Amazon – Nein Danke!

Was hat Magdeburg von Amazon?

Seit mehr als einem Jahr wird über die Ansiedlung eines Logistikzentrums von Amazon in Magdeburg oder in Stadtnähe geredet – inzwischen wird im Gewerbegebiet Osterweddingen vor den Toren der Landeshauptstadt gebaut. Angeblich werden 15 Millionen Euro investiert in eine Halle von 200 x 500 Metern, einen Abstellplatz für LKW und Kleintransporter sowie Lagertechnik und IT in der Halle. Anfänglich prahlte Amazon, es würden bei Magdeburg 2.200 Arbeitsplätze schaffen, so sind es inzwischen nur noch 100 direkte Arbeitsplätze.

War anfänglich euphorisch davon die Rede „Amazon will bei Magdeburg 2.200 Arbeitsplätze schaffen“ (Volksstimme, 27.10.2018: „Was hat Magdeburg von Amazon“), so ist inzwischen nur noch von gut 100 direkten Arbeitsplätzen und 300 Fahrern „bei Lieferpartnern“ die Rede (Volksstimme, 24.12.2019: „Amazon bringt über 400 Jobs nach Magdeburg“). Das für 15 Millionen Euro keine 2.200 Arbeitsplätze entstehen, hätte jede halbwegs mit Betriebswirtschaft vertraute Person ausrechnen können – nicht jedoch der CDU-Wirtschaftsdezernent Rainer Nitsche aus Magdeburg. Auf die Frage der Volksstimme, was Magdeburg sich von den 2.200 direkten Arbeitsplätzen erhofft, antwortet er: „In Zahlen kann ich das nicht ausdrücken. Aber genau auf diesem Feld arbeiten wir derzeit, um bei Großansiedlungen möglichst viel Wertschöpfung in Magdeburg zu halten oder hierher zu holen“. Was in einem Logistikzentrum an Wertschöpfung entsteht, bleibt wohl das Geheimnis dieses CDU-Experten.

Aus der Amazon-Ansiedlung ergeben sich mehrere kritische Fragen:

  • Wie sind die Arbeits- und Entgeltbedingungen für die Beschäftigten?
  • Was kommt für die Kommunen dabei raus?
  • Wie wirkt sich das auf den Verkehr und die Umwelt aus?

Die Arbeits- und Entgeltbedingungen will Amazon in Gutsherrenart selbst und allein bestimmen. Der zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretär Torsten Furgol sagt dazu: „Amazon weigert sich, einen Tarifvertrag mit uns zu verhandeln. Wir sind dran und wir bleiben dran, wie an anderen Standorten auch“ (MDR, 31.3.2019) – es wird also Auseinandersetzungen um die Arbeitsbedingungen geben.

Die Rede ist von einem Stundenlohn von 11,10 Euro; vergleichbare Tätigkeiten im Handel werden unter tariflichen Bedingungen mit ca. 15 Euro plus Urlaubsgeld, plus Jahressonderzahlung, plus vermögenswirksame Leistungen vergütet. Im Jahresverlauf addiert sich die Differenz bzw. der Extraprofit für Amazon-Boss und Multimilliardär Jeff Bezos auf über 6.000 Euro pro Beschäftigten oder auf 600.000 Euro bezogen auf die hundert Beschäftigten im Lager in Osterweddingen.

Der MDR berichtet: „Eigentlich sollte es im Dezember soweit sein. Doch nun verzögert sich die Fertigstellung des neuen Amazon-Logistikzentrums in Osterweddingen bei Magdeburg. Schuld ist der Einsatz einer neuen Technologie in der Halle. Dadurch entstehen aber auch deutlich weniger Jobs als geplant“. Arbeitskräfte wurden bisher nicht eingestellt, nicht einmal werden Arbeitsstellen ausgeschrieben. Die erste „bevorzugte Qualifikation“ des gesuchten Standortleiters lautet: „In akuten Fällen bist du bereit in der Nachtschicht zu unterstützen“ – natürlich nach den 12 Stunden, die er schon am Tage gearbeitet hat. Angesichts solcher bevorzugter Qualifikation können wir uns vorstellen, welche unanständigen Anforderungen an die gewöhnlichen Beschäftigten gestellt werden. Aber man muss ja nicht jede Arbeit annehmen, schließlich geht es um gute Arbeit und um gutes Leben für alle!

Standorte gegeneinander ausgespielt

Interessant in diesem Zusammenhang, dass zeitgleich mit dem Bau des Logistikzentrums in Magdeburg etwa 500 Stellen im Logistikzentrum in Leipzig abgebaut wurden (mdr, 2.4.2019) – am Ende und volkswirtschaftlich betrachtet bestenfalls ein Nullsummenspiel, in dem ein Standort gegen einen anderen Standort ausgespielt wird.

Offen ist weiter, ob die „Lieferpartner“ nicht scheinselbständige Fahrer sein werden, weil ihre Routen sehr genau durch eine „Amazon-eigene intelligente Routenplanung“ bestimmt werden und sie unter permanenter Kontrolle durch Amazon sind.

Der Bürgermeister der Gemeinde Sülzetal, zu dem das Gewerbegebiet gehört, freut sich über die „bis zu 2.000 Arbeitsplätze“, hat aber zugleich die Sorge, dass die Gemeindekasse leer ausgeht. Wichtig sei eine schnelle Änderung des Steuergesetzes. Unternehmen sollten dort Steuern zahlen, wo die Betriebe stehen und nicht dort, wo der Hauptsitz des Unternehmens ist. Dann gäbe es in den Orten auch keine Diskussion mehr darüber, ob Schulen oder Schwimmbäder erhalten werden können (mdr, 31.3.2019). Das größte Problem: Die Kommune steckt trotz Gewerbegebiet tief in finanziellen Problemen und muss ein Programm zur Haushaltskonsolidierung fahren. Eine der Ursachen: Der überwiegende Teil der Unternehmen führt die Gewerbesteuer, falls überhaupt, woanders ab. Dieses Schlupfloch müsse der Bund schließen. „Es kann nicht sein, dass die Lastwagen unsere Straßen und Brücken kaputtfahren, die Kosten für eine Sanierung dann aber an uns hängenbleiben“, so der Gemeindebürgermeister.

Die Gemeinde ist also in Vorleistung gegangen mit der Erschließung des Grundstückes und der Ertüchtigung von Straßen und Brücken für dieses Logistikzentrum von Amazon; wahrscheinlich gab es weitere Zuschüsse von Stadt, Land, Bund und EU für diese Ansiedlung. Aber was kommt von Amazon zurück?

Schließlich das Verkehrsproblem, genauer gesagt die extreme Erhöhung des gesamten Verkehrsaufkommens und die Konzentration davon auf die Gemeinde bzw. auf den Ortsteil Osterweddingen. Mehr als 20.000 LKW-Bewegungen täglich und künftig noch alle fünf Minuten eine Kleintransporter zusätzlich, der raus oder rein fährt. Pro Nacht zusätzlich 18 Lkws, die die Ware in das Amazon-Lager bringen – daraus bedingt übrigens auch überwiegend Nachtarbeit für die 100 Personen, die dort arbeiten sollen.

Die pulsierende Hauptverkehrsader, so berichtet die Volksstimme (19.12.2018), durch das Gewerbegebiet – die „Lange Göhren“ – ist an ihrer Belastungsgrenze angelangt. Eine Entlastungsstraße ist bereits geplant. Die Brücken, die ins Gewerbegebiet führen, ächzen unter dem Gewicht der Lastwagen. Nach Möglichkeiten für eine neue Anbindung des Gebiets sucht derzeit eine Arbeitsgruppe, in der Gemeinde, Landkreis, Wirtschafts- und Verkehrsministerium und die Grundstücksfonds Sachsen-Anhalt GmbH (GSA) miteinander kooperieren.

Aber es geht nicht nur um die unerträgliche Belästigung für die Anwohnerinnen und Anwohner, es geht nicht nur um Lärm und um die Reparatur der Straßen und Brücken – es geht auch um die Umweltbelastung durch hunderte LKW und hunderte Kleintransporter jeden Tag. Und wenn die Pressesprecherin von Amazon erklärt, demnächst fahren nur noch Elektroautos für Amazon, so ist damit kein einziges Verkehrsproblem und übrigens auch kein Umweltproblem gelöst.

Vernichtung neuwertiger Waren

Schließlich noch das Problem, dass Retouren, also wieder zurückgegebene Kundenware, bei Amazon keineswegs entsprechend ihrem Wert pfleglich behandelt wird. Nein, neuwertige Ware wird verschrottet, weil das billiger ist, als sie nochmals zum Verkauf anzubieten. Und verschenken etwa an Personen, die es nötig hätten, kommt für Amazon schon gar nicht in Frage. Recherchen des NDR belegen, dass der Versandhändler Amazon im großen Stil Neuwaren auf den Müll wirft. Gerade vor den Feiertagen war die Meldung, dass Amazon ganze Lkw-Ladungen neuwertiger Waren vernichtet, ein Aufreger; ein abscheuliches Beispiel der Wegwerfgesellschaft. „In dem Skandal um vernichtete Neuwaren bei Amazon spiegelt sich also der grundsätzliche Irrsinn des Kapitalismus. Denn unsere Wirtschaftsform ist nicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet, sondern orientiert sich in erster Linie am Profit. Amazon und Drittanbieter, die mit Amazon zusammenarbeiten, handeln hier nicht anders als alle gewinnorientierten Unternehmen: Sie blicken allein auf die Zahlen. Amazon ist so gesehen nicht Ursache, sondern lediglich Ausdruck eines im Kern an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichteten Wirtschaftssystems“. (Sebastian Friedrich, NDR Info, 20.12.2019).

Es bleibt nicht viel von den vollmundigen Ankündigungen, von 2.200 gut bezahlten Arbeitsplätzen und blühenden Stadt- und Gemeindekassen. Das Land und wir, die Bürgerinnen und Bürger, zahlen dafür, dass Jeff Bezos noch reicher wird, als er schon ist. Wir zahlen dafür, dass unsere Innenstädte immer weiter veröden, dass der Einzelhandel durch Amazon & Co., durch schlechte Arbeitsbedingungen und miesen Lohn kaputt konkurriert wird. Was also spricht dafür, dass Amazon nach Magdeburg kommt? Wir werden die Auseinandersetzungen dazu in den nächsten Monaten erleben und aktiv begleiten.

80.000 Euro staatlicher Zuschuss für jeden Arbeitsplatz?

Mit 180 Mio. Euro Wirtschaftsförderung und Investitionszuschüssen hat das arme Land Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr 200 Investitionsvorhaben bezuschusst. Daraus entstanden, so der Wirtschaftsminister, 2.200 Arbeitsplätze. Umgerechnet bedeutet das, dass jeder Arbeitsplatz (im Schnitt) mit über 80.000 Euro subventioniert wurde – deutlich mehr als zwei durchschnittliche Jahresgehälter. Nun will der Megakonzern Amazon ein Logistikzentrum bauen und anfänglich 2.200 Arbeitsplätze installieren, am Ende werden es wohl tatsächlich nur 100 Arbeitsplätze sein.

Das Geschäftsmodell von Amazon basiert auf Lohndumping, prekärer Arbeit und auf der Verlagerung des Lagers auf die Straße. Miese Jobs, schlechte Arbeit und eine irre Zunahme des automobilen Lieferverkehrs werden die Folge sein. Der Amazon-Boss Jeff Bezos ist mit einem privaten Geldvermögen von etwa 150 Milliarden Dollar einer der reichsten Männer der Erde – das Ergebnis der Ausbeutung von Menschen, Infrastruktur und der Natur. Die Besteuerung der Gewinne in Deutschland wird durch Amazon weitgehend dadurch vermieden, dass die Zentrale im Steuerparadies Luxemburg sitzt. Eine Amazon-Ansiedlung wird die lokale und regionale Wirtschaft nicht stärken. Das Unternehmen vertritt darüber hinaus Handlungsweisen, die nicht mit den Prinzipien und Werten einer sozialen Marktwirtschaft vereinbar sind. Das führt tendenziell zu einer Diskriminierung unserer demokratischen Gesellschaft, die nicht hingenommen werden kann.

Das Land Sachsen-Anhalt darf diesem über alle Maßen prosperierenden Unternehmen ebensowenig wie die Stadt Magdeburg keinerlei Subventionen zukommen lassen – auch keine per Umleitung über Berlin oder Brüssel. Die zur Ansiedlung erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen sind an strenge rechtliche, soziale und ökologische Auflagen zu binden. Ja, eigentlich ist es nicht wünschenswert, dass solche die Gesellschaft und die Natur zerstörenden Unternehmen überhaupt expandieren.

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