Klima- und Mobilitätswende gemeinsam gestalten!

Gemeinsam Druck machen – für einen sozialen, ökologischen und demokratischen Wandel.

Meine Rede bei der Mobilitätswende-Kundgebung, 23.3.2021, gegenüber dem VW-Werk in Wolfsburg

Liebe Kolleginnen, liebe Mitstreiter*innen, ich spreche hier jetzt zu Euch, weil ich einer einer von denen da drüben bin. Genauer: weil ich einer von denen da aus der Autofabrik war. Zum möglichen Zeitpunkt habe ich jedoch meine Lebensarbeitszeit verkürzt und inzwischen bin ich Rentner. Ich habe keinen Auftrag, Euch Grüße zu übermitteln, wie sollte ich die 60.000 auch gefragt haben. Aber hätte ich gefragt: einige ließen wohl grüßen und freuten sich zumindest klammheimlich, andere wären skeptisch und wieder andere würden vielleicht fluchen.

Mehr als 20 Jahre habe ich dort gearbeitet, war Mitglied des Betriebsrates und aktiv in der IG Metall. Nun kümmere ich mich außerhalb des Betriebs um Alternativen zur Produktion von PKW`s, unter anderem bei Attac in den bundesweiten Arbeitsgruppen ArbeitFairTeilen und der zur Mobilitätswende: einfach umsteigen

Was bewegt die Menschen, die bei VW arbeiten? Es sind selbstverständlich Menschen wie Du und ich, Männer und Frauen in ihrer ganzen Vielfalt, Ältere und Jüngere, hoch qualifiziert oder mit sehr eintönigen Aufgaben betraut. Mit ihrer Arbeit, ihren Familien, mit ihren Wünschen für sich und ihre Kinder, ihren Hobbys, ihren Sorgen und auch mit ihrem Hunger nach Gerechtigkeit. Sie leben ihr Leben in dieser Welt.

Was sollen sie tun, was können sie tun, auch wenn sie die Klimakatastrophe sehen und erleben so wie wir sie sehen und erleben? Sie sind darauf angewiesen, hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sehr erschwerend kommt hinzu: die neoliberale Ideologie des Marktes als allein beherrschender undefinierter Ort, Zeit und Raum hat sich manifestiert und ist konkret geworden. Der globale Markt, der Arbeitsmarkt wird auf jeden Arbeitsplatz projiziert. Das setzt jede einzelne Beschäftigte massiv unter Druck.

Die dort drüben Beschäftigten sind durchaus geübt in zivilem Ungehorsam: Einen Zug aufzuhalten, Straßen zu blockieren ist nichts unbekanntes für gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen, sie haben vielfältige Streikerfahrung! In den letzten Wochen haben dort drüben tausende in Warnstreikaktionen ihre Forderungen laut gemacht. Auch von den Aktionsformen her unterscheiden sich die Arbeiter*innebewegung und die Klima- und Verkehrswendebewegung gar nicht sehr.

Wir müssen miteinander reden, uns gegenseitig zuhören und voneinander lernen. Es wird sich lohnen! Ich grüße die Beschäftigten da drüben im Werk, ich grüße die Kolleginnen und Kollegen, die IG Metall, die heute die Verhandlungen mit dem Unternehmen fortsetzt. Es geht um mehr Geld, um Zukunftssicherung, Ausbildungsplätze und auch um Arbeitszeitverkürzung. Und ich wünsche dabei viel Erfolg!

Gewerkschaften wurden vor fast 200 Jahren gegründet, um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Elenden, der lohnabhängig Beschäftigten in den Fabriken zu verbessern! Es ist Gewerkschaften nicht fremd, für Umwelt- und Naturschutz zu kämpfen, weil das eben wesentlich zu den Lebensbedingungen dazugehört.

Vor mehr als 30 Jahren hat die IG Metall dazu umfangreich debattiert zusammen mit Umwelt- und Naturschutzverbänden. Ergebnis war ein großartiges Positionspapier mit der Überschrift „Auto Umwelt und Verkehr – umsteuern bevor es zu spät ist.“ (1989).

Dann kam der Bruch, Ende der Gesichtete sagten einige, die Marktöffnung bis hin nach China. Krise war verdrängt.

Auch jetzt wieder passen und gehören Gewerkschaften und Klimaschutz zusammen: Gemeinsam mit dem BUND /Nabu wurde eine Erklärung verabscheidet: Klima- und Mobilitätswende gemeinsam gestalten (2019). Und zusammen mit Fridays for Future erklärt die IG Metall: „Gemeinsam Druck machen – für einen sozialen, ökologischen und demokratischen Wandel“.

Nun gibt es einen weiteren wichtigen Aspekt:

Die ökologische Krise trifft auf eine massive ökonomische Krise!

Das führt zu erhöhter Sensibilität, zu Sorgen und Angst bei den Beschäftigten. Was wird aus unseren Arbeitsplätzen, aus unserem Einkommen, aus unserer Zukunft. Der Autoabsatz stagnierte bereits in den Jahren 2018 und 2019, seit letztem Jahr ist er um 20 Prozent zurückgegangen. Könnten wir uns drüber freuen, wenn es alternative Produkte und alternative Beschäftigung für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Produktion gäbe oder wenn die Arbeitszeit mit Lohnausgleich entsprechend gekürzt würde.

Das Unternehmen und alle anderen Unternehmen nutzen die Pandemie zur Erpressung der Belegschaften, zur Drohung mit Verlagerungen der Produktion in Billiglohnländer. Die drohen mit Erwerbslosigkeit und einer Prekarisierung des Lebens für alle diejenigen, die hier die Reichtümer der Aktionäre erarbeiten.

Und was tut die Regierung: es fließen Subventionen noch und noch seit 2009 bisher geplant schon bis 2030. Die Abwrackprämie mit damals 5 Mrd. Euro, Tesla bekommt jetzt für die neue Fabrik in Grünheide nochmals mindestens 1 Mrd. direkte Zuschüsse, E-Auto-Prämen belaufen sich in den nächsten Jahren auf mindestens 10 Mrd. Euro, der Aufbau der Ladeinfrastruktur kostet X Mrd. Euro. Hinzu kommen indirekte Subventionen durch eine ungerechte KFZ-Steuer, das Dienstwagenprivileg, Dieselsteuerermäßigung und vieles mehr.

Was wäre alles möglich an alternativer Produktion, wenn dieses Geld zum Beispiel in den ÖPNV gesteckt würde. Den Beschäftigten ist es doch gleich, was sie bauen. Vielen ist es inzwischen eher peinlich, bei einem Unternehmen zu arbeiten, dass für den größten Abgasbetrug in der Gesichtete verantwortlich ist und der dieses Unternehmen auch schon über 30 Milliarden Euro gekostet hat. Viele schämen sich inzwischen, für ein solches Unternehmen arbeiten zu müssen.

Und nun haben wir vor allem ein politisches, ein demokratisches Problem, denn die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften können nicht entscheiden, was dort gebaut wird. Das entscheiden die Eigentümer und Manager ganz allein – obwohl es um hunderttausende Arbeitsplätze und das Weltklima geht. Es gibt einen riesigen Bedarf an Straßenbahnzügen, an Waggons und Triebwagen, an Bussen für den ÖPNV. Aber die Kommunen, die das bestellen müssten, haben kein Geld, sind systematisch verarmt worden. Für die Konversion der Produktion, für die Zukunftssicherung braucht es mehr Mitbestimmung der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft.

Die Mobilitätswende kann und soll demokratisch umgesetzt werden – das geht nur mit denjenigen, die dort arbeiten, mit den Belegschaften. Dafür wäre auch unser Grundgesetz, die Artikel 14 und 15 anwendbar: Mitbestimmung, um der Gemeinnützigkeit zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Aktiven der großen Jugendbewegung Fridays for Future haben schon einen guten Anfang gemacht, als sie mit der Gewerkschaft Verdi für gute Bedingungen und einen einheitlichen Tarifvertrag im Nahverkehr gekämpft haben!

Für solche Veränderungen müssen wir Bündnisse wachsen lassen. Dazu bedarf es Anstrengungen von beiden Seiten, einer Verankerung in Betrieben und Belegschaften. Impulse wie sie von der heutigen Demonstration ausgehen, bringen diese Debatte voran. Danke dafür und viel Erfolg!

Hier ein Bericht des Regionalsenders TV38 (die ersten 11 Minuten): https://www.youtube.com/watch?v=xOiMRZ11DaI

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert