Foto (Gerald Heere): Toni Hofreiter, Andreas Blechner, Joachim Landrath, Stephan Krull
Gesellschaftliche Kräfte und Allianzen für sozial-ökologische Transformation 21.8.2017, Braunschweig, im Rahmen der Veranstaltung der Grünen: Mobilität im Spannungsfeld von Ökologie und Arbeitsmarkt.
Beitrag zur Debatte in der Diskussion mit Toni Hofreiter, Andreas Blechner und Prof. Dr. Landrath
Der Arbeitskreis „Zukunft der Automobilindustrie“ ist ein Ad hoc-Gesprächskreis der Rosa-Luxemburg-Stiftung, um die Bedingungen für eine sozial-ökologische Transformation des Verkehrsbereiches zu diskutieren. Im Gesprächskreis kommen Wissenschaftler_innen verschiedener Disziplinen zusammen, aber auch Gewerkschafter_innen, Betriebsratsmitglieder und demnächst Aktive aus Verkehrs- und Umweltinitiativen. Das ist auch eine Kritik am „Dieselgipfel“, der nur unter Beteiligung der Bundesregierung und der Autoindustrie stattfand. Eine Perspektive besteht darin, die dringend nötige Verkehrswende anzustoßen, um in einem überschaubaren Zeitraum von 10 Jahren die wichtigsten Veränderungen auf den Weg gebracht zu haben. Zentral ist dabei, die Bedürfnisbefriedigung zum Ausgangspunkt aller Überlegungen zu machen – bewusst im Widerspruch zu Orientierung an Maximalprofit.
Grenzen des Verbrennungsmotors / des Autos erreicht, Wandel sichtbar
- Luftverschmutzung
- 46 Mio. PKW in D. zugelassen
- Ressourcenverbrauch
- Wir leben über unsere Verhältnisse!
Es muss um Bedürfnisbefriedigung gehen (statt Mobilitätszwang: arbeiten, einkaufen),
um einen angemessenen und verantwortlichen Umgang mit Ressourcen und Klima.
Autoindustrie (Eigentümern) geht es nur um Konkurrenz, um Profit:
Dieselgipfel und NPE ohne wichtige gesellschaftliche Gruppen!
Subventionen ((inkl. Dienstwagenprivileg und Dieselrabatt Mrd.) sind ebenfalls Ausdruck von Veränderungsbedarf.
Seitenwechsel und Sponsoring unterbinden – dto. Großspenden.
Die Industrie hat schon gewählt – siehe Spenden an die CDU/CSU und an die FDP!
VW-Markenvorstand Herbert Diess: „Neue, mächtige Wettbewerber warten nur darauf, uns anzugreifen. … Ein Prüfstein für die ernsthafte Umsetzung des Zukunftspaktes ist die Steigerung der Produktivität.“ Bedürfnisbefriedigung ermöglicht Ausstieg aus dieser Konkurrenz!
- Allianz: Zunächst Beschäftigte / Gewerkschaft – ohne / gegen sie nicht machbar, nicht demokratisch.
Veränderung / Abbau von Arbeitsplätzen steht ohnehin an: 25 % Produktivitätssteigerung als Vorgabe für die nächsten fünf Jahre bedeutet, entweder 25% mehr Output (sehr unwahrscheinlich/ausgeschlossen) oder weitere 25 % Personalüberhang (sehr wahrscheinlich).
IG Metall fordert „geordneten Prozess“ = alle einbeziehen, demokratisch entscheiden > Wirtschaftsdemokratie
Weiter fordert die IG Metall: Kommunen massiv unterstützen für attraktiven ÖPNV.
(1990 – IGM-Programm „Auto, Umwelt und Verkehr“: „Ökologische Schäden und die soziale Frage, die Rodung von Regenwäldern, neue Armut in den Industriestaaten und Hunger in den Entwicklungsländern zeigen zugleich, dass Kapitalismus und ungezügeltes Wachstum keine Alternativen sind. Regionale Lebensqualität und globales Überleben können wir nur gewinnen, wenn Arbeit und Technik in Einklang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen organisiert werden, wenn soziale Gerechtigkeit und Solidarität mehr gelten als das Recht des Stärkeren und der schnelle Profit.“)
- Allianz mit Beschäftigten: materielle Abhängigkeit von Job ernst nehmen > Lebensunterhalt
Moral hilft nicht – erst kommt das fressen und dann die Moral.
- Kritik: Endlichkeit des Wachstums / und Marktsättigung – und Alternativen:
- Faire Verkehrswende jetzt starten / einleiten > Prozess 10 Jahre?
- Wo werden neue Arbeitsplätze gewonnen?
Waggon-Bau (Fern- und Nahverkehrszüge, Güterzüge)
Lokomotiv-/Triebwagenbau
Trassenbau (Infrastruktur) inkl. Stahl / Elektrik, Elektronik
Fahrradindustrie, Fahrrad- und Gehwegebau
z.B. & Finanzierung: Auf den Bau der A39 von Wolfsburg nach Lüneburg verzichten = > 1 Milliarde € nicht ausgegeben zur Betonierung der Landschaft und zur Anlockung von Verkehr; viel sinnvoller wäre dieses Geld in den Bau kurz getakteter S-Bahnverbindungen (die auch für den Güterverkehr nutzbar sind) zwischen Braunschweig und jeweils Wolfsburg, Gifhorn, Peine, Salzgitter und Helmstedt sowie einer Ringbahn genau auf dieser Strecke. Dann die B4 teilweise vierspurig ausbauen, ein paar Ortsumgehungen (wie in Uelzen), fertig. Und für den Güterfernverkehr die Bundesstraße sperren.
- Personalbedarf im Gesundheitswesen und im Bildungswesen, Umwelttechnologien, Beseitigung von Umweltschäden
Viel Personalbedarf / Umstrukturierung / Qualifizierung
Bei „geordnetem Prozess“ (IG Metall) vs. Chaos, ist das ohne Verwerfungen möglich = Chance! (siehe Ausstieg aus der Steinkohle).
- Arbeitszeitverkürzung / Unterbeschäftigung überwinden, Gutes Leben gewinnen!
Allianz
- mit Verkehrs- und Umweltinitiativen
- mit den Krankenkassen
- mit den Beschäftigten der o.g. volkswirtschaftlichen Sektoren
- Alle die an einem intakten, flächendeckendem ÖPNV interessiert sind (Bürgerticket und Nahverkehrsabgabe)
Was macht die Sache schwierig?
Autoindustrie erfindet sich neu: Autonomes fahren, App-basierte Fahrtenvermittlung, CarSharing = Angriff auf den ÖPNV bzw. auf die Umsätze des ÖPNV („strategische Partnerschaft“ u.a. mit Hamburg):
„Neue Welt der Mobilität“ (VW): „Ziel des neuen Unternehmens ist es, umfassende Abruf-Mobilitätsangebote zu entwickeln und anzubieten, die das Leben der Menschen in urbanen Räumen lebenswerter, sauberer und sicherer machen. Das Geschäftsfeld der App-basierten Fahrtenvermittlung (Ride Hailing) birgt neben Pooling Services mit intelligenter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel (Connected Commuting) dabei das derzeit größte Marktpotenzial im Bereich der Abruf-Mobilität. Ziel des Volkswagen Konzerns ist es, bis 2025 einen substanziellen Teil seines Umsatzes mit diesen neuen Geschäftsfeldern zu erwirtschaften.“ Robotertaxis, die ohne Personalkosten und durch den effizienten Betrieb von vernetzten Flotten zu einer drastischen Senkung des Fahrpreises pro Kilometer führen sollen, sind das geplante Mittel dazu. Mit Ride-Hailing, der Bestellung eines bald selbstfahrenden Autos per App mit anschließendem Pooling Services, also der Aneinanderkopplung solcher autonomer Fahrmodule, sollen die Umsätze des bisherigen ÖPNV abgeschöpft und derselbe trockengelegt werde.“
Die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und sozial- und umweltverträgliche Mobilität sind zu wichtig, um sie den Zetsches, den Porsches und Piëchs und deren Profitstreben zu überlassen!
Was wünsche ich mir von der Politik?
- Stopp von Subventionen für die Automobilindustrie.
Wer millionenfach betrügt, wer der Kartellbildung verdächtigt wird, darf nicht noch Subventionen des Staates bekommen!
Wer seinen Aktionären Milliarden Dividenden auszahlt, braucht keine Subventionen des Staates.
- Verkehrswende als demokratischen Prozess gestalten, Etablierung eines „Branchenrates“ unter Beteiligung der Beschäftigten, der Gewerkschaften, der Umwelt- und Verkehrsverbände. Schritte in Richtung Wirtschaftsdemokratie!