Autowelt: Panik und Fortschrittsglaube

Die Krise der Autoindustrie ist unübersehbar: Marktsättigung, Absatzeinbrüche, Endlichkeit der Ressourcen und dringend zu erreichende Reduzierung von Schadstoffemissionen führen zu technischen und ökonomischen Problemen für die Manager und zu existenziellen Ängsten bei den Beschäftigten. Das schärfste Argument dabei sind die drohenden Strafzahlungen, wenn die beschlossenen Grenzwerte für den durchschnittlichen Flottenverbrauch eines Herstellers überschritten werden – wobei Hersteller tatsächlich Konzerne sind, nicht einzelne Marken; also z.B. der VW-Konzern inklusive aller Marken, nicht aber die Marke Porsche als Teil des VW-Konzerns. Mit welchen Schwierigkeiten sie dabei zu kämpfen haben, wird am Baustopp des e-Audis in Brüssel ebenso deutlich wie an der Verschiebung der Markteinführung des VW ID3. Deshalb bauen alle Konzerne neben SUV‘s und Luxusautos eben auch kleine Fahrzeuge und wollen bzw. müssen zunehmend Elektroautos bauen und verkaufen sowie Sharing-Dienste entwickeln, um selbst Verkehre zu organisieren und über die Skaleneffekte überhaupt Gewinne realisieren zu können. Alles ein einziges Vabanque-Spiel.

Als „Ausweg“ wird die Elektromobilität gepriesen und von der Bundesregierung massiv mit Milliardenbeträgen gefördert – bisher ohne durchschlagenden Erfolg bisher. Das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 auf den Straßen wurde grandios verfehlt. Es sind aktuell weniger als 70.000 E-Autos im Verkehr, die meisten davon übrigens von Tesla (sehr große Fahrzeuge) und von Renault (sehr kleine Fahrzeuge). Das neue Ziel, bis 2030 etwa 10 Millionen E-Autos in den Verkehr zu bringen, also etwa 20 Prozent aller PKW, erscheint vor diesem Hintergrund als Wunschdenken und Blütentraum.

Offene Fragen der E-Autos

Wenn den Beschäftigten nun vorgeschlagen wird, dem Umstieg auf Elektromobilität zu vertrauen, kommen alle falschen Argumente von den Protagonisten der Autoindustrie: Die Ladeinfrastruktur sei schon sehr gut, es gäbe mehr Ladesäulen (30.000) als Tankstellen. Tatsächlich ist die Ladeinfrastruktur lediglich in den Metropolen sowie in West- und Süddeutschland einigermaßen dicht – im Norden und im Osten klaffen große Lücken. Die Ladedauer sei vertretbar, da der Stopp an Tankstellen heute ja auch häufig genutzt würde, um einen Kaffee zu trinken. Die Ladedauer selbst an sogenannten Schnellladesäulen dauert etwa 30 Minuten. Strom sei genügend vorhanden, wenn die erneuerbaren Energien nur ausgebaut würden und die Lastverteilung intelligent gesteuert würde. Einen Zusammenhang zwischen höherem Strombedarf und den Strompreisen gäbe es gar nicht. Zu erwartende Verluste von Arbeitsplätzen seien zu verschmerzen, weil auch neue Arbeitsplätze entstehen würden. Tatsache ist aber, dass gegenwärtig viele Milliarden Euro in die E-Mobilität rein spekulativ investiert werden. Volkswagen baut die Werke in Zwickau, Emden und Hannover sowie weitere 15 ausländische Standorte zu reinen Elektrofabriken um und plant den Verkauf von etwa 20 Millionen E-Autos in den nächsten fünf Jahren. Dazu muss gesagt werden, dass die Volksrepublik China die Förderung von Elektroautos gerade reduziert hat. (Stuttgarter Zeitung, 26.2.2020: Die globale Nachfrage nach E-Autos stagniert). Ein E-Auto von Volkswagen wird aber nicht unter 30.000 Euro in der Basisversion angeboten werden – mit ein bisschen sinnvollem Zubehör ist man dann schnell bei 35.000 Euro. Fahrzeuge mit stärkerem Motor und größerer Reichweite kosten in der jeweiligen Basisversion aber schon deutlich über 40.000 Euro – nicht anders ist es bei BMW und Daimler.

Weitere Fragen von Beschäftigten beziehen sich auf Möglichkeiten der Konversion zum Beispiel hin zu Fabriken, die anderes als Autos für den privaten Gebrauch zu bauen: Welche Produkte könnten das sein, wer bezahlt den Umbau und wer kauft und bezahlt die neuen Produkte? Weder die Industrie noch Gewerkschaft oder Betriebsräte haben darauf bisher Antworten – sie arbeiten auch nicht wirklich an solchen Konzepten der Konversion.

Dabei wäre es höchste Zeit

Wenn das mit den Elektroautos in Massen nicht klappt, gibt es ein heftiges Erdbeben in der Autoindustrie in Europa. Wegen der Refinanzierung der riesigen Investitionen sind Skaleneffekte und somit ein durchschlagender Markterfolg für die Konzerne unerlässlich.

Der Umbau vom MIV zum ÖPNV und SPV dauert vielleicht 10 Jahre – aber wenn jetzt nicht begonnen wird, kippt nicht nur das Klima, sondern es schließt sich das Zeitfenster für die Mobilitätswende. Jetzt sucht die Bahn tausende Lokführer*innen – demnächst mag und kann vielleicht niemand mehr Bahn fahren, weil von Verlässlichkeit und Pünktlichkeit nichts übrig bleibt. Jetzt dauern Bestellungen von Verkehrsmitteln für den ÖPNV und den SPV zu lange, bis zu fünf Jahren, weil die Produktionskapazitäten nicht vorhanden sind, sondern aufgebaut werden müssen. Das erfordert Planbarkeit für den Umstieg, die jetzt geschaffen werden muss durch gesicherte Auftrage und gesicherte Finanzierung.

Überführung in Gemeineigentum

Die IG Metall fordert dazu völlig zu Recht „Auffanglösungen für Betriebe“, die in der Krise stecken. Dabei ist die Gewerkschaft aus guten Gründen skeptisch, dass sich dieses privatwirtschaftlich regeln lässt: „Das kann nur staatlicherseits organisiert werden“, sagt der Bezirksleiter Thosten Gröger aus Hannover. Natürlich müssen mit einer solchen staatlichen Förderung und Garantie Mitbestimmung und Wirtschaftsdemokratie verbunden werden – nicht private Verfügungsgewalt über öffentliche Gelder, keine Bereicherung der ohnehin schon Reichen. Es geht um Entscheidungen in diesem Prozess, die am besten durch direkte demokratische Beteiligung vieler Menschen sowie durch Zukunfts- und Mobilitätsräte aus Gewerkschaften, Umwelt- und Verkehrs- und Verbraucherverbänden, Gebietskörperschaften und Unternehmensvertretern gebildet werden sollten.

Die IG Metall hat recht: privatwirtschaftlich wird das nicht geregelt werden können, weil die Interessen der Eigentümer nach maximalem Profit kollidieren mit den Interessen der Öffentlichkeit nach ökologischer, klimagerechter und sozialer Mobilität. Also geht es dabei auch um die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und um die Beantwortung der Frage: Wer entscheidet über unser Leben, über unsere Arbeit, über unsere Mobilität, über das was und wie der Produktion! Sowohl das Grundgesetz (Art. 14/15) als auch die Satzung der IG Metall (Paragraf 2) sehen die Überführung in Gemeineigentum vor, wenn das private Eigentum an Produktionsmitteln der Allgemeinheit nicht nutzt. Gewinnen wir so das Primat der Politik und der demokratischen Gesellschaft zurück?

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