Volkswagen: Diskussion um Personalien verdeckt Machtkampf um Konzernstrategie

Planspiel der Bosse

Scheinbar geht es nur um Personalien. Im Fokus steht die Vertragsverlängerung für den Chef des VW-Konzerns Herbert Diess. Gleichfalls wird debattiert, ob seine Wunschkandidaten als Finanzvorstand und Einkaufsvorstand berufen werden. Insbesondere zwischen dem Vorstandsvorsitzenden und dem Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh sei ein Machtkampf entbrannt, steht immer wieder in den Gazetten.

Nur: Es geht nicht um persönliche Konflikte, selbst wenn Diess als Rauhbein gilt und Mitbestimmung nur zähneknirschend akzeptiert. Diess hatte im Frühsommer vor einigen tausend Führungskräften Mitglieder des Aufsichtsrats beschuldigt, VW-Interna an Medien weitergeleitet und sich strafbar gemacht zu haben. Für diesen unhaltbaren Vorwurf musste er sich später entschuldigen.

Tatsächlich geht es um die Strategie des Konzerns – und um den Umgang mit der Belegschaft. Der Vorstand unter Diess setzt darauf, neben E-Autos so lange und so viele profitable Verbrenner wie möglich zu produzieren und zu verkaufen – allen Versuchen von Greenwashing zum Trotz. Das ist insoweit ein Vabanquespiel, als das Verbot von Pkw mit Benzin- oder Dieselmotoren in vielen Ländern beschlossene Sache ist. Der Ausweg, den afrikanischen Kontinent jetzt mit Verbrennerautos zu fluten, zerstört die dort funktionierenden Nahverkehrssysteme und trägt zum Klimawandel bei. Und es ist insoweit ein Vabanquespiel, als die Zukunft von E-Autos ziemlich unsicher ist. Trotz immenser Subventionen kommt ihr Absatz nur schleppend voran. Fehlen Infrastruktur und Strom, sind die Kosten im Vergleich zu Autos mit traditionellen Antrieben sehr hoch.

Von Streit und Unsicherheit zeugt auch, dass ausgerechnet der für die ­E-Strategie zuständige Manager Thomas Ulbrich das Unternehmen verlässt, wie der NDR am vergangenen Mittwoch berichtete: Nach Angaben eines Konzernsprechers habe der Abgang rein private Gründe. Es liege eine »extrem intensive Arbeitsphase« hinter Ulbrich, hieß es weiter.

Die Darstellung anderer Medien, denen zufolge Konzernboss Diess Ulbrichs Abberufung betrieben haben soll, wies VW zurück. Am vergangenen Dienstag war der Aufsichtsrat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengekommen – über deren Inhalte indes kaum etwas nach außen drang. Damit blieb offen, ob der bis 2023 laufende Vertrag mit Diess, wie von ihm gefordert, vorzeitig verlängert wird. Am vergangenen Freitag sagte er gegenüber der Wirtschaftswoche (Online) nur, dass er vorhabe, »diesen Vertrag zu erfüllen«.

Die Konzernspitze geht ihrer aktuellen Strategie zufolge von »wachsenden Märkten« aus. 150 Milliarden Euro sollen in den nächsten fünf Jahren in die Entwicklung und den Vertrieb von Autos investiert werden, um den jährlichen Absatz von zehn Millionen Fahrzeugen weiter zu steigern: »Der Planung zugrunde liegt die Erwartung, dass die globale Wirtschaft über die nächsten fünf Jahre moderat wächst. Auch für die einzelnen Märkte wird ein moderates Wachstum mit regionalen Unterschieden vorausgesetzt. Die Steigerung der Produktivität um 30 Prozent und Einsparungen in der Verwaltung sollen die Transformation finanziell absichern«, verlautbarte VW in einer Mitteilung am 13. November.

Die Planspiele der Konzernbosse, also das Setzen auf E-Autos und auf wachsende Märkte bzw. die Verdrängung von Konkurrenten auf schrumpfenden Märkten, gefährdet vor allem eines: Arbeitsplätze der Beschäftigten. Das ist der »Machtkampf«, um den es im Kern geht: Weiterhin nur Profitstreben als Strategie ohne Rücksicht auf Klima, Umwelt und Menschen – oder Kurs auf ein sozial und ökologisch nachhaltiges Angebot von Mobilität.

https://www.jungewelt.de/artikel/391992.automobilindustrie-planspiele-der-bosse.html

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