Klimaschutz oder Industriearbeit – ein antagonistischer Widerspruch?

Bearbeitung eines meines Erachtens auflösbaren Widerspruchs – wenn ganzheitliche Konzepte entwickelt werden, wenn die Erreichung der Klimaziele über Organisationsegoismus und Machfragen gestellt werden, wenn die Frage nach Verfügung und Eigentum angegangen wird. Eine Kontroverse mit der IG Metall. Oder: warum die IG Metall nicht richtig liegt, wenn sie dagegen zu Felde zieht, dass es keine Abwrackprämie für Autos mit Verbrennermotor gibt.

Nachsehenswert ein Gespräch zwischen Kai Burmeister von der IG Metall in Baden-Württemberg, Jessica Tatti (MdB Die LINKE) und mir als ehemaligem Betriebsrat bei VW und Koordinator des RLS-Gesprächskreises der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Zukunft Auto, Umwelt und Mobilität.

Ich vertrete in diesem Gespräch u.a. die These, dass die gewerkschaftliche Strategie der Beschäftigungssicherung nicht haltbar ist. Dagegen sprechen die teils einvernehmlich mit Betriebsräten und IG Metall getroffenen Pläne zum Personalabbau bei Volkswagen, Audi, Daimler und BMW, bei ZF, Conti und Boosch. Diese Pläne sind oft in sogenannte „Zukunftsverträge“ eingebaut, womit zukünftige Fertigung an den Standorten gesichert werden soll, nicht aber der gegenwärtige Grad an Beschäftigung.

Dagegen sprechen die Absatzrückgänge seit inzwischen drei Jahren und der Absturz des Absatzes seit Beginn diesen Jahres. Dagegen spricht die aus ökologischen Gründen erforderliche und von Linken, Umwelt-, Verkehrs- und Verbraucherinitiativen geforderte Mobilitätswende weg vom MIV und hin zum ÖPNV. Dagegen spricht die von Jessica Tatti benannte Strategie der Unternehmen der Auto- und Zulieferindustrie zur Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer Osteuropas. Dagegen sprechen die sich häufenden Fusionen oder, schlimmer noch, Insolvenzen selbst großer Unternehmen wie dem Anlagenbauer Eisenmann in Böblingen.

Kai Burmeister beantwortet nicht die Frage, weshalb die IG Metall die Mobilitätswende nicht als Beschäftigungsalternative für diejenigen unterstützt, die in der Autoindustrie keine Zukunft mehr haben. Er antwortet jedoch, sinngemäß (lohnt sich aber nachzuhören): „Genau das wollen die Konzerne erreichen: Beschäftigung runter – fordern die Autogegner und Klimapropagandisten. Damit sind die Konzerneigner sehr einverstanden! Den Konzernen passt es sehr gut, wenn die Ökos fordern, dass die Beschäftigung runtergeht. Wir (IG Metall) wollen aber die Beschäftigung erhalten, um den Umbau zu gestalten mit unseren Leuten, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten, die können sehr wohl etwas anderes produzieren, dafür brauchen wir das Geld der Auto-Konzerne und unseren internen Einfluss darauf. Lasst die Beschäftigen in den Konzernen, um etwas zu ändern. Denn nur mit Rückenwind einer solidarischen Gewerkschaft werden unsere Auto-Beschäftigten zu uns halten.“

Nun muss bzw. müsste die Debatte weitergehen: Wenn das Ziele und Projekte der IG Metall sind, die unter „normalen“ Umständen nicht durchgesetzt werden konnten, wie soll das denn dann unter Krisenbedingungen gehen?

Angesichts des Absatzeinbruches, der Insolvenzen, des laufenden Abbaus von Beschäftigung wäre es eine realistische Möglichkeit, auf Produkte für den ÖPNV und die Bahnindustrie im weiteren Sinne umzusteuern sowie den kampf um eine kollektive Arbeitszeitverkürzung wieder aufzunehmen. Das setzt natürlich politischen Willen voraus, der ohne weiteres bei der Regierung nicht vorhanden ist. Also müssten die entsprechenden Bewegungen unterstützt und weiter entwickelt werden. Dazu könnten regionale Transformationsräte oder Mobilitätsräte ein Instrument sein. Hinzu käme der Kampf um Mitbestimmung, Wirtschaftsdemokratie und Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel. Unterhalb davon ist eine Beschäftigungssicherung nicht zu haben.

Aber schaut selbst in der Aufzeichnung des Gespräches:

https://www.facebook.com/watch/live/?v=686266068820384

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