Aus Protest gegen die drohenden Subventionen für die Autoindustrie sind in den letzten Wochen tausende Menschen auf die Straße gegangen. Die Aktionen standen unter dem Motto „Keine Kohle für Klimakiller! Mobilitätswende statt Abwrackprämie!“. Die Kritik an der Autoindustrie und der regelmäßigen direkten und indirekten Subventionierung gibt es schon viel länger. Ein Höhepunkt waren die Proteste gegen die IAA 2019 und die Obszönitäten, die dort ausgestellt wurden, für die dort geworben wurde: Sand im Getriebe!
Verkehr ist der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen in Deutschland, Tendenz steigend. Der Großteil (95 Prozent) stammt aus dem individuellen Autoverkehr. Um das 1,5 Grad-Klimaziel zu erreichen, muss diese Art von Mobilität strikt eingeschränkt werden.
Unabhängig von Corona hat die Autoindustrie begonnen, die aus Gründen der Konkurrenz seit Jahren aufgebauten Überkapazitäten jetzt wieder zu vernichten, Personal zu reduzieren und Standorte zu schließen. Eine Prämie wird eine solche Politik der Arbeitsplatzvernichtung nur noch belohnen. Daimler, VW und BMW sitzen auf Gewinnrücklagen in Höhe von 180 Milliarden Euro, schütten Dividenden von 5 Milliarden Euro für die Großaktionäre Quandt, Klatten, Porsche und Piëch aus. Statt mit dem Geld diese Großaktionäre noch reicher zu machen, könnten sie das Geld für den nötigen Umbau ihrer Produktion nutzen! Aber warum sollten sie das tun, wenn der Staat großzügig einspringt? Altmaier, Scheuer, Söder, Kretschmer und Weil wollen, was kein Bauer machen würde: das fette Schwein auch noch mit Schmalz einreiben.
Allein die Tatsache, dass dieses Gruselkabinett der Autojunkies für eine solche Prämie ist, wäre Grund genug, dagegen zu sein. Und genau das ist nach vielen repräsentativen Umfragen auch die Mehrheit der Bevölkerung in unserem Land: schlauer als die CSU zu sein, ist aber nun auch nicht so schwierig.
Angesichts des drohenden Klimakollapses und der vorhandenen Überkapazitäten ist es absurd, SUV‘s und Elektroautos zu fördern, weitere Steuermilliarden in die Förderung des individuellen Autoverkehrs zu stecken. Statt eine Dinosaurierindustrie zu fördern, müssen öffentliche Verkehrsmittel mit staatlichem Geld ausgebaut werden. Viele Kommunen haben wegen Corona zu kämpfen, Bus und Bahn weiter zu finanzieren. Umso dringender müssen sie unterstützt werden. Es braucht Subventionen für Öffis statt für Autos!
Es gibt also bessere Alternativen, wenn die erzwungene Mobilität reduziert wird: die langen Wege zum Arbeitsplatz und die Einkaufsmöglichkeit nur auf der grünen Wiese. Für die verbleibende gewünschte Mobilität sind öffentliche Verkehrsmittel, fahrradgerechte und fußgängerfreundliche Städte jetzt vorhanden. Kinder können sich in der autofreien Stadt gefahrloser ihre Umwelt erobern, ältere Personen brauchen nicht mehr die zweite Grünphase abzuwarten, bevor sie mit dem Rollator über die Straße kommen, parkende Autos blockieren nicht mehr die Fußwege für Kinderwagen schiebende Personen, schlechte Luft und Lärm gehörten der Vergangenheit an, schwere Unfälle, verbunden mit unendlich viel Leid als „Kollateralschaden“ der Autogesellschaft werden zu einem großen Teil vermieden.
Dieser Plan ist mit viel Arbeit verbunden – und enthält also auch eine Alternativen für diejenigen, die ihre Brötchen jetzt in der Autoindustrie verdienen. Schienen bauen und verlegen, Städte umplanen und umbauen, Busse und Bahn bauen und betreiben, das flache Land mit digital erreichbarer, kleinteiliger Mobilität versorgen – das alles schafft mehr Arbeitsplätze, als in der Automobilindustrie verloren gehen bzw. jetzt schon vernichtet werden. Mit einem guten Plan und politischem Willen lässt sich das in etwa 10 Jahren ohne große Brüche umsetzen.
Die Krise bietet die Chance, das System der Mobilität sozialökologisch umzugestalten. Angst ist dabei erklärlich, aber letztlich unbegründet: Die Autokonzerne können in Teilen zu klimagerechten Mobilitätskonzernen für Busse und Bahnen umgebaut werden. Verbunden mit einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung in Richtung 30-Stunden-Woche,der kurzen Vollzeit für alle und mit dem riesigen Arbeitskräftebedarf in der Pflege oder im Handwerk führt das sicher nicht zu einem Überhang an Arbeitskräften.
Veröffentlicht in „Ossietzky“, 12/2020, 13.6.2020