Vom Auto zur intelligenten Mobilität im ländlichen Raum

Der Autoverkehr hat in den letzten 20 Jahren keinerlei Beiträge zur Reduzierung der CO₂-Emissionen geleistet. Unstrittig ist, dass sich das ändern muss.

In den Debatten zur Mobilitätswende spielen ländliche Räume und die Mobilitätsbedürfnisse in diesen Räumen eine große Rolle. Wie bestellt hat jetzt (14.4.2021) die ganz unverdächtige Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen-Anhalt zusammen mit der Volkshochschule des Altmarkkreises Salzwedel genau zu diesem Thema eine Veranstaltung angeboten: „Vom Auto zur intelligenten Mobilität im ländlichen Raum“. Der Titel beschreibt schon mal einen Weg und ein Ziel: Soweit als möglich weg vom motorisierten Individualverkehr hin zu intelligenter Mobilität. Die Mobilitätszwänge und -bedürfnisse werden selbstverständlich gesehen und respektiert. Dennoch muss sich etwas ändern, wenn die gesetzlich vereinbarten Klimaziele überhaupt noch erreicht werden sollen.

Zentral war der Vortrag von Dr. Melanie Herget vom Institut für Verkehrsplanung und Verkehrssystem der Universität Kassel. Ich kann hier nur kurz darlegen und dokumentieren, was sie ausgeführt hat – auf jeden Fall lohnt eine Vertiefung der Debatte. Dabei kann sie sicher sehr behilflich sein.

In ländlichen Regionen, noch dazu in dünn besiedelten wie zum Beispiel der Altmark, sind viele Menschen auf das Auto angewiesen – weil es wenige und meist unbeleuchtete Radwege gibt. An überörtlichen Straßen weniger als ein Viertel, in Sachsen-Anhalt gar nur 13,2 Prozent.

Menschen sind auf das Auto angewiesen, weil es, soweit überhaupt, ein sehr knappes Angebot von öffentlichem Personenverkehr (ÖPNV). Die Bahnstrecken sind meist stillgelegt, teils schon abgebaut. Die Busse fahren selten, unregelmäßig, zu ungünstigen Zeiten, lange Umwege und keineswegs immer zum eigentlichen Ziel. Dadurch entsteht im Rest-ÖPNV gegenüber dem Auto ein erheblicher Zeitverlust.

Die Referentin empfiehlt dringend den Ausbau des ÖPNV und spricht sich für Mindesterreichbarkeitsstandards aus. Von mitdiskutierenden Landrat kommt sofort Widerspruch mit dem Kostenargument. Melanie Herget weist auf die Möglichkeit einer Nahverkehrsabgabe hin. Aber das interessiert den CDU-Politiker sowenig wie den Geschäftsführer der Nahverkehrsgesellschaft. Für mich kommt als ein weiteres wesentliches Argument hinzu, dass Mobilität ein existenzielles Bedürfnis und ein Grundrecht ist, das als Teil der Daseinsvorsorge garantiert werden muss. Zweitens schlägt die Referentin vor, Restriktionen für den Autoverkehr zu etablieren. Zu diskutieren ist natürlich die Schrittfolge: Erst das Angebot substanziell verbessern, dann Restriktionen. Und über soziale Aspekte ist dabei ebenso zu sprechen wie über die ökologischen Wirkungen.

Der interessanteste Teil sind dann die Vorschläge für eine andere, eine „intelligente“ Mobilität, die heute schon umgesetzt werden können: Die Vermeidung von Verkehr durch dezentrale und / oder mobile Versorgung im ländlichen Raum, das Bündeln oder Teilen von Auto und Verkehr sowie der Ausbau und die Verbesserung von Rad- und Fußwegen.

Zum Bündeln (Pooling) gehört auch die Reaktivierung von Schienenstrecken, die dann vor allem auch für den Güterverkehr genutzt werden können. Hier wies die Referentin auf die Reform des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) hin: Schienenverkehrs-Reaktivierung ist als Fördermöglichkeit in das Gesetz aufgenommen worden, das Mindestvolumen wurde reduziert, die Förderquote auf 75 bis 90 Prozent erhöht. Am Beispiel Sachsen-Anhalt wurden dann acht konkrete Vorschläge präsentiert, bei denen es um die Erschließung von bisher unterversorgten Regionen, um die Erschließung weiteren Fahrgastpotenzials, um die Entlastung bestehender Verkehrswege und um die Erschließung touristischen Potenzials geht.

Die Mobilitäts- oder Verkehrswende ist vielschichtig:

Es geht um das Verkehrsmittel und den Ausbau entsprechender öffentlicher Angebote.

Es geht um Verkehrsreduzierung – insbesondere von Flugverkehr.

Es geht um verbrauchsarme Fahrzeuge. Hierzu schlug die Referentin eine Bonus-Malus-Regelung im Rahmen der KFZ-Steuer vor.

Eine Vertiefung der Debatte ist dringend, um die Klimaziele zu erreichen. Dazu müssen Alternativen zum Auto her, damit die Menschen in ländlichen Räumen mitmachen und diese Räume attraktiver werden.

Die Referentin Dr.-Ing Melanie Herget ist erreichbar unter der Mailadresse m.herget@uni-kassel.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert