Kneipe zu – Autohaus auf?

Autokonzerne wollen Krisenverluste sozialisieren – Produktion soll wieder anlaufen.

Volkswagen, BMW und Daimler haben angekündigt, die Produktion wieder hochzufahren. Das Infektionsschutzgesetz oder Verordnungen von Bundes- und Landesregierungen hindern sie nicht daran – ebensowenig wie die Pandemie der Grund für den Stillstand der Bänder war. In der technischen Entwicklung und Verwaltung wurde die Arbeit großteils nie unterbrochen.

Es waren und sind die drastischen Nachfragerückgänge vor Corona, die zur Kurzarbeit geführt hatten. Die Unterbrechung der Fertigung von Autos war deshalb hochwillkommen. Ein Audi-Vorstandsmitglied erklärte am 18. März im Focus: »Weltweit eingeschränkte Nachfrage und Lieferengpässe zwingen uns, den Antrag auf Kurzarbeit zu stellen«.

Und nun bleiben Kindergärten, Kneipen, viele Schulen und größere Warenhäuser geschlossen, Sonderregelungen gibt es jedoch unter anderem für den Kraftfahrzeughandel – schließlich müssen die gebauten Autos ja auch verkauft werden. Autohäuser dürfen öffnen, auch wenn die Verkaufsfläche größer als 800 Quadratmeter ist. »Gerade die Ausnahmen für den KfZ-Handel sind für das Autoland Niedersachsen wichtig«, erklärte kürzlich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Die Beschäftigten seien hoch motiviert, sagen Betriebsräte. »Wir sorgen dafür, dass die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt und wieder Autos aus den Werken zu den Händlern und zu unseren Kunden gelangen«, sekundierte VW-Produktionsvorstand Andreas Tostmann am 16. April in der Wolfsburger Allgemeinen. Der Produktionsanlauf soll entsprechend der verfügbaren Teile und der Entwicklung in den Märkten »wohlgeordnet« erfolgen – also doch sehr gebremst. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass für große Teile der Belegschaft weiterhin Kurzarbeit verordnet werden kann – dafür werden dem VW-Konzern für drei Wochen Kurzarbeit etwa 600 Millionen Euro Lohnkosten aus der Arbeitslosenversicherung erstattet.

Aber damit nicht genug: Die Autoindustrie ist bei der Bundesregierung mit einem »virtuellen Autogipfel« und bei der EU-Kommission mit ihren Forderungen nach Subventionen und Deregulierung von Sicherheits-, Arbeits-, Klima- und Umweltstandards auf offene Ohren gestoßen. Neben Weil macht sich auch der Ministerpräsident Bayerns, Markus Söder (CSU), für Programme wie die »Abwrackprämie« aus 2009 stark – sie nennen sie nun »Innovationsprämie«. Stefan Wolf, Vorstandsmitglied des Verbandes der Automobilindustrie, spricht in diesem Zusammenhang von 20 Milliarden Euro Staatshilfe und einem Verzicht der Beschäftigten auf den Sommerurlaub. Die Absicht der Eigentümer scheint klar, die »Krisenverluste« der vergangenen Monate mit staatlicher Unterstützung aufzufangen.

Der Präsident des Kieler Institutes für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, hält Autokaufprämien für nicht sinnvoll. Bei den enormen Ausgaben, die jetzt auf die Steuerzahler zukämen, sei es wichtig, zielführende Programme aufzulegen. Im Falle von Kaufanreizen für Autos sehe er das nicht: »Wir sollten jetzt nicht in die Falle laufen, dass wir Branchen, die jederzeit gerne ein bisschen Konjunkturprogramm hätten, jetzt auch Geld auf den Tisch legen«, sagte er am 14. April gegenüber dem Deutschlandfunk.

Während die Beschäftigten um ihre Jobs bangen, bekommen Autokonzerne aus der Arbeitslosenversicherung Milliarden an Personalkosten erstattet und erhalten Manager weiter hohe Gagen. Die »Big three« Volkswagen, BMW und Daimler haben im zurückliegenden Jahr rund 25 Milliarden Euro Gewinne eingefahren – und die Eigentümer, die Porsches und Piëchs, Quandts und Klattens, die Scheichs von Katar und Kuwait kassieren noch fettere Dividenden.

https://www.jungewelt.de/artikel/376599.automobilbranche-in-der-brd-in-der-h%C3%A4ngematte.html

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