„Transformation“ und „Arbeit 4.0“ sind vor allem ideologische Begriffe, die, ähnlich wie „Globalisierung“ oder „Demografie“, bestimmte Bilder produzieren und Ängste auslösen sollen.
Ein Diskussionsstand in vielen Beratungen zur Lösung der anstehenden Probleme: Es braucht eine kollektive Arbeitszeitverkürzung; gesetzlich auf 40 Stunden pro Woche und tariflich über die 35-Stunden-Woche hin zur 30-Stunden-Woche. Anders ist prekäre Arbeit nicht zu überwinden, sind die Grenzen des Wachstums und die Klimaziele nicht einzuhalten, die Produktivitätsschübe nicht zu bewältigen und ein Ende des überbordenden Exportes nicht möglich.
Es ist realistisch davon auszugehen, dass die Krise (ökonomisch, ökologisch, sozial) andauern und sich weiter verschärfen wird. Damit stellt sich die Frage der Arbeitszeitverkürzung und der fairen Teilung von Arbeit ebenfalls schärfer. Das widerspiegelt sich in der Debatte in Deutschland und in Europa wieder. So fand die Veröffentlichung über die Idee der 4-Tage-Woche in Finnland ein großes öffentliches Echo – andererseits versuchen die Unternehmer alles, um die Arbeitszeit zu verlängern. Das negativste Beispiel dafür ist die Verlängerung der erlaubten täglichen Arbeitszeit in Österreich auf 12 Stunden und die Tarifflucht vieler Unternehmen in Deutschland. Gleichzeitig eröffnen sich mit der Klimabewegung neue Bündnismöglichkeiten.
Es kommt darauf an, was und wie gefragt wird!
In Deutschland fanden und finden diverse „Befragungen“ zur Arbeitszeit statt; die Antworten laufen meist auf eine Verkürzung und Individualisierung der Arbeitszeit hinaus, oft spielt auch eine Verlängerung der Arbeitszeit eine Rolle (bei denjenigen Personen, die unfreiwillig in Minijobs oder kurzer Teilzeit beschäftigt sind).
Kritische Wissenschaftlerinnen weisen darauf hin, dass es darauf ankommt, was und wie gefragt wird! Unstreitig sei, so Christina Klenner jüngst bei einer Tagung, dass der „Gender Time Gap“ 8,4 Stunden pro Woche (ca. 1/4 der Arbeitszeit) beträgt (WSI Gender Datenportal https://www.boeckler.de/wsi_38957.htm#). Daraus ergibt sich, dass fast 70 Prozent der Männer eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 36 und 40 Stunden haben, aber nur 40 Prozent der Frauen. Mütter von Kindern im Haushalt leisten zu 75 Prozent Teilzeitbeschäftigung. Die wichtigste Erkenntnis aber: 50 Prozent aller Beschäftigten wünschen sich eine Verkürzung der Zeit für Erwerbsarbeit auf Wochenbasis – Männer wollen weniger Überstunden und Frauen die kurze Vollzeit. Es käme jetzt darauf an, eine neue Norm unterhalb der 35-Stunden-Woche zu formulieren, so Christina Klenner.
Bei der gleichen Tagung kündigte Susanne Ferschel, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagfraktion DIE LINKE an, weitere Initiativen zur Begrenzung der gesetzlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden zu ergreifen. Vorsicht sei geboten bei der „Modernisierung“ des Arbeitszeitgesetzes durch die große Koalition mit der Schaffung sogenannter „Experimentierräume“ zur Verlängerung täglicher Arbeitszeiten und Verkürzung von Pausenzeiten.
Es bleibt spannend in diesem Themenfeld – auch im Zusammenhang mit der Tarifrunde der IG Metall und dem angebotenen „Moratorium“ zur Beschäftigungssicherung. Jedoch verliert die IG Metall derzeit Mitglieder, größere Betriebe haben Personalabbau angekündigt, Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter wurden schon zehntausendfach entlassen, etliche Betriebe der Zulieferindustrie haben Insolvenz angemeldet. Die anstehenden Rationalisierungsschübe sind ohne deutliche Arbeitszeitverkürzung gesellschaftlich und sozial nicht zu bewältigen.
Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf die Broschüre der
Rosa-Luxemburg-Stiftung: Individuelle Bedürfnisse, kollektive Aktionen, politische Alternativen- Beiträge zur neuen Arbeitszeitdebatte.
https://www.rosalux.de/publikation/id/40786/individuelle-beduerfnisse-kollektive-aktionen-politische-alternativen/ Die Broschüre gibt es sowohl online als auch offline mit einem Plädoyer von Margareta Steinrücke und mir für eine kollektive Arbeitszeitverkürzung (30 Stunden sind genug) sowie einem weiteren Beitrag von mir zur Krise als Chance: „Die Automobilindustrie
steckt in einem Dilemma“.
Hier findet ihr das Protokoll der Zusammenkunft der Attac AG ArbeitFairTeilen einschließlich der Vorhaben für das begonnene Jahr:
https://www.attac-netzwerk.de/ag-arbeitfairteilen/wichtige-materialien/protokolle-archiv/protokoll-des-treffens-vom-15122019/