramp-down-Szenario“.“
Hier beginnt schon für den „Automobilcluster Wolfsburg“, was Stephan in seinem Artikel richtig ankündigt: Wenn nicht mit mehr Energie von Gewerkschaften und Sozialverbänden, von Kirchen und Klimabewegung für eine andere Produktion, für den öffentlichen Verkehr, für die sozial-ökologische Transformation gekämpft wird, kommt es zur Katastrophe, zu sozialen Verwerfungen mit allen politischen Konsequenzen.
Ein Freund schreibt zu beabsichtigten Schließungen von Conti-Betrieben:
Cont sollte wieder und mehr Fahrradreifen herstellen. Schwalbe kommt meist aus Fernost. Conti könnte den Markt neu aufstellen.
Kurze Wege kürzere Logistik für die Anfahrt zu den Herstellern Hartje, Derby, VSF etc.
Weniger Lagerzeit pro Reifen für haltbarere Qualität. Ein weiterer Nutzen der Verkehrswende sind neue Jobs im eigenen Land.
Conti könnte ein Vorzeigeunternehmen für die Verkehrswende werden.
Hoffnung für einen „beträchtlichen“ (?) Teil der Conti-Beschäftigten?
Siehe IGM Wob: https://www.igmetall-wob.de/meldung/stiebel-eltron-will-in-gifhorn-produkte-fuer-die-energiewende-bauen