Globale Autoindustrie schon über Vorkrisenniveau?

Ausgerechnet Ernst & Young (EY) reden die Konjunktur schön – genau diejenigen, die auch Wirecard lupen- und astreine Geschäfte testiert hatten.

Während die Welt unter der Last der Pandemie stöhnt, Tausende Beschäftigte vor der Erwerbslosigkeit stehen, während das Sozialprodukt fast überall sinkt, vor allem die Löhne und Gehälter, während Gastronomie, der Einzelhandel und viele kleine Mittelständler vor einer Pleitewelle und die Beschäftigten vor der Erwerbslosigkeit  stehen, bleibt die Autoindustrie scheint es davon unberührt. Fast alle Indikatoren zeigen nach unten – nur die Profite der Autokonzerne klettern nach oben? Die ersten drei Monate des Jahres liefen blendend für die größten Autohersteller der Welt. Zumeist schnitten sie sogar besser ab als vor der Coronapandemie. Und das, obwohl Produktion und Verkäufe in Deutschland, Europa und Südamerika rückläufig sind. Allein China ist auf der Überholspur und das Konjunkturprogramm in den USA beginnt zu wirken. 

Die Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) brach am Montag in Jubel aus. Die Autohersteller hätten »besser abgeschnitten als vor der Coronapandemie«. Schamvoll verschwiegen wird dabei, dass der Absatz bereits 2018 zu bröckeln begann. Maßstab für die vierteljährlichen EY-Berechnungen sind die Finanzzahlen der 16 größten Autohersteller. Bei konstanten Wechselkursen setzten die Branchenriesen zwischen Januar und Ende März 403 Milliarden Euro um – rund 35 Milliarden mehr als im Vorjahr und 5,8 Milliarden weniger als im Rekordjahr 2018. Nachgeholt wurde in China im Frühjahr 2021, was im Lockdown nicht möglich war. Deshalb auch die Unsicherheit der »Experten«, ob sich diese »Rekordjagd« im weiteren Jahresverlauf so fortsetzen wird.

Der Finanzkosmetik sind die nackten Zahlen bekannt. Volkswagen, Daimler und BMW haben 2021 ihre Ergebnisse für das erste Quartal bereits vorgelegt. Daimler-Chef Ola Källenius sagte am 16. April: »Eine vorteilhafte Absatzdynamik (…), die von allen wichtigen Regionen, insbesondere China, angetrieben wurde, hat den Produktmix und die Preisdurchsetzung im ersten Quartal 2021 stark unterstützt.« Der Konzern habe diese Entwicklung »aufgrund der überzeugenden Produktsubstanz, verbunden mit erheblichen Fixkostensenkungen, nutzen« können. Die Pandemie beschreibt der Daimler-Boss als ein »sehr erfreuliches Marktumfeld«, in dem der Daimler-Konzern weiter konsequent seine Strategie umsetzen konnte. Erfolgreich verkauften sich vor allem teure Elektroautos aus dem Luxussegment.

In Deutschland wurde im Januar und Februar ein Viertel weniger Fahrzeuge verkauft als im selben Zeitraum im Jahr 2020 – rund 364.000 anstatt der 486.000 Pkws. Andere westeuropäische Länder waren sogar noch stärker betroffen. In Portugal gingen die Pkw-Neuwagenverkäufe um 47 Prozent zurück, in Spanien um 45 Prozent, in Dänemark um 40 Prozent. Nur China fuhr davon: Von Januar bis April 2021 wurden in der Volksrepublik etwa 6,79 Millionen Pkw abgesetzt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht das einer Steigerung um etwa 53,1 Prozent. Es bleibt festzuhalten: Allein der Boom in China rettet die Profite der globalen und so auch der deutschen Autoindustrie.

Produktion und Export der »Big three« aus Deutschland haben sich im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 um 25 Prozent verringert, lediglich gegenüber dem ersten Quartal 2020, dem ersten Coronaquartal haben sich Absatz und Umsatz um zehn bis 30 Prozent erhöht. Diese Entwicklung betrifft nicht nur die deutsche Autoindustrie, die weltweite Produktion von Fahrzeugen ging deutlich zurück – 2019 um etwa fünf Prozent. Dann sorgte die Coronapandemie für eine Verschärfung. Nur etwa 55,8 Millionen Pkw wurden 2020 weltweit produziert – nach ca. 70 Millionen Fahrzeugen 2018.

Wie ist dann der steigende Profit bei Daimler, (4,3 Milliarden Euro), Volkswagen (4,8 Milliarden Euro) und BMW (drei Milliarden Euro) allein im ersten Quartal 2021 zu erklären? Zunächst mit »Preisdurchsetzung«, das heißt, Verzicht auf Rabattaktionen: nehmen, was der Markt hergibt. Zweitens ist es vor allem der »Produktmix«. Das heißt, dass der Anteil großer, schwerer und teurer Fahrzeuge erhöht wurde. SUVs sind inzwischen der größte Teil (5,5 Millionen) der im Jahr 2020 gebauten 13,3 Millionen Autos deutscher Hersteller – nur 3,5 Millionen Fahrzeuge wurden in Deutschland gebaut, fast zehn Millionen im Ausland, überwiegend in China, aber auch in Indien, Mexiko, Brasilien, Polen und der Slowakei.

Kostensenkungen sind ein weiterer Baustein für die Profitsteigerung – allein in Deutschland sank die Zahl der Beschäftigten in der Auto- und Zulieferindustrie seit Beginn des Jahres 2020 um 30.000. Es wirken sogenannte Sparprogramme, die schon vor Corona aufgelegt wurden, die bis heute andauern und durch die Pandemie nochmals einen kräftigen Schub bekommen haben, z. B. durch Kurzarbeitergeld aus der Arbeitslosenversicherung. Dazu kommen Subventionen für Elektroautos von rund vier Milliarden Euro sowie weitere direkte und indirekte Subventionen von ca. zehn Milliarden Euro pro Jahr für die deutschen Hersteller. Ein Geldsegen für die Aktionäre – erwirtschaftet nicht aus zusätzlichen Verkäufen, sondern aus teureren Luxusfahrzeugen für die Reichen dieser Welt und mit Hilfe staatlicher Subventionen.

https://www.jungewelt.de/artikel/403469.konzerne-frisierte-bilanzen.html

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