Transformation und Arbeitszeitverkürzung

Können bei Volkswagen auch Straßenbahnen gebaut werden? Stichworte eines Vortrages beim Verkehrswendecamp in Wolfsburg.

Meine Fahrt am 9. Mai von Hamburg zum Verkehrswendecamp in Wolfsburg, ein anschauliches Beispiel, warum wir die Verkehrswende brauchen und wie die funktionieren kann: In Uelzen steige ich vom Metronom in den Erixx nach Braunschweig und fahre mit einem Dieseltriebwagen, weil die eingleisige Strecke nicht elektrifiziert ist, bis Gifhorn und steige in den Enno, der mich nach Wolfsburg bringt; Fahrtzeit gut drei Stunden in drei verschiedenen „nicht bundeseigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen“. Parallel zu der eingleisigen Bahnstrecke ist eine vierspurige Autobahn (BAB 39) plus Standstreifen (ca. 40 Meter breit) teils fertig, teils im Bau, teils noch in der Planung. Für die ca. 100 Kilometer zwischen Wolfsburg und Lüneburg sind 1,3 Milliarden Euro Kosten angesetzt, 13 Millionen Euro pro Kilometer. Eine Planung für den zweispurigen Ausbau der Bahntrasse (nicht halb so breit) gibt es nicht, obwohl die weniger als halb soviel Geld kosten würde.

Dann, mitten in Wolfsburg eine Botschaft vom Verkehrswendecamp auch an die Beschäftigten von Volkswagen: „Wer künftig Straßenbahnen baut, keine Arbeitsplätze klaut – tut etwas, das allen nützt, die Umwelt und das Klima schützt.“

Geht das eigentlich, in einer Autofabrik Straßenbahnen bauen?

Der öffentliche Verkehr ändert sich gerade, da wären innovative Ideen sehr willkommen. Und Busse werden benötigt, gerne elektrische. VW wollte mit Trinity gerade eine neue Autofabrik bauen. Der unsinnige Plan wurde rechtzeitig wieder abgeblasen. Nun werden Batteriefabriken gebaut mit massiven staatlichen Subventionen. Alle paar Jahre werden Fabriken für Modellwechsel umgebaut. Warum sollten da nicht auch smarte Verkehrsmittel für den öffentlichen Verkehr reinpassen? Es ist alles nur eine Frage der Prioritäten und des politischen Willens.

Nigeria bekommt demnächst 12.000 elektrische Busse geliefert – aus China.

Das Festhalten am alten Verkehrs- und Produktionssystem gefährdet wirklich Arbeitsplätze (minus 1.000 in der Produktion in Wolfsburg im letzten Jahr, minus 50.000 in der Auto- und Zulieferindustrie seit 2020), wirkt massiv negativ auf das Klima. Deshalb brauchen wir die Verkehrswende, die Energiewende, eine andere Produktion und eine Abkehr von der Jagd nach Maximalprofiten, stattdessen eine Orientierung an den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen.

Vorbemerkung 1:

Ex-Audi-Chef Stadler legt Geständnis ab – nachdem er und alle anderen Vorstände seit 9/2015 behauptet haben, von nix gewusst zu haben.

Organisierte Kriminalität, millionenfacher Abgasbetrug, Extra-Profite, Behinderung der Justiz und jetzt, nach 180 Verhandlungstagen und der Androhung einer Gefängnisstrafe, will der ehemalige Audi-Chef ein vollumfängliches Geständnis ablegen.

Das ganze Betrugsmanöver ein Kapitalverbechen, um das alte Geschäftsmodell noch ein paar Jahre weiter laufen zu lassen und eine Sabotage der Verkehrswende.
Der VW-Konzern will 5 Milliarden Euro für eine Batteriefabrik in Kanada investieren – und bekommt Subventionen in Höhe von 9 Milliarden Euro dazu.
By the way: In der Bilanz von Volkswagen, am 10.5. ist Aktionärsversammlung in Berlin, stehen Gewinnrücklagen von über 130 Milliarden Euro. Ein Fest für die Großaktionäre, für den Porsche-Piëch-Clan.


Vorbemerkung 2:

Was ist Eigentum, woher kommt es?

Was tun mit derartiger Verantwortungslosigkeit und organisierter Kriminalität?

Vergesellschaftung nach Art. 14/15 GG; analog im § 2 der Satzung der IG Metall.

Vor 70 Jahren – nach der Katastrophe von Faschismus und Krieg war das gesellschaftlicher Konsens. Im Grundgesetz ist nicht definiert, wie die Wirtschaft aussehen soll. Konkret das Volkswagenwerk war, nach Verbot und Auflösung der verbrecherischen NS-Organisationen zunächst unter britischer Verwaltung und wurde 1949 treuhänderisch der Bundesrepublik Deutschland überlassen. Ab 1960 erfolgte die teilweise Privatisierung in zwei Schritten – heute gehören mehr als 53 Prozent der Stammaktien dem Porsche-Piëch-Familienclan. DieVergesellschaftung von Unternehmen ist, wenn sie nicht dem Allgemeinwohl dienen, im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen.

I. Transformation zwecks Klimaschutz / Mobilitätswende

Digitalisierung und E-Auto sind keine Transformation, sondern „normale“ (disruptive), von Menschen gemachte und am Profit orientierte technologische Entwicklungen.

Transformation wäre Umbau der Autoindustrie – Abschmelzen der Autoproduktion, hochfahren Schienenfahrzeuge/Busse, Ausbau des Schienennetzes.

Dazu brauchen wir einen Gesellschaftlicher Konsens und strikte Regulation, ähnlich und besser als bei Kohle und Atom.

ÖPNV als Pflichtaufgabe der Kommunen, damit nicht nach Kassenlage gekürzt wird.

Maximal 60 Minuten bis zur nächsten Stadt (wie PKW/Autobahn), dichtere Takte auch abends und am Wochenende, mehr P&R, 9€ > 0€-Tickets, Nahverkehrsabgabe, Gute Arbeit und guter Lohn im ÖV, inklusiv barrierefrei!

Strategische Ziele in Verkehrspolitik definieren (statt auf „Prognosen“ zu reagieren) – weniger Autos, mehr ÖV (weil es Platz schafft, sozial gerechter und umweltverträglich ist).

Auto unattraktiv machen (Regulation: Tempolimit, progressive KFZ-Steuer, keine Subventionen), ÖV attraktiv machen.

Ist das in unseren Fabriken möglich? Ja! (regelmäßige Produktwechsel, Friedens-/Kriegsproduktion, Kohleabbau – Wind-/Sonnenenergie Aufbau)

Geringerer Profit – gesellschaftlicher Mehrwert

Beschäftigung: minus 1.000 in Fertigung Wolfsburg, minus 50.000 in Auto(zuliefer)industrie (Opel, ZF, Mahle, Bosch, Conti und viele kleine Zulieferbetriebe, keine Daten 2022 vom vda)

Nichthandeln gefährdet Industriestandort!

Absatz E-Autos stagniert, Konkurrenz aus China wächst – Autoindustrie hat keinen Plan B.

Das Neue ist umkämpft – Verkehrswende vs. „Weiter so“ mit Abbau Schienenfahrzeugbau (Alstom), Einschnitten für die Beschäftigten (Alstom Bautzen, „Verzicht“ auf Urlaubsgeld, bis Vorgaben erreicht werden), mit Subventionen (9 Mrd. in Kanada), „autonomen fahren“, E-Fuels (FDP > Klimaleugner).

II. Arbeitszeitverkürzung

45 Mio. Erwerbstätige – so viel wie nie zuvor.

Aber: Immer noch mehr Erwerbslose als offene Stellen.

Produktivitätsentwicklung Industrie ca. 5%, Autoproduktion ca. 10 % pro Jahr.

Kurze Geschichte der Arbeitszeit – umkämpft, stärker als der regelmäßige Kampf um mehr Lohn.

  • Vor 1850: 82h/Woche
  • 1848: 10-Stunden-Gesetz in England
  • 1918: 8-Stunden-Tag als ein Ergebnis der Novemberrevolution
  • 1965-1974: 5-Tage-Woche

1985: 35h/Woche in der Metall- und Druckindustrie

1994: 28,8 bei VW

2003: Niederlage im kampf um die 35-Stunden-Woche im Osten Deutschlands

2023: 4-Tage-Woche Stahlindustrie ab November (als Vorreiter)

Erfahrung 6-Stunden-Tag in Wolfsburg

4-Tage-Woche? Immer mehr Unternehmen bieten sie an!

15-Stunden-Woche? Vom Ökonomen J. M. Keynes für das Jahr 2030 vorausgesagt!

20-Stunden-Woche? Langjährige Forderung der Frauenbewegung!

25-Stunden-Woche? Steht sogar im SPD Programm!

6-Stunden-Tag? Erfolgreich erprobt in Schweden!

Es ist an der Zeit: kollektive Arbeitszeitverkürzung, volle Lohnausgleich – Kurze Vollzeit für alle!

Stahl: Kampf um die Vier-Tage-Woche (- minus 3 Stunden, von 35 auf 32 Stunden)

Fachkräftemangel? – strategisch nutzen! > gute Bildung/Ausbildung, gute Arbeit, gutes Entgelt (Tarifbindung), soziale Infrastruktur (Kitas, Horte, verlässliche Schule etc.), Wohnungsangebot.

Gesundheit – zu viel Arbeit macht krank – keine Arbeit macht krank. Psychische Erkrankungen

prekäre Arbeit / Erwerbslosigkeit, Gerechtigkeit

Gutes Leben für alle

Ökologie – Klimaschutz

Demokratie braucht Zeit.

Lohnausgleich – Unterstützung für kleine Betriebe / BA-Kosten ca. 50 Mrd. Pro Jahr.

Personalausgleich? > Arbeitsverdichtung, Mitbestimmung Personal- und Leistungsbemessung

Es gibt Bereiche, in denen ein Personalausgleich nicht erfolgen sollte, nämlich in den Industrien, die teils drastisch reduziert werden müssen: Kohle, Auto inklusive Straßenbau, Rüstung, Werbung. Und dann gibt es Bereiche, in denen Beschäftigung drastisch aufgebaut werden muss: Gesundheitswesen, Bildungswesen, öffentliche Verwaltungen, Schienenfahrzeug- und Infrastrukturbau. Umverteilung von Zeit, Arbeit und Reichtum

Der Sinn von Arbeitszeitverkürzung besteht darin, die Zeit zu verkürzen, in der der Unternehmer die Gelegenheit hat, die primäre Ausbeutung zu organisieren und zu steigern (Direktionsrecht).

III. Darum geht es jetzt:

Niemand mag disruptive Veränderungen, aber Mobilität und Produktion müssen sich verändern.

  1. Aufbau von regionalen Transformationsräten aus Gewerkschaften, regionaler Politik, Umwelt- und Verkehrsverbänden, Energie- und Verkehrswendeinitiativen, die gesellschaftliche Foren initiieren und direkten Einfluss auf die sozial-ökologische Transformation der Produkte in der gesamten Mobilitätsindustrie nehmen. Förderung dieser regionalen Transformationsräte und gesellschaftlicher Foren aus dem Zukunftsfonds Automobil.
  1. Forcierung und Unterstützung lokaler Initiativen und Bündnissenfür die sozial-ökologische Transformation von Autoindustrie und Mobilität.
  1. Auf- und Ausbau (gemeinwirtschaftlicher) Unternehmen, die die Lücken in der derzeitigen Mobilitätsindustrie für den smarten Bus-, Schienen- und Güterverkehr füllen: Das ergibt eine sinnvolle Kompensation von wegfallenden Arbeitsplätzen. Ergänzend: Vergesellschaftung von Unternehmen, die die Verkehrswende blockieren nach Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes.
  1. Reform von Straßenverkehrsordnung und -gesetz, sodass Kommunen ermächtigt werden, sozial-ökologische Maßnahmen wie Tempolimits, Busspuren und anderes mehr zu beschließen und umzusetzen.
  2. Eine europäische Industriepolitik zum Aufbau einer europäischen Mobilitätsindustrie für den so notwendigen Bau von Bussen und Schienenfahrzeugen. Die Möglichkeit der Direktvergabe (public service obligation) für den ÖPNV und die Bahn muss weiterhin erhalten bleiben.

Ein Gedanke zu „Transformation und Arbeitszeitverkürzung“

  1. Ganz genau. Wir dürfen VW nicht so weiter wurschteln lassen. 1. Sie machen zu viel kaputt, verbrauchen zu viele Ressourcen, Arbeitskraft, Rohstoffe, Geld. Da alles brauchen wir dringend für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Schreibe einen Kommentar zu Eva Brunnemann Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert