Autokrieg – Krise und Zukunft einer Schlüsselindustrie

Sozialismus_2017_05_Krull

Die Unternehmen der Autoindustrie stecken in einer tiefen Krise. Die Märkte sind weitgehend gesättigt, Überkapazitäten, hohe Investitionen und wachsendes konstantes Kapital fressen an der Profitrate, die anspruchsvollen Klimaziele, der Wertewandel weg vom eigenen Auto und technologische Sprünge sind existenzielle Herausforderungen.1 Die Eigentümer und deren Manager greifen zu kriminellen, das Leben, die Gesundheit und das Klima gefährdenden Betrügereien. Dennoch verbünden sich Regierungen und die sie tragenden Parteien (CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne) mit der Autoindustrie. Leidtragende sind nicht zuletzt die Beschäftigten.

VW zum Beispiel hat ein »Zukunftspakt« genanntes Sparpaket mit Stellenabbau in der Größenordnung von 60.000 Beschäftigten einschließlich der Leih- und Werkvertragsarbeiter sowie jährlichen Einsparungen von weit über 4 Mrd. Euro über die verschiedenen Marken aufgelegt. Das Zurückholen einst ausgelagerter Teilefertigung oder von Dienstleistungen führt zu weiteren tausenden Entlassungen in den bisherigen »Partnerbetrieben «.2

In der Rhetorik eines VW-Vorstands: »Neue, mächtige Wettbewerber warten nur darauf, uns anzugreifen. Mit der derzeitigen Rendite, die hinter den Wettbewerbern liegt, können wir den Weg zum innovativen Anbieter von Mobilitätslösungen nicht finanzieren. Ein Prüfstein für die ernsthafte Umsetzung des Zukunftspaktes ist die Steigerung der Produktivität in den nächsten Monaten.«3

Die in der kapitalistischen Logik erwartbare Marktbereinigung hat mit der Übernahme von Opel durch die PSA-Gruppe gerade begonnen – trotz aller Verträge und Zugeständnisse, die die Belegschaften in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach gemacht haben; auch die 1.600 Opel-Beschäftigten in Wien-Aspern sehen einer ungewissen Zukunft entgegen.4

Immer weiter so…

Mit Henry Ford, André Citroën und Ferdinand Porsche – in Deutschland auch mit Adolf Hitler – wurden Automobile zu Massenprodukten und entwickelte sich die Autoindustrie zu einer globalen, die Welt verändernden Schlüsselindustrie. Das Auto wurde zur Sehnsucht vieler Menschen. Staatliche Unterstützung durch Steuernachlässe für Käufer, die Subventionierung von Autokäufen, direkte Subventionen für Forschung, Fabrikansiedlungen und Lohnsubventionen sowie die Herstellung der Infrastruktur (Autobahnen, Tank- und Raststätten) ziehen sich durch die Geschichte bis in die Gegenwart. Eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ergab, dass die deutsche Autoindustrie in den Jahren 2010 bis 2012 nach der Subventionierung durch die »Abwrackprämie« (5 Milliarden Euro) mit 172 Millionen Euro aus verschiedenen Etats gepämpert wurde.5

In Krisen hieß es meist, dass es »so« nicht weiter gehen könne; nach Überwindung der Krisen ging es dann bei verschärfter Konkurrenz genau »so« weiter. In den 1980er Jahren gab es eine gesellschaftliche Debatte über »Auto, Umwelt und Verkehr«,6 die auch in der Gewerkschaft, in den Unternehmen und in den Betrieben geführt wurde. Nach dem Zusammenbruch von Sowjetunion und DDR erschloss sich jedoch ein gigantischer neuer Markt. Warnende Stimmen wurden überhört:

»Ökologische Schäden und soziale Frage …, die Rodung von Regenwäldern, neue Armut in den Industriestaaten und Hunger in den Entwicklungsländern zeigen zugleich, dass Kapitalismus und ungezügeltes Wachstum keine Alternativen sind. Regionale Lebensqualität und globales Überleben können wir nur gewinnen, wenn Arbeit und Technik im Einklang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen organisiert werden, wenn soziale Gerechtigkeit und Solidarität mehr gelten als das Recht des Stärkeren und der schnelle Profit.«7

Der damalige stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, Daniel Goedevert, sekundierte: »Der Verkehr ist das soziale System, das bei weiterer Belastung nicht erträglich ist. Denkbar wären dann durchaus politische Entscheidungen, den hauptsächlichen Verkehrsträger, zumindest in Teilbereichen, aus dem Verkehr zu ziehen – und das ist das Kraftfahrzeug … Planung ist kein böses Wort. Es sind bestimmte Bereiche, auch der freien Markwirtschaft, wo Planung nach meiner Auffassung erforderlich wäre. Warum sollte die DDR nicht aus unseren Fehlern lernen und z.B. statt eines linearen Nebeneinanders eine vernetzte, ökologische Verkehrsinfrastruktur aufbauen? «8 Statt Warnern übernahmen »Männer mit Benzin im Blut« (Piëch) das Kommando.

Wachstum, Stagnation, Überkapazitäten und Allianzen

Wachstum, Wachstum über alles – so der Zwang der kapitalistischen Ökonomie, auch der Welt-Automobilindustrie. Mit mehr als 10 Millionen Beschäftigten, 90 Millionen Fahrzeugen pro Jahr, einem Umsatz von an die zwei Billionen Euro und Milliarden-Profiten ist die Automobilindustrie eine Schlüsselindustrie der globalisierten Welt. Die Autofabriken brauchen stetes Wachstum – das wachsende konstante Kapital frisst an der Profitrate. Doch der Absatz in den meisten Ländern der EU hat das Vorkrisen-Niveau von 2008 nicht wieder erreicht, in Japan, Südamerika und Russland sind die Märkte stark rückläufig, in den USA ist das Wachstum gering und in vielen Ländern ist die Produktion hinter das Niveau von 2008 zurückgefallen, so in Frankreich, Großbritannien, Belgien, Südkorea, Spanien und Kanada.

In der Sprache eines »Auto-Experten« hört sich das so an: »Das durchschnittliche Wachstum der globalen Herstellerkonzerne Volkswagen, Toyota, GM, Hyundai sank im abgelaufenen Kalenderhalbjahr im Durchschnitt um 2,4%.«9

In der Sprache eines Betriebsrates hört es sich anders an: »Wir werden aber nicht mehr jede Kollegin und jeden Kollegen mit einem Leiharbeitsvertrag weiter beschäftigen können. Auch das gehört zur Wahrheit.«10

Lediglich die weiter dynamisch wachsenden Märkte in China und Indien nehmen die hohen Überschüsse aus den Fabriken in Amerika, Europa und Japan auf. Dieser Boom geht allerdings auch zu Ende, aus ökologischen Gründen, aber auch, weil chinesische und indische Produzenten sich zunehmend besser etablieren. Das Bündnis zwischen Renault und Nissan, die Übernahme von Chrysler durch Fiat, die Zusammenarbeit von Toyota, Mazda und PSA, die Kooperation von Daimler mit Renault und Tesla, die strategische Allianz von Volkswagen und Tata-Motors11 sind weitere Beispiele für die aktuellen und strukturellen Veränderungen der Branche.

BMW-Chef Krüger erklärte auf dem Autosalon in Genf: »Die Digitalisierung verlangt neue Allianzen.«12 Das Drama besteht darin, dass weitere teure Überkapazitäten aufgebaut werden, weil fast jedes Unternehmen in jedem Segment und auf jedem Markt nicht nur präsent sein will, sondern am meisten Autos verkaufen möchte.13

So soll die bisherige Produktionskapazität in Mexiko von gegenwärtig 3,5 Mio. auf fast 5 Mio. Fahrzeuge pro Jahr erhöht werden. Aber was passiert mit den für den US-Markt produzierten Fahrzeugen, wenn Trump Importsteuern erhebt und im Gegenzug die Steuern für die Inlandsproduktion senkt? Auf welchem Markt werden die Fahrzeuge aus Mexiko dann wohl abgesetzt werden, welchen Standorten und welchen Belegschaften wird mit mexikanischen Lohnkostenvorteilen kräftig eingeheizt?

Paradigmenwechsel – Kampf um den Öffentlichen Verkehr

Nach dem Abgasbetrug ist klar: Es sind gravierende Veränderungen erforderlich, um die Zukunft der Unternehmen zu sichern. Dabei konkurrieren nicht nur die Unternehmen der bisherigen Autoindustrie miteinander, sondern, weil es um Digitalisierung geht, kommen Google, Apple & Co. mit ins Spiel.

Der schon zitierte »Autoexperte« Bratzel schreibt: »Das Erlöspotential ist enorm: Während ein großer traditioneller Automobilhersteller wie Toyota vor allem mit dem Bau und Verkauf von 10 Mio. Pkw jährlich rund 200 Mrd. Euro umsetzt, zielen die DigitalPlayer auf zusätzliche Erlösmöglichkeiten mit der weltweiten Pkw-Flotte von über 1 Mrd. Fahrzeugen, die täglich nur ein bis zwei Stunden bewegt werden. Gelingt es durch kommerzielle Dienstleistungen im und rund um das Fahrzeug nur 1 Euro pro Stunde zu generieren, summiert sich das Umsatzpotential bereits auf rund 500 Mrd. Euro – bei geringen Grenzkosten und damit hohen Renditen«.14

Mit der Firmenneugründung von MOIA und der Übernahme von GETT15 zum Beispiel will Volkswagen in der von ihnen geplanten und ausgerufenen »neuen Welt der Mobilität« die künftigen Profite sichern: »Ziel des neuen Unternehmens ist es, umfassende On-Demand-Mobilitätsangebote zu entwickeln und anzubieten, die das Leben der Menschen in urbanen Räumen lebenswerter, sauberer und sicherer machen. Das Geschäftsfeld der App-basierten Fahrtenvermittlung (Ride Hailing) birgt neben Pooling Services mit intelligenter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel (Connected Commuting) dabei das derzeit größte Marktpotenzial im Bereich der On-Demand-Mobilität. Ziel des Volkswagen Konzerns ist es, bis 2025 einen substanziellen Teil seines Umsatzes mit diesen neuen Geschäftsfeldern zu erwirtschaften.«

Robotertaxis, die ohne Personalkosten und durch den effizienten Betrieb von vernetzten Flotten zu einer drastischen Senkung des Fahrpreises pro Kilometer führen sollen, sind ein massiver Angriff auf den ÖPNV. Mit Ride-Hailing, der Bestellung eines bald selbstfahrenden Autos per App mit anschließendem

Pooling Services, also der Aneinanderkopplung solcher autonomer Fahrmodule, sollen die Umsätze des bisherigen ÖPNV abgeschöpft und derselbe trockengelegt werden.

Fahrzeuge würden dann nicht mehr, wie private Pkw’s bisher, zu 95% auf Parkplätzen stehen, sondern zu mindestens 60-70% tatsächlich fahren – der Verschleiß und der Erneuerungsbedarf wären entsprechend. Um das möglichst realitätsnah auszuprobieren, wurde mit den Städten Wolfsburg, Dresden und Hamburg kürzlich jeweils eine »strategische Partnerschaft« mit weitreichenden Folgen vereinbart und an den kommunalen Räten vorbei zu gültigen Verträgen unterzeichnet.16

Die Überlegungen seitens Volkswagen sind weit fortgeschritten, das Magazin der VW-Autostadt schreibt, die Herausforderungen für Hamburg als »Die Neuerfindung der Mitte« benennend: »So durchschneidet heute die sechsspurige Willy-Brandt-Straße das Herz der Stadt. … Die trennende Verkehrspiste soll unter die Erde verlegt werden. Nur (so) könnten die historische Stadtmitte und die neue Hafencity samt Einkaufszentrum und tourismusfördernder Elbphilharmonie zusammenwachsen. Geschätzte Kosten etwa 500 Millionen. Die will die Handelskammer nach echt hanseatischer Kaufmannsart wieder reinholen: mit dem Verkauf der durch die Untertunnelung frei werdenden Grundstücke.«17

Bedürfnisorientierung und Wirtschaftsdemokratie

Wenn nicht mehr der Profit im Mittelpunkt stünde und das Ziel allen Wirtschaftens die Bedürfnisbefriedigung der Menschen wäre, würde Mobilität ganz anders aussehen. Besteht nun die vielleicht historische Chance, den durchaus interschiedlichen Bedürfnissen in Megacities einerseits und infrastrukturarmen Regionen andererseits zum Durchbruch zu verhelfen?

Ohne die Eigentumsfrage anders als bisher zu beantworten, ohne Vergesellschaftung und ohne gesellschaftliche Planung ist das sicher nicht möglich. Dabei kommt es auf das gesellschaftliche Kräfteverhältnis an, auf die Gewerkschaften und viele Bürger- und Verkehrsinitiativen sowie die linken Kräfte einerseits, die Auto-und Erdölindustrie und ihre Lobby andererseits. Aber es reicht nicht aus, dass vielen die Autos im wörtlichen Sinne stinken, dass über volkswirtschaftliche Schäden durch Unfälle und Flächenverbrauch geklagt wird, es bedarf konkreter technischer, ökologischer und arbeitspolitischer Transformationsprojekte bis hin zu einer radikalen Verkürzung der Zeit für Erwerbsarbeit (kurze Vollzeit), damit vor allem auch die berechtigten sozialen Ängste der Beschäftigten in der Industrie Berücksichtigung finden. Deshalb kommt der Gewerkschaft, die, anders als Anfang der 1990er Jahre, keine eindeutige Position hat, eine besondere Bedeutung in dieser Auseinandersetzung zu.

Einerseits will die IG Metall »den Wandel intelligent gestalten «, wie auf verschiedenen bezirklichen Automobilkonferenzen beraten wurde.18 Dabei geht es um zwei Stoßrichtungen: Autos mit konventionellen Antrieben sollen umweltfreundlicher werden. Zugleich soll der Umstieg auf Autos mit alternativen Antrieben, also mit Batterie oder Brennstoffzelle, beschleunigt werden.19

Die grundsätzlichen Fragen nach einer ganz anderen Form von Mobilität, nach Regionalisierung und kleineren Kreisläufen und nach Vergesellschaftung und Wirtschaftsdemokratie wurden nicht benannt. Das hängt wohl auch mit der Einbindung der Spitze der Gewerkschaft in die »Nationalen Plattform Elektromobilität« (NPE) zusammen,20 über die viel Geld für Forschung,

Entwicklung, Kaufprämien, Sonderabschreibungen, Steuerbefreiungen und Infrastruktur verteilt wird; dass »die Sicherung von Rohstoffen« dabei extra genannt werden, macht die Brisanz dieses Planes deutlich. Das Ziel, eine Million Elektro-Fahrzeuge bis 2020 auf die Straße zu bringen, wird wohl verfehlt werden.21

In einer Erklärung der IG Metall dazu heißt es sehr idealistisch: »Eine umweltfreundliche Mobilität – das ist das Ziel, dem sich die Nationale Plattform Elektromobilität verschrieben hat. Die IG Metall ist dabei, damit sich die Mobilitätswende nicht nachteilig auf die Beschäftigung auswirkt. Die IG Metall ist Teil der NPE, damit die Automobilproduktion von morgen nicht alleine dem Markt überlassen wird. Arbeitgeber, Staat und Gewerkschaften gestalten sie gemeinsam – im Interesse der Beschäftigten.«22 Unter den über 150 Auto-Lobbyisten und Ministerial-Bürokraten in der NPE befinden sich weniger als eine Handvoll Gewerkschafter!

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, in dem Gewerkschaften beratend vertreten sind, hat einen Paradigmenwechsel in der Automobilindustrie sowie eine »zukunftsgerichtete und vorausschauende europäische Industriepolitik« angemahnt. »Die Industriepolitik sollte es der Automobilindustrie ermöglichen, ein komplexes industrielles Geflecht zu erhalten und auszubauen.«23

An einen koordinierenden Branchendialog, eine Ausweitung von Mitbestimmung, gesellschaftlicher Planung und Wirtschaftsdemokratie ist nicht gedacht, denn, so die Ko-Berichterstatterin Monika Sitarova Hrusecka von der slowakischen Metallgewerkschaft OZ KOVO: »Dem Sozialen Dialog zwischen den betroffenen Unternehmen und Arbeitnehmervertretern kommt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung sozial verträglicher Strategien zu.« Die IG Metall hat sich bei dem Bericht mit ihrer Expertise eingebracht und insbesondere die Interessen der Beschäftigten betont. Diesem Anspruch wird sie allerdings nicht gerecht, wenn die Beschäftigten der Konzerne, der Zulieferer und Standorte wieder und weiter gegeneinander ausgespielt werden. Doch könnte der Plattform NPE auch etwas Gutes abgewonnen werden, wenn sie die Basis für einen dringend erforderlichen Branchendialog mit dem Ziel gesellschaftlicher Planung wäre? Jedenfalls bedeutet Solidarität unter diesen Umständen, einen Weg aus der Sackgasse der Profitorientierung zu suchen und mit möglichst vielen zu gehen.

Wirtschaftsdemokratie, ohnehin ein gewerkschaftliches Projekt, wäre ein Weg, das Grundgesetz Artikel 14 gibt die Möglichkeiten dafür: »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.« Auf dieser Basis wurde die Hypo Real Estate in der Finanzkrise enteignet, Opel und die Commerzbank ließen sich »freiwillig« von der Bundesrepublik aufkaufen. Doch solche Arten der Verlustvergesellschaftung sind hier natürlich nicht gemeint. Wirtschaftsdemokratische Kriterien müssten gleichermaßen ökologische und soziale Nachhaltigkeit sein.

Notwendige Veränderungen sind höchst komplex, betreffen Produkt, Produktion, damit technische, soziale, ökologische, ökonomische, juristische, ethische und politische Prozesse – es geht also um alternative Formen des Wirtschaftens und neue Formen von Solidarität über die Branche hinweg – nicht nur in den einzelnen Konzernen, wo ein Interessenausgleich zwischen den Standorten teils schon funktioniert, sondern auch in andere Wirtschaftszweige hinein wie die Bahnindustrie, den Bahnbetrieb, den ÖPNV, auch zum Beispiel die Fahrradindustrie.

Die einzelnen Aspekte verdeutlichen die Dimension dieser Transformation:

Technisch geht es um die Frage, Aufrüsten oder Umrüsten.

Weg von zwei Tonnen Stahl und monströser Technik auf vier Gummirädern zwecks Transport von einer Person von A nach B – hin zu bedarfsorientiertem öffentlichem Personen- und Güterverkehr auf Schienen, Wasserwegen und (soweit unvermeidbar) auf Straßen, sicherlich nicht in kleinen privaten Autos, die zu 90% Stehzeuge sind.

Sozial geht es um Gute Arbeit versus Profitmaximierung, um gute Beschäftigungsperspektiven für viele tausende Menschen. Ohne die Berücksichtigung berechtigter sozialer Ansprüche wird eine Verkehrswende nicht gelingen.

Ökologisch geht es um Klimabelastungen bzw. dessen Vermeidung, um Gesundheit, um Flächenverbrauch und Flächenversiegelung, um Ressourcenschutz und in dem Zusammenhang auch um Krieg und Frieden, um die Möglichkeit oder die Blockierung alternativen Verkehrs.

Ökonomisch geht es um Profit und darum, dass der Staat bzw. die Staaten die Autoindustrie mit Milliarden subventionieren (Abwrackprämie, E-Mobilität) – direkt (z.B. 900 Mio. US-Dollar für das VW-Werk in Chattanooga inkl. Anti-Gewerkschaftsklausel) wie auch indirekt durch Steuererleichterungen, Steuerverzicht, Infrastrukturleistungen, Rabatte auf Energie, Wasser, Abwasser etc.pp.

Ethisch geht es um die Frage, ob wir so leben, arbeiten, produzieren und konsumieren wollen wie bisher. Diese Produktionsweise ist mit unendlich vielen Ungerechtigkeiten behaftet, sie ist zerstörerisch und tödlich für viele Menschen – ähnlich der Rüstungsproduktion. Jede Waffe findet ihren Krieg und allein in Deutschland starben im vergangenen Jahr 3.500 Menschen bei Verkehrsunfällen, weltweit sind es 1,2 Mio. p.a., mehr als 300 Tote pro Tag!

Juristisch geht es vor allem um die Eigentums- bzw. die Verfügungsfrage.

Zum Beispiel Volkswagen, das nach 1945 zunächst »herrenlos« war, nachdem die räuberische »Deutsche Arbeitsfront « als verbrecherische Organisation enteignet und verboten war: Der Porsche-Piëch-Clan und der Terrorstaat Katar haben von dem Abgasbetrug profitiert, diese Profite quasi als Hehler durch Dividendeneinnahmen der zurückliegenden zehn Jahre privatisiert. Wie verhält es sich da mit dem Eigentum, das dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll und widrigenfalls enteignet werden kann (und das trifft dann sicher nicht nur auf VW zu)?

Politisch geht es um die Rolle des Staates, der im Falle VW von der damaligen Besatzungsmacht als Treuhänder für das Werk eingesetzt wurde. Schon von der CDU-Regierung unter Adenauer wurden Teile des Unternehmens privatisiert, Kohl hat dann in der Koalition mit der FDP den Rest der Anteile des Bundes verschleudert. Lediglich das Land Niedersachsen hat – ungeachtet der jeweiligen Regierungskonstellation – an seinen Anteilen am Unternehmen festgehalten.

Alle neoliberalen Politiker verweigern sich einer aktiven Wirtschaftspolitik, einer planmäßigen Branchenentwicklung – diese ist aber erforderlich, wenn Wirtschaftsdemokratie durchgesetzt werden soll.

Sozial und ethisch geht es vor allem um die Frage, welche Alternativen den Beschäftigten geboten werden, wenn sie anderes auf andere Weise produzieren sollen und wollen. Abgesehen davon, dass das nicht vorgeschrieben werden kann, sondern beraten werden muss, sind insbesondere WissenschaftlerInnen gefragt, über Möglichkeiten und Chancen nachzudenken, Alternativen und Perspektiven vorzuschlagen, Ideen zu entwickeln, wie Mobilitätszwänge reduziert und Mobilitätsbedürfnisse befriedigt werden können. Ohne eine Kritik der kapitalistischen Modernisierungsstrategie von E-Mobilität, autonomen Autos, Digitalisierung sowie Stadt- und Raumplanung wird es dabei nicht gehen.

 

1 Friedrich Schmidt-Bleek: Wieviel Umwelt braucht der Mensch? Faktor 10 – das Maß für ökologisches Wirtschaften. München 1997.

2 In den nahe an Wolfsburg liegenden Landkreisen ist die Arbeitslosigkeit nach SGB III von Dezember 2016 bis Februar 2017 um 2.400 Personen angestiegen.

3 VW-Markenvorstand Herbert Diess in einem Brief an die Beschäftigten; www.waz-online.de/VW/Aktuell/Streit-mit-Betriebsrat-Diess-fuer-sachliche-Klaerung

4 http://derstandard.at/2000053710537/Beim-Opel-Werk-in-Wien-Aspern-Warten-auf-PSA-Plaene

5 VW-Konzern 69 Mio., Daimler 60 Mio., BMW 43 Mio.; Bundestagsdrucksache 17/14568 vom 20.8.2013.

6 Auto, Umwelt und Verkehr: Umsteuern, bevor es zu spät ist; Verkehrspolitische Konferenz der IG Metall und des Deutschen Naturschutzrings, Köln 1992.

7 Ebd., S. 21.

8 Daniel Goedevert, 2. Symposium der IG Metall Wolfsburg und des Gesamtbetriebsrates der VW AG am 6./7.2.1990 in Wolfsburg; Broschüre, herausgegeben von der IG Metall Wolfsburg, S. 64ff.

9 CAM Newsletter 6/2016.

10 Bernd Osterloh, Automobilwoche, 10. März 2017.

11 http://de.reuters.com/article/deutschland-volkswagen-tata-motors-id-DEKBN16H13V

12 www.zeit.de/news/2017-03/07/auto-autoindustrie-erwartet-weitere-allianzen-07180602

13 Dem ehemaligen BMW-Manager Eberhard von Kuehnheim wird die Aussage zugeschrieben, es gäbe möglicherweise zu viele Autos, ganz sicher aber zu wenige BMW.

14 http://veranstaltungen.handelsblatt.com/autogipfel/automobilindustrieim-kampf-der-welten/

15 www.moia.io/de/ und http://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/taxi-vermittlungsdienst-gett-so-funktioniert-vws-neues-investment-a-1094141.html

16 www.hamburg.de/contentblob/6770750/79dfb53810fce0a30027b01de5160168/data/2016-08-29-pr-mobilitaetspartnerschaft.pdf

17 Journal der Autostadt 1-2017, Wolfsburg, S. 29.

18 Dresden am 20.9.2016, Nürnberg, 10./11. November 2016, Hannover am 27.2.2017.

19 www.igmetall.de/auto-und-klima-24270.htm

20 http://nationale-plattform-elektromobilitaet.de/

21 Zum Vergleich: Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 12.000 E-Autos angemeldet, in China 190.000.

22 www.igmetall.de/nationale-konferenz-elektromobilitaet-16483.htm

23 EWSA PressRelease, 22.2.2017; www.eesc.europa.eu

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