VW-Umbau: Mitbestimmung und soziale Rechte adè?

Bei Volkswagen wird seit längerer Zeit über einen großen Konzernumbau, „den größten in der Geschichte“, wie das Unternehmen vorgibt, beraten, erste Schritte wurden bereits eingeleitet: Together 2015 heißt das Programm. Und es bedeutet wohl nicht, dass alle gemeinsam 2025 ankommen und erleben. Euphemistisch wird verkündet, Volkswagen solle moderner und sympathischer werden, die Mobilität würde „demokratisiert“. Die Komponenten-Werke und die LKW-Sparte sollen jedoch ausgegliedert werden, neue Geschäftsfelder werden als eigenständige GmbH’s etabliert- außerhalb des Tarifvertrages, außerhalb der Mitbestimmung durch Betriebsräte. Das Credo: „Wir müssen die Effizienz deutlich steigern – über die gesamte Wertschöpfungskette und alle Marken hinweg.“ Der VW-Markenchef („Diess gibt Gas beim Umbau“) wird immer etwas konkreter; er will möglichst schnell all das hinter sich lassen, was Volkswagen 2015 in eine „prekäre Situation“ manövriert habe, berichtet der Online-Dienst AUTOMOBIL-INDUSTRIE: Nicht etwa der millionenfache Abgasbetrug, sondern „stark gestiegene Fixkosten, immer größer werdende Produktivitätslücken, hohe Fertigungstiefe, unwirtschaftliche Unternehmensbereiche, die häufig nur aus Gründen der Beschäftigungssicherung mitgezogen wurden.“

Was dem millionenfachen Abgasbetrug und die Prellung der Kunden außerhalb der USA betrifft, liegt der interne Untersuchungsbericht fest verschlossen im geheimen Tresor. Aus meist gut unterrichteten Unternehmenskreisen ist zu hören, dass „eventuell unsere Enkel“ die Wahrheit über die Verantwortlichen dieses Betruges erfahren können; sie wollen mit allen Mitteln die Wahrheit die nächsten 50 Jahre unter Verschluss halten.

Nimmt man angesichts der Flexibilität und der Intensität der Arbeit und der vielen Überstunden im Unternehmen allein die Aussage von den „größer werdenden Produktivitätslücken“ und setzt diese ins Verhältnis zu über 11 Milliarden Euro Gewinn allein im Jahr 2017, wird deutlich, was dieses Management unter „Together“ versteht. Der sogenannte Zukunftspakt mit dem angekündigten Personalabbau von 23.000 Beschäftigten in den Werken von Volkswagen und weiteren 10.000 Beschäftigten in den anderen Marken und Organisationseinheiten, soll zum Ende „liebgewonnener Privilegien“ führen – und damit sind nicht die Boni des Vorstandes gemeint. Rund zwei Milliarden Euro sind im letzten Jahr durch den „Zukunftspakt“ bereits eingespart worden. Der Ex-SPD-Bundesgeschäftsführer und heutige VW-Personalvorstand Karl-Heinz Blessing erklärt: „Ein Kernelement des Zukunftspaktes ist die personelle Transformation.“

Eine Aufgliederung des Konzerns nach einem Muster zeichnet sich ab:

Erstens: die Automobilfertigung, eventuell untergliedert in Klein- bis Mittelklasse-Fahrzeuge und in Luxusfahrzeuge.

Zweitens: die „Neuordnung der Komponentenfertigung“, wahrscheinlich die Gründung einer GmbH in ein markenübergreifendes Geschäftsmodell mit 80.000 Beschäftigten an 57 Standorten. Das wäre auf einen Schlag einer der größten Zulieferunternehmen mit der Perspektive, nicht nur Volkswagen zu beliefern. Der Betriebsrat beruhigt, es gehe ja nur um eine „Neuordnung im Überbau“. Es muss aber festgestellt werden, das sowohl Ford als auch GM mit solchen Projekten gescheitert sind.

Drittens das Geschäftsfeld mit neuen „Mobilitätsdienstleistungen“:  Dabei geht es nicht einfach um ein weiteres Verkehrsmittel. „Wir entwerfen Mobilitätskonzepte, die unsere Städte zu lebenswerteren, sichereren und schöneren Orten machen – für alle Menschen. Die aufregende Reise beginnt jetzt!“ Dazu gehören MOIA, Gett und RIO, DiDi und GoFun in China sowie „strategische Partnerschaften“ mit solchen Städten wie Hamburg, Moskau und Kigali. Gravierenden Probleme wie Parkplatznot, Staus und Stress würden bald der Vergangenheit angehören, weil autonome Fahrzeuge selbständig parken könnten und viel Fläche dadurch frei würde: Ein Segen für die Infrastruktur der Städte. Einer der Hohepriester dieser schönen neuen Welt, der Chief Digital Officer J. Jungwirth sagt dazu: „Wir werden sie bequem und beschwerdefrei von Tür zu Tür transportieren – mit Mobilität auf Knopfdruck oder auf Sprachbefehl: mein Audi, bitte hole mich ab, mein Volkswagen, ich bin ready. Das Fahrzeug wird zu unserem besten Freund oder Freundin, der wir einen Namen geben, die uns versteht, die mit uns spricht, unser Verhalten und unsere Vorlieben lernt und unsere Gedanken lesen kann um uns perfekt zu unterstützen.“

Und viertens geht es um die LKW- und Busfertigung: Volkswagen will seine LKW-Sparte VW Truck & Bus an die Börse bringen – darin verpackt sind die Produktionsstandorte der LKWs und Busse von MAN und Scania in 17 Ländern. Über 200.000 Fahrzeuge werden produziert, es wird ein Umsatz von 18 Milliarden Euro und ein Gewinn für die Eigentümer von VW in Höhe von 1,3 Milliarden Euro erzielt; immerhin 10 Prozent des gesamten Gewinns des vergangenen Jahres. Bei diesem Verkauf geht es nicht darum, Reserven für den Abgasbetrug zu bunkern oder Innovationen zu finanzieren, dafür liegen über 70 Milliarden Euro Gewinnrücklagen im VW-Konzern. Es geht bei diesem geplanten Deal darum, Kasse zu machen für die Eigentümer des VW-Konzerns, für den Porsche-Piëch-Clan und die Scheichs des Terrorstaates Katar. Es geht um die Aushebelung der Mitbestimmung und in deren Gefolge um das Schleifen sozialer Rechte der 80.000 Beschäftigten: Der Boss der LKW-Sparte Andreas Renschler spricht dezent von Kulturwandel (Handelsblatt 5.3.2018): „Außerdem müssten nun auch die mächtigen Betriebsräte formal mit eingebunden werden, ohne deren Zustimmung ein Börsengang von VW Truck & Bus kaum möglich ist.“ Dieses Vetorecht der Betriebsräte, im VW-Gesetz verankert, ist gleichwohl keine Garantie dafür, dass der Betriebsrat sich dieser Filetierung des VW-Konzerns widersetzt. Wenn neue Aufsichtsratsposten in einer neuen Aktiengesellschaft winken, dann werden sozialpartnerschaftlich orientierte Betriebsräte schon mal schwach, wie bei der Zerlegung des Salzgitter-Konzerns in zahlreiche Aktiengesellschaften und GmbH`s trotz Montanmitbestimmung.

Ein Grund für den geplanten Börsengang könnte die Reduzierung von unübersichtlich gewordener Komplexität im Konzern sein. Aber ist das der richtige Weg? Und ist VW Truck & Bus die richtige Unternehmenseinheit? Wäre es da nicht besser und richtiger, Lamborghini oder Bugatti oder Bentley abzustoßen – drei Marken, die so überflüssig wie ein Kropf sind und die einer notwendigen Mobilitäts- und Verkehrswende im Wege stehen? Wäre es da nicht richtiger und viel wichtiger, die Rüstungssparte von MAN, die nicht zu VW Truck & Bus gehört, abzustoßen, darauf zu verzichten, Getriebe und Fahrzeuge für die Repressionsorgane und Kriegsherren der ganzen Welt zu produzieren?
Da es auch nach dem Abgasbetrug um maximalen Profit für die Besitzer geht, ist eine solche Entwicklung ohne Druck von außen nicht zu erwarten. Andererseits ist den Eigentümern und den Managern fast jedes Verbrechen zuzutrauen, um den Profit zu maximieren. Gegen die gesamte Führungsriege laufen Ermittlungsverfahren, einige Manager sitzen nach Verurteilungen in den USA im Gefängnis, in Deutschland einige Manager in Untersuchungshaft. Das ganze Unternehmen sollte, um weiteren Vergehen vorzubeugen und den angerichteten Schaden zu regulieren, unter öffentliche Kontrolle gestellt werden. Die Gewinne der letzten Jahre sind Betrugsdividende, quasi „Hehlerware“, die zur Begleichung der Schäden sowie für die Verkehrswende gebraucht werden und deshalb requiriert werden müssen. Der geplante Börsengang der VW Truck & Bus ist ein weiterer Versuch, Kapital aus dem Unternehmen zu ziehen und zu privatisieren. Dem Börsengang von VW Truck & Bus ist deshalb laut zu widersprechen und seine Unterbindung zu fordern.

http://www.labournet.de/branchen/auto/auto-vw/vw-int/volkswagen-will-seine-lkw-sparte-vw-truck-bus-die-boerse-bringen-ausverkauf-der-mitbestimmung-und-sozialer-rechte/

 

Ein Gedanke zu „VW-Umbau: Mitbestimmung und soziale Rechte adè?“

  1. Ich hoffe und wünsche, daß die traditionell starke Mitbestimmung in der VW AG erhalten bleibt.
    Es darf nicht sein, daß der Aufbau des VW-Werkes nach 1945 durch die VW-Beschäftigten, so zunichte gemacht wird.
    Die Stärke der VW-Belegschaft ist mir bekannt, da ich in meiner aktiven Zeit auch als Delegierter, gewerkschaftlicher Vertrauensmann der IG Metall und Stadtteil-Sprecherratsmitglied WOB-Mitte aktiv war. Kolleginnen und Kollegen, jetzt ist Eure Solidarität gefragt. Passt bitte auf!

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