Umbau VW-Konzern: Ein harter Hund für die neue Etappe im Krieg der Konzerne

VW-Chef Müller war als Nachfolger von Winterkorn geholt worden, um die Scherben des millionenfachen Abgasbetruges aufzukehren und dabei die Aufklärung nicht zu weit zu treiben. Diese Arbeit ist weitgehend erledigt. In den USA wurden Strafen und Kosten von über 20 Milliarden Euro bezahlt und abgeschrieben, fast niemand fragt mehr nach den Verantwortlichkeiten für den Abgasbetrug im Konzern; von anfänglichen Sprüchen zur rücksichtslosen Aufklärung „ohne Ansehen der Person“ und von dem Versprechen der Transparenz ist nichts geblieben – trotz Landesbeteiligung und weitgehender gewerkschaftlicher Mitbestimmung im Unternehmen. Es gibt einen Bericht der „internen Prüfung“, sowie einen der beauftragten Anwaltskanzlei Jones Day, die beide trotz anfänglicher Ankündigungen nicht veröffentlicht werden, wegen „unvertretbarer Risiken“ für das Unternehmen. Man ahnt, was dort drin steht. Aus meist gut unterrichteten Unternehmenskreisen ist zu hören, dass „eventuell unsere Enkel“ die Wahrheit über die Verantwortlichen dieses Betruges erfahren können; sie wollen mit allen Mitteln die Wahrheit die nächsten 50 Jahre unter Verschluss halten. In den USA hat der Konzern all die Gesetzesverstöße bis hin zur Verschwörung, Behinderung und Irreführung der Justiz und der Aktenvernichtung zugegeben.

Ein harter Hund für die neue Etappe

Nun also die nächste Etappe im Kampf der Konzerne, um „gestärkt aus der Krise hervorzugehen“. Das meint, im Denken der Aktionäre und der Manager, mehr Umsatz und mehr Profite für die Eigentümer, mehr Absatz von gewinnbringenden Autos mit Verbrennungsmotoren auf neuen Märkten, höhere Produktivität und mehr Leistung der Beschäftigten für geringere Entlohnung – immer natürlich in Konkurrenz zu allen anderen Autoherstellern. Die Erfindung „neuer Geschäftsmodelle“ zielt auf die Austrocknung des Öffentlichen Personenverkehrs und die Vereinnahmung dort realisierter Umsätze für den eigenen Profit. Für diese neue Etappe im Krieg der Konzerne braucht es einen neuen Mann, einen richtig harten Hund. Das soll der 60-jährige Österreicher Herbert Diess werden, der erst vor drei Jahren von BMW als „Sanierer“ zu Volkswagen kam. Sein „Gesellstück“ ist der „Zukunftspakt“ mit dem Abbau von weit über 20.000 Stammarbeitsplätzen, massiven Produktivitätssteigerungen und Einsparungen von ca. 2 Milliarden Euro pro Jahr bei der Marke Volkswagen. Das Ziel, die Produktivität um 25 Prozent bis 2020 zu steigern, ist zunächst und unweigerlich mit enormer Intensivierung der Arbeit, mit Leistungsverdichtung und schließlich mit Personalabbau verbunden. Nichts ist in diesem Zusammenhang sicher: kein Arbeitsplatz, kein zuverlässiges Einkommen, keine Betriebsabteilung und am Ende auch kein Standort.

Vor allem ist Diess niemand, der auf eine dringend nötige Mobilitäts- und Verkehrswende setzt: Einzig der Profit ist unantastbar. Der Umgang mit den Zulieferern, zuletzt mit den Prevent-Töchtern Foamtec in Stendal, ES-Guss in Schönheide und CarTrim in Plauen ist ein Beispiel dafür, wie künftig unter Verantwortung von Diess agiert werden wird. Ein weiteres Beispiel ist der geplante Börsengang der Unternehmenssparte VW Truck & Bus und die „Neuordnung“ der Komponentenfertigung. Insoweit ist der jetzt geplante Personalwechsel Teil des Konzernumbaus, „des größten in der Geschichte des Unternehmens“, der seit längerer Zeit vorbereitet wird: Together 2025 heißt das Programm. Und es bedeutet wohl nicht, dass alle gemeinsam 2025 ankommen und erleben. Euphemistisch wird verkündet, Volkswagen solle moderner und sympathischer werden, die Mobilität würde „demokratisiert“. Die Komponenten-Werke und die LKW-Sparte sollen jedoch ausgegliedert werden, neue Geschäftsfelder werden als eigenständige GmbH’s etabliert- außerhalb des Tarifvertrages, außerhalb der Mitbestimmung durch Betriebsräte. Das Credo: „Wir müssen die Effizienz deutlich steigern – über die gesamte Wertschöpfungskette und alle Marken hinweg.“ Der künftige Boss („Diess gibt Gas beim Umbau“) wird immer etwas konkreter; er will möglichst schnell all das hinter sich lassen, was Volkswagen 2015 in eine „prekäre Situation“ manövriert habe, berichtet der Online-Dienst AUTOMOBIL-INDUSTRIE: Nicht etwa der millionenfache Abgasbetrug, sondern „stark gestiegene Fixkosten, immer größer werdende Produktivitätslücken, hohe Fertigungstiefe, unwirtschaftliche Unternehmensbereiche, die häufig nur aus Gründen der Beschäftigungssicherung mitgezogen wurden.“

Nimmt man angesichts der Flexibilität und der Intensität der Arbeit und der vielen Überstunden im Unternehmen allein die Aussage von den „größer werdenden Produktivitätslücken“ und setzt diese ins Verhältnis zu über 11 Milliarden Euro Gewinn allein im Jahr 2017, wird deutlich, was dieses Management unter „Together“ versteht. Der sogenannte Zukunftspakt mit dem angekündigten Personalabbau von 23.000 Beschäftigten in den Werken von Volkswagen und weiteren 10.000 Beschäftigten in den anderen Marken und Organisationseinheiten, soll zum Ende „liebgewonnener Privilegien“ führen – und damit sind nicht die Boni des Vorstandes gemeint. Rund zwei Milliarden Euro sind im letzten Jahr durch den „Zukunftspakt“ bereits eingespart worden. Der Ex-SPD-Bundesgeschäftsführer und wohl auch scheidende VW-Personalvorstand Karl-Heinz Blessing erklärt: „Ein Kernelement des Zukunftspaktes ist die personelle Transformation.“

Der Umbau des Konzerns nach einem Muster zeichnet sich ab:

Erstens: die Automobilfertigung, eventuell untergliedert in Klein- bis Mittelklasse-Fahrzeuge und in Luxusfahrzeuge.

Zweitens: die „Neuordnung der Komponentenfertigung“, wahrscheinlich die Gründung einer GmbH in ein markenübergreifendes Geschäftsmodell mit 80.000 Beschäftigten an 57 Standorten. Das wäre auf einen Schlag einer der größten Zulieferunternehmen mit der Perspektive, nicht nur Volkswagen zu beliefern. Der Betriebsrat beruhigt, es gehe ja nur um eine „Neuordnung im Überbau“. Es muss aber festgestellt werden, das sowohl Ford als auch GM mit solchen Projekten gescheitert sind.

Drittens das Geschäftsfeld mit neuen „Mobilitätsdienstleistungen“:  Dabei geht es nicht einfach um ein weiteres Verkehrsmittel. „Wir entwerfen Mobilitätskonzepte, die unsere Städte zu lebenswerteren, sichereren und schöneren Orten machen – für alle Menschen. Die aufregende Reise beginnt jetzt!“ Dazu gehören MOIA, Gett und RIO, DiDi und GoFun in China sowie „strategische Partnerschaften“ mit solchen Städten wie Hamburg, Moskau und Kigali. Gravierenden Probleme wie Parkplatznot, Staus und Stress würden bald der Vergangenheit angehören, weil autonome Fahrzeuge selbständig parken könnten und viel Fläche dadurch frei würde: Ein Segen für die Infrastruktur der Städte. Einer der Hohepriester dieser schönen neuen Welt, der Chief Digital Officer J. Jungwirth sagt dazu: „Wir werden sie bequem und beschwerdefrei von Tür zu Tür transportieren – mit Mobilität auf Knopfdruck oder auf Sprachbefehl: mein Audi, bitte hole mich ab, mein Volkswagen, ich bin ready. Das Fahrzeug wird zu unserem besten Freund oder Freundin, der wir einen Namen geben, die uns versteht, die mit uns spricht, unser Verhalten und unsere Vorlieben lernt und unsere Gedanken lesen kann um uns perfekt zu unterstützen.“

Und viertens geht es um die LKW- und Busfertigung: Volkswagen will seine LKW-Sparte VW Truck & Bus an die Börse bringen – darin verpackt sind die Produktionsstandorte der LKWs und Busse von MAN und Scania in 17 Ländern. Über 200.000 Fahrzeuge werden produziert, es wird ein Umsatz von 18 Milliarden Euro und ein Gewinn für die Eigentümer von VW in Höhe von 1,3 Milliarden Euro erzielt; immerhin 10 Prozent des gesamten Gewinns des vergangenen Jahres. Bei diesem Verkauf geht es nicht darum, Reserven für den Abgasbetrug zu bunkern oder Innovationen zu finanzieren, dafür liegen über 70 Milliarden Euro Gewinnrücklagen im VW-Konzern. Es geht bei diesem geplanten Deal darum, Kasse zu machen für die Eigentümer des VW-Konzerns, für den Porsche-Piëch-Clan und die Scheichs des Terrorstaates Katar. Es geht um die Aushebelung der Mitbestimmung und in deren Gefolge um das Schleifen sozialer Rechte der 80.000 Beschäftigten: Der Boss der LKW-Sparte Andreas Renschler spricht dezent von Kulturwandel (Handelsblatt 5.3.2018): „Außerdem müssten nun auch die mächtigen Betriebsräte formal mit eingebunden werden, ohne deren Zustimmung ein Börsengang von VW Truck & Bus kaum möglich ist.“ Dieses Vetorecht der Betriebsräte, im VW-Gesetz verankert, ist gleichwohl keine Garantie dafür, dass der Betriebsrat sich dieser Filetierung des VW-Konzerns widersetzt. Wenn neue Aufsichtsratsposten in einer neuen Aktiengesellschaft winken, dann werden sozialpartnerschaftlich orientierte Betriebsräte schon mal schwach, wie bei der Zerlegung des Salzgitter-Konzerns in zahlreiche Aktiengesellschaften und GmbH`s trotz Montanmitbestimmung.

Ein Grund für den geplanten Börsengang könnte die Reduzierung von unübersichtlich gewordener Komplexität im Konzern sein. Aber ist das der richtige Weg? Und ist VW Truck & Bus die richtige Unternehmenseinheit? Wäre es da nicht besser und richtiger, Lamborghini oder Bugatti oder Bentley abzustoßen – drei Marken, die so überflüssig wie ein Kropf sind und die einer notwendigen Mobilitäts- und Verkehrswende im Wege stehen? Wäre es da nicht richtiger und viel wichtiger, die Rüstungssparte von MAN, die nicht zu VW Truck & Bus gehört, abzustoßen, darauf zu verzichten, Getriebe und Fahrzeuge für die Repressionsorgane und Kriegsherren der ganzen Welt zu produzieren?
Da es auch nach dem Abgasbetrug um maximalen Profit für die Besitzer geht, ist eine solche Entwicklung ohne Druck von außen nicht zu erwarten. Andererseits ist den Eigentümern und den Managern fast jedes Verbrechen zuzutrauen, um den Profit zu maximieren. Gegen die gesamte Führungsriege einschließlich Diess laufen Ermittlungsverfahren, einige Manager sitzen nach Verurteilungen in den USA im Gefängnis, in Deutschland einige Manager in Untersuchungshaft. Das ganze Unternehmen sollte, um weiteren Vergehen vorzubeugen und den angerichteten Schaden zu regulieren, unter öffentliche Kontrolle gestellt werden. Die Gewinne der letzten Jahre sind Betrugsdividende, quasi „Hehlerware“, die zur Begleichung der Schäden sowie für die Verkehrswende gebraucht werden und deshalb requiriert werden müssen. Der geplante Börsengang der VW Truck & Bus ist ein weiterer Versuch, Kapital aus dem Unternehmen zu ziehen und zu privatisieren. Dem Börsengang von VW Truck & Bus ist deshalb laut zu widersprechen und seine Unterbindung zu fordern.

 

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