Appell an die niedrigsten Instinkte

Die Autokonzerne appellieren in ihrer Werbung an die niedrigsten Instinkte der Menschen! Ungezügelte Emotionalität, Prestige serienmäßig, Freiheit auf Knopfdruck.

Aber die Vernunft kann nicht warten!

Ford-Kunden sollen ihre Kinder vergessen, bei Audi soll der Verstand aussetzen, BMW will uns den Atem rauben und Mercedes erfindet neuen Antriebsdrang. Das ist Ausdruck der vollständigen Verantwortungslosigkeit der Manager und Großaktionäre der Autoindustrie angesichts der dramatischen Lage, in der sich die Welt befindet mit Krieg und Klimakatastrophe, mit Lebensmittel- und Energiekrise, mit Millionen Menschen auf der Flucht. Diese Verantwortungslosigkeit und Verwahrlosung sind eine mittelbare kriminelle Sabotage und Blockade des völkerrechtlich bindenden Pariser Klimaabkommens, das durch die Bundesrepublik Deutschland auch wegen der Autoindustrie permanent verletzt wird.

„Neuer Antriebsdrang“ – so wirbt Mercedes für ein SL-Cabrio mit 476 PS: Von 0 auf 100 in 3,9 Sekunden, ca. 15 Liter Benzin auf 100 km, mehr als 300 g CO2-Emission pro Kilometer: neuer Antriebsdrang. „Der neue SL verkörpert Roadster-Genuss ohne Kompromisse, ungezügelte Emotionalität und unbändige Kraft.“ Weiter: „Doch dieses Gefühl soll man nicht beschreiben: man soll es erfahren. Denn nur dann spürt man, wieso der SL seit Generationen als der Star seiner Klasse gilt. Prestige serienmäßig. Überholt die Zeit. Freiheit auf Knopfdruck.“

Egoismus und Rücksichtslosigkeit werden als Freiheit gepriesen. Ein Freiheitsversprechen für diejenigen, die sich ab 170.000 Euro aufwärts mit solch einem Geschoss (!) das Gefühl einer Zeitmaschine leisten können. Ein gebrauchter Aston Martin mit 534 PS und 230 g/km CO2-Emission (Effizienzklasse G) ist zum Schnäppchenpreis von netto 213.000 Euro zu haben – 40.000 Euro Mehrwertsteuer lässt sich der betuchte Käufer gleich auf dem Steuerkonto seiner Vermögensverwaltungsgesellschaft gutschreiben. Das zahlt dann der kleine Steuerzahler, der sich mit dem Reichen gemein fühlt, wenn er als Angestellter ein Geschäftsfahrzeug fahren darf oder sich verschuldet und mit einem Kredit der Autobank einen Golf GTI gekauft hat.

Ganz sicher geht es den Autokonzernen immer und ausschließlich um Profit – aber in der Werbung knüpfen sie an die niedrigsten Instinkte mancher von Selbstzweifeln geplagter Männer: mit dem „Antriebsdrang“ soll eine gefährliche Situation bewältigt werden (ein anderer interessanter Text wäre die Beschreibung, worin die Gefahr eigentlich bestehen soll).

Diese psychologisierende Werbung fordert zur Auseinandersetzung auf. Autos und Autobahnen wurden von den Nazis für ihre Massenpsychologie und Volksgemeinschaftsideologie mit Erfolg eingesetzt. Deshalb lohnt es, die demonstrativ abgelehnte Triebkontrolle der Automanager und ihrer männlichen Zielgruppe etwas genauer zu betrachten: Der sadistische Aggressionstrieb (Antriebsdrang) wird ausgelebt im Bedürfnis nach Macht und Stärke, in unstillbaren Dominanz- und Machtphantasien und im Geschwindigkeitsrausch. Die Folge ist nicht nur der Formel-1-Rennzirkus inklusive oberflächlicher Triebbefriedigung von Millionen Zuschauern an den Fernsehschirmen, das sind auch illegale Rennen mitten in den Städten und der Einsatz von Autos als Waffen. Die Presse berichtet im August 2019 über Ferdinand Piëchs Sohn Ferdinand jr. (53) und Enkel Arthur (23) und deren ungezügelte Emotionalität: „… haben sich zwei Mitglieder der Familie Piëch in einer Art und Weise verhalten, die sonst nur bei Spätpubertierenden mit übersteigertem Geltungsdrang zu beobachten ist … Sie sollen sich nämlich mit zwei Supersportwagen (Ferrari und Porsche) ein illegales Rennen auf der Autobahn geliefert haben. Dabei hätten sie auf der A 81, zuerst nebeneinander fahrend, den nachfolgenden Verkehr gezielt auf 70-80 km/h heruntergebremst, um danach gegeneinander voll zu beschleunigen.“1

Ford wirbt für den Mustang mit dem Slogan: „Denken Sie einmal nicht an Ihre Kinder“, bei Audi soll die Vernunft warten und BMW baut Autos, die den Atem rauben sollen. Das alles wird von der Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen hoch subventioniert, hier nur die größten Posten: Dieselprivileg 8,2 Mrd., Pendlerpauschale 6 Mrd., Dienstwagenprivileg 3,2 Mrd. Euro. Hinzu kommen direkte Subventionen für Elektro-Autos und 144 Autobahnprojekte, die nicht nur Milliarden kosten, sonder Geld und Baukapazitäten binden, die für Wohnungsbau und für Infrastrukturbau für den Schienennah- und Fernverkehr fehlen.

Zurück zu den triebgesteuerten Automanagern, ihren Ingenieuren und Werbeexperten. Der ehemalige Patriarch des Porsche-Piëch-Clans scharte um sich „Männer mit Benzin im Blut“. Das Fehlen jeglicher Triebkontrolle hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt und das soziale Gefüge in vielen Ländern, die hier gezeigte „Werbung“ ist nur ein Ausdruck davon. Angesichts der Klimakatastrophe und des Energiemangels, Angesichts des individuellen Leides durch tausende tödliche Unfälle und hunderttausende Unfälle mit Personenschäden in unserem Land ist es unverantwortlich, diese profit- und testosterongesteuerten Eigentümer und Manager der Autoindustrie weiter machen zu lassen, was ihnen gerade so einfällt, um Profite nach oben zu schrauben. UN-Generalsekretär António Guterres: „Das Nichthandeln von Regierungen und Unternehmen zur Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens ist kriminell.“ Diese Kriminalität findet ihren Ausdruck in der Blockade des Pariser Klimaabkommens, in dem gigantischen Abgasbetrug, in Wirtschaftsspionage, in der Verletzung von Menschenrechten, in der Bestechung von Betriebsräten, in häufigen Kartellverstößen. Diese Kriminalität wird so schamlos ausgelebt wie die Gewinne aus Rüstung, Krieg und Zwangsarbeit nach 1945 mitgenommen wurden: „Als Enkel und Sohn“ schrieb Ferdinand Piëch zu seinem kriegsverbrecherischen Großvater Ferdinand Porsche und seinem fürchterlichen Nazi-Vater Anton Piëch, „nehme ich für mich in Anspruch, über meinen Großvater und Vater nicht strenger zu urteilen als die Untersuchungskommissionen der Alliierten in den Jahren nach Kriegsende. … Und als ich die eminente Rolle des Konstrukteurs begriff, hat mir die ganze Geschichte bloß imponiert und mich nicht eine Sekunde lang belastet, warum auch?“ (F. Piëch, Auto.Biographie, S. 25/26).

Antiaggressionstraining wird nicht reichen, Vergesellschaftung ist angesagt.

Wer so denkt und heute solche illegalen Rennen veranstaltet, solche Anzeigen publiziert, wer solche Aussagen für sagbar hält (Vernunft kann warten, Denken Sie einmal nicht an Ihre Kinder), dem dürfen Wirtschaft und Verkehr in unserem Land nicht weiter anvertraut werden. Ein Antiaggressionstraining wird nicht ausreichen, weil es ja tatsächlich um Profit geht. Triebverzicht ist ein Zivilisationsmerkmal und eine der Grundvoraussetzungen für die Existenz von menschlichen Gesellschaften. Erst durch den Verzicht auf die unmittelbare Ausübung von Trieben wird menschliche Interaktion auch ohne Aggression möglich. Von der Autowerbung werden vor allem Männer ermuntert und ermutigt, ihre Sekundärtriebe ungehemmt auszuleben. Eine ungenügende Triebkontrolle kann zu Straftaten führen zur Befriedigung des Triebes – hier zum Beispiel des Aggressionstriebes. Auf der Straße, insbesondere auf der Autobahn, gilt das Recht des Stärkeren, es gibt ein Rechtsfahrgebot und kein Tempolimit. Das Gefühl des „Sieges“ ist dann die Trieberfüllung – oft verbunden mit Unfällen, mit kleinen Katastrophen für beteiligte und unbeteiligte Personen.

Was also tun mit den Eigentümern und Managern der Autoindustrie, die ohne jedes Bewusstsein für die natürliche, soziale und gesellschaftliche Umwelt ausschließlich an maximalem Profit orientiert sind?

Im Grundgesetz heißt es in den Artikeln 14/15, dass das Eigentum zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Widrigenfalls kann es zum Zwecke der Vergesellschaftung enteignet werden. Im § 2 der Satzung der IG Metall steht, angelehnt an das Grundgesetz, sinngemäß das Gleiche: „Aufgaben und Ziele der IG Metall sind insbesondere: Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb und Unternehmen und im gesamtwirtschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialräten; Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.“ Bei Autobahnen oder Landebahnen ist die Bundesregierung da nicht zimperlich mit Enteignung. Die Hypo Real Estate Bank AG wurde in der Finanzkrise zur Abwendung einer Pleitewelle und gegen den Willen der Aktionäre verstaatlicht. In einem Volksentscheid in Berlin erhielt die Enteignung großer, nur am Profit interessierte Wohnungskonzerne eine Mehrheit. Nun also die Autokonzerne, die grundgesetzkonform in Gemeineigentum zu überführen sind, um dem Allgemeinwohl zu dienen und um die Pariser Klimaziele zu erfüllen.

Spurwechsel!

Wenn die Autokonzerne zu dem Notwendigen nicht bereit und in der Lage sind, wenn die Schienenfahrzeughersteller ihre Kapazitäten einschränken statt aufzubauen, dann können gemeinwirtschaftliche Betriebe gegründet werden, um diese Lücken zu füllen. Denn es geht, anders als in der Autowerbung, darum, das Vernunft nicht warten kann und das wir verantwortlich für die Gesellschaft und die Zukunft denken, planen und handeln. Die Bedürfnisse gehören in den Mittelpunkt, nicht der Profit. Vernunft kann nicht warten!

1https://www.focus.de/finanzen/news/nur-zwei-tage-vor-tod-des-vw-patriarchen-sohn-und-enkel-von-ferdinand-piech-sollen-sich-illegales-autorennen-geliefert-haben_id_11081689.html

https://www.vsa-verlag.de/nc/buecher/detail/artikel/spurwechsel/

https://www.rosalux.de/stiftung/gespraechskreise/zukunft-auto-umwelt-mobilitaet/

Ein Gedanke zu „Appell an die niedrigsten Instinkte“

  1. Ein brillanter Artikel! Ja, den Verstand ausschalten müssen wir wohl alle bzw. haben wohl die meisten schon gemacht. Wie sonst können wir von solch einem Wahnsinn dominiert werden?

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