Rüstungsproduktion und Rüstungsexport: schlechte Tradition bei Volkswagen

Rheinmetall MAN Military Vehicles, Betriebsratsmobbing, „außergewöhnliche Tödlichkeit“, Panzer für die Polizei, Nazisymbole und Kriegsprofite.

Der Bundessicherheitsrat tagt in geheimer Sitzung. Am Mittwoch (27.3.2019) wurde keine Einigung über eine mögliche Verlängerung des Rüstungsexportstopps für Saudi-Arabien erzielt. Es wurden Koalitionsgespräche angesetzt, bevor der Bundessicherheitsrat erneut zusammenkommt und entscheiden wird – die CDU besteht auf den Export wegen der Verträge und der „Verlässlichkeit auch gegenüber den europäischen Partnern.“ Die europäischen Waffenschmieden laufen Sturm gegen den Rüstungsexportstopp und bringen ihre konservativen Regierungen dagegen in Stellung. Aber es geht nicht um „Verlässlichkeit“, sondern um die Profite der Rüstungsfirmen, wie Rheinmetall und Volkswagen.

Weil die Bundesregierung die Waffenexporte nach Saudi-Arabien vorläufig gestoppt hat, bleibt Rheinmetall auf 120 Militär-LKW sitzen. Das wäre für den Konzern ein Verlust von 136 Millionen Euro. Rheinmetall verlangt eine entsprechende Entschädigung vom Bund. Das unternehmerische Risiko soll auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH hat seinen Sitz in der Dachauer Straße 651 in München. RMMV ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Rheinmetall und MAN, MAN ist ein Tochterunternehmen von Volkswagen.

Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH – „Die neue Dimension geschützter Mobilität“

Am 1. Mai 2010 haben die Rheinmetall AG und die MAN Nutzfahrzeuge AG ein Joint Venture für militärisch genutzte Radfahrzeuge gegründet. Bei Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH (oder kurz RMMV) wurden die militärischen Radfahrzeugaktivitäten der Rheinmetall Landsysteme GmbH und die Military Division der MAN Nutzfahrzeuge fusioniert. Mit Wirkung zum 1. Januar 2012 wurden die Radfahrzeug-Produktion in Kassel (bisher Rheinmetall Landsysteme) sowie das Lkw-Werk Wien (bisher MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG) in das Gemeinschaftsunternehmen RMMV überführt. Damit entstand ein Komplettanbieter für Militärradfahrzeuge, der die ganze Palette der Transport-, Führungs- und Funktionsfahrzeuge für Kriegseinsätze abdeckt. An der neuen Gesellschaft sind Rheinmetall und MAN jeweils zur Hälfte beteiligt. Gegenwärtig beschäftigt RMMV rund 1.500 Mitarbeiter.

Betriebsratsmobbing

Das labournet.de und express, die Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, berichten lesenswertes und entlarvendes über Rheinmetall: Auf der Jahreshauptversammlung im Mai 2018 wollten AktivistInnen ein Banner mit dem Spruch »8. Mai 1945, damals wie heute: war starts here, let‘s stop it here« hochhalten. Zwei AktivistInnen sollen jetzt 15.000 Euro für die von der Polizei unterbundene Aktion zahlen. Das Rheinmetall in solchen Fällen nicht zimperlich ist, zeigt auch der Fall eines österreichischen Betriebsrats: Mesut Kimsesiz kam 2005 als Leiharbeiter und Schweißer zur MAN Nutzfahrzeug AG in Wien-Liesing. 2007 wurde er in die Stammbelegschaft übernommen und seit 2012 ist er Mitglied im Arbeiterbetriebsrat, in dem die gewerblichen Beschäftigten vertreten werden. Im Wiener Werk von Rheinmetall sind ca. 650 ArbeiterInnen und ca. 350 Angestellte fest angestellt, dazu kommen noch ca. 140 LeiharbeiterInnen.

Nach einem Gespräch des Arbeiterbetriebsrates mit der Geschäftsführung über militärische Exportaufträge am 24. Mai 2017 beginnt ein monatelanges Kesseltreiben gegen Mesut, da er auch nachgefragt hatte, was es mit Gerüchten über den Export militärischer Fahrzeuge an das Königreich Saudi-Arabien, also in ein im Jemen kriegführendes Land, auf sich hat. Dass diese Fragen mehr als berechtigt sind, zeigen viele Artikel, die Ende 2018 in deutschen Tageszeitungen über die Umgehung des von der deutschen Bundesregierung verhängten Exportstopps gegen Saudi-Arabien durch Rheinmetall erschienen sind.

Mesut Kimsesiz wird eine Woche nach dem Gespräch am 1. Juni 2017 als einziger Betriebsrat schriftlich der Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht unterworfen und am 24. November 2017 wegen angeblichen Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Pflichten mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt. Er wird – wenig überraschend – des Verstoßes gegen Geheimhaltungspflichten angeklagt. Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhaltes behält sich Rheinmetall eine Kündigung oder Entlassung ausdrücklich vor. Seine Betriebsratstätigkeit darf er bei rechtzeitiger Voranmeldung nur noch im Betriebsratsbüro ausüben – der Zutritt zu den Werkshallen ist ihm untersagt worden. 15 Monate dauert dieser Prozess nun schon und in den nächsten Wochen ist mit einem Urteilsspruch zu rechnen.

Das Vorgehen von Rheinmetall lässt vermuten, dass die Entlassung bzw. Kündigung von Mesut Kimsesiz von langer Hand vorbereitet wurde und Rheinmetall dabei nicht eben zimperlich vorgegangen ist. Der Vorwurf des Verstoßes gegen Geheimhaltungspflichten und unrechtmäßiger Veröffentlichung von Fotos betriebsinterner Bereiche auf einer von ihm verantworteten Homepage wird von Mesut Kimsesiz bestritten. Er forderte das Gericht auf, die Möglichkeit zu untersuchen, dass eventuell Rheinmetall selbst hinter der »unrechtmäßigen Veröffentlichung von Fotos« stehen könnte. Mesut hat zur Unterstützung seiner Betriebsratsarbeit zwar hin und wieder Fotos betriebsinterner Bereiche aufgenommen, diese aber nie auf eine öffentlich zugängliche Webseite gestellt. Der Verdacht ist daher nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass hinter all den Vorwürfen eine vorsätzliche und kriminelle Manipulation stecken könnte.

Mit dem Prozess gegen Mesut Kimsesiz wird der österreichischen ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung von den VW-Bossen einmal mehr vorgeführt, wie das gültige Gesetz geeignet ist, die fragwürdigen Interessen und Rechte des Kapitals zu verteidigen. Die »Verrechtlichung« des Betriebsrätewesen entpuppt sich als unzumutbare Einschränkung von kämpferischen BetriebsrätInnen[1].

Außergewöhnliche Tödlichkeit“

Nach Recherchen von „report München“ und „stern“ aus Dezember 2018 bewirbt das Joint Venture, das Rheinmetall in Südafrika betreibt, einige Produkte für ihre – so wörtlich – „außergewöhnliche Tödlichkeit“. RMMV selbst schreibt: „Unser Service garantiert unseren Kunden die optimale Einsatzbereitschaft und lange Lebensdauer aller von Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH (RMMV) gelieferten Produkte. Das Service-Portfolio umfasst: Ausbildung, technische Dokumentation, Erstellung von Servicekonzepten, Baugruppeninstandsetzung, Ersatzteilversorgung, Wartung und Instandsetzung – im In- und Ausland – bei Nato- und UN-Einsätzen in Krisen- und Spannungsgebieten.“

Rheinmetall MAN Military Vehicles Australia ist eine Tochtergesellschaft von  Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH und beliefert die australischen und neuseeländischen Streitkräfte mit logistischen und taktischen Militärfahrzeugen und damit verbundenen Dienstleistungen. Diese Leistungen umfassen Projektmanagement, Systemengineering und -integration, Through Life Support, Instandhaltung und Reparaturen sowie Ersatzteilmanagement.

Rheinmetall MAN Military Vehicles Nederland B.V. lobt sein kundenorientiertes Dienstleistungsportfolio aus: Entwicklung neuer Systeme, kundenspezifische Anpassungen und Umrüstung für militärische Einsatzzwecke einschließlich aller verwandten ILS-Aktivitäten, Fertigung und Montage, Einsatzunterstützung einschließlich Service-Modellierung, Ersatzteilmanagement, kundenorientierte Beratung, Out-of-area Unterstützung, Ausbildung, Konfigurations-Management und Werksinstandsetzung sowie Unterstützung bei der Aussonderung von Fahrzeugen

Panzer für Sachsens Polizei: Nazisymbole, maximale Performance und kompromissloser Einsatz!

Sachsens LKA bestellte bei RMMV Panzer, angeblich für Anti-Terror-Einsätze. 330 PS, 15 Tonnen schwer, Allradantrieb, dabei 100 Kilometer pro Stunde schnell, 500.000 Euro pro Stück – der „Survivor“-Koloss für den Anti-Terror-Kampf, mehr Panzer als Auto. Er soll mit seiner Vollpanzerung und 10-Zentimeter-Panzerglasscheiben Maschinengewehrfeuer und Panzerminen standhalten, vor atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen schützen. Als das Ende 2017 bekannt wurde, dass NS-Symbole auf die Sitze gestickt sind, gab es Ärger. Die vorgeschobene Lüge, das sei vom Werk her einfach so ausgeliefert worden, hielt nicht lange: RMMV hat genau die Ausstattung geliefert, die Sachsens Polizeitruppe bestellt hatte.

 „Gepanzerte Kettenfahrzeuge sind auf der ganzen Welt Überlebenskünstler. Nur kompromisslose Funktionalität und Qualität garantieren sowohl in Wüsten als auch in tropischen oder arktischen Regionen maximale Performance im Einsatz.“ Ein anderes Unternehmen, das zum Volkswagen-Imperium gehört, die RENK AG, kennt die Herausforderungen dieses Bereiches seit Jahrzehnten, es nimmt eine weltweit führende Rolle bei Gleitlagern oder Getrieben u.a. für Schiffe und Panzer ein: „Produkte und Lösungen müssen den Standard des technisch Möglichen im nachhaltigen Einsatz von gepanzerten Fahrzeugen setzen. Darum sind wir (Renk) strategischer Partner vieler Armeen. Von der Entwicklung der hydrostatisch-hydromechanischen Antriebs-, Lenk- und Bremsfunktion für Kettenfahrzeuge bis hin zur Beherrschung von extremen Anforderungen im Bereich der Mobilität, wie sie in neuesten Fahrzeuggenerationen zum Einsatz kommen, haben wir die Evolution von gepanzerten Kettenfahrzeugen maßgeblich mitgestaltet.

Kriegsprofite in grausamer Tradition

Die VW/MAN-Tochter Renk macht mit solchem Kriegsgerät einen Umsatz von 470 Mio. Euro, erwirtschaftet eine Traumrendite von 10 Prozent und beschäftigt 2.200 Personen: Arbeitsplätze! Hiltrud Werner, heute im Konzernvorstand von Volkswagen zuständig für „Integrität“, hat sich auch im Aufsichtsrat von Renk die Sporen für ihren Aufstieg verdient. Auch der gegenwärtige Personalvorstand von Volkswagen, Gunnar Kilian, hat in seiner vormaligen Funktion als „Generalsekretär des Konzernbetriebsrates“, die Rüstungsproduktion innerhalb des Konzernes nicht infrage gestellt: „So wird der Ausschuss Maschinenbau die Rolle von MAN Diesel & Turbo sowie Renk im Konzern stärken. Insgesamt geht es uns darum, dass wir über die enge Zusammenarbeit gewährleisten, dass wir für alle Beschäftigten im Konzern die besten Lösungen erreichen. Im Fokus steht dabei letztlich immer die Sicherheit der Arbeitsplätze. “ (WAZ, 6.6.2014) In der Bilanz von Volkswagen schlägt sich das überaus positiv nieder, selbst wenn es verschämt wenig publiziert wird. Die Augsburger Allgemeine berichtet: „Das Unternehmen tritt zurückhaltend auf, weil etwa eine Drittel des Umsatzes auf Militärprodukte entfällt.“ (AAZ 9.3.2014)

Diese „Diskretion“ ist nicht nur mit der in der Bevölkerung verbreiteten Abscheu von Krieg und Kriegsproduktion zu verstehen, sondern auch angesichts der schrecklichen Tradition und Geschichte von Volkswagen, die 1938 mit Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit, veranlasst vom Kriegsverbrecher Ferdinand Porsche, dem Urvater des Porsche-Piëch-Clan, begann. Das Jammern über den „Verlust“ von 130 Millionen Euro Umsatz, weil die Bundesregierung entsprechend dem Auftrag des Grundgesetzes und des Völkerrechts keine Waffen an Diktatoren und in Kriegsgebiete liefert, fällt öffentlich nicht allzu laut aus. Dennoch werden die Sektkorken bei VW knallen, sollte dieses Ausfuhrverbot durch die große Koalition aufgehoben werden. Die Menschen in Saudi-Arabien und die Opfer des Krieges in Jemen haben dann eine weitere Adresse, an die sie sich mit Klagen wegen des Bruches des Völkerrechtes wenden können: Volkswagen.


[1] http://www.labournet.de/internationales/oesterreich/gewerkschaften-oesterreich/kein-kurzer-prozess-rheinmetall-man-military-vehicles-wien-liesing-will-einen-unbequemen-arbeiterbetriebsrat-aus-dem-betrieb-rausprozessieren/

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