Von dieser Klimakommission war nichts anderes zu erwarten!

Branchen- und Mobilitätsräte – demokratische Wege zur Mobilitätswende!

Allseits Enttäuschung darüber, dass die Klimakommission keine Ergebnisse gebracht hat, die zielführend sind. Dazu lohnt ein Blick auf die Kommission, die eine Arbeitsgruppe der Regierungskommission „Zukunft der Mobilität“ ist. Diese Kommission ist die Nachfolge der vollends gescheiterten „Nationalen Plattform Elektromobilität“ in fast identischer Zusammensetzung. Auch diese „Nationale Plattform“ war schon vor dem nicht ausreichendem Bericht der KlimaAG gescheitert, als sie von der Kanzlerin ebenso abgewatscht wurde wie vom Verkehrsminister. Scheuer erklärte ihren Vorschlag, eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen einzuführen, per BILD-Zeitung als „gegen jeden Menschenverstand gerichtet“: „Ich hätte Ideen, die die Leute verärgern, gleich weggelassen. Nächste Woche diskutiere ich darüber mit den Arbeitsgruppenleitern und dem Chef der Plattform, Professor Kagermann. Ziel ist es, die Arbeitsweise zu überdenken und zu positiven Ergebnissen zu kommen – anstatt alte, abgelehnte und unrealistische Forderungen wie das Tempolimit wieder aufzuwärmen.“

Das ursprüngliche Ziel von einer Millionen Elektroautos bis 2020 – so fragwürdig Elektroautos sind – wird grandios verfehlt. Nun hat die Kommission das Ziel für 2030 mit 10 Millionen Elektro-Autos beschlossen. Das wären dann etwa 15 Prozent des KFZ-Bestandes, 85 Prozent blieben Autos mit Verbrennungsmotor. „Geeinigt“ hat man sich auf „massive Investitionen“ in den ÖPNV und die Bahn sowie in die Digitalisierung – alles Maßnahmen, die altbekannt und teils längst beschlossen sind, aber bei weitem nicht ausreichend und nicht wirklich mit Zahlen und Verbindlichkeiten untersetzt.

Der Auftrag der Arbeitsgruppe lautet: „Im Verkehrssektor sollen die THG-Emissionen bis 2030 um 40-42% gegenüber dem Bezugsjahr 1990 gesenkt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, steht unser Verkehrssystem vor einer tiefgehenden Transformation. Ziel ist die Schaffung eines weitgehend treibhausgasneutralen, ökonomisch tragfähigen und sozial ausgestalteten Mobilitätssystems. Dafür bedarf es tiefgreifender gesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Change-Prozesse, insbesondere im Bereich der Automobilwirtschaft und des Mobilitätsverhaltens.“

Was soll man jedoch von einer Regierungskommission und dieser AG Klimaschutz im Verkehr erwarten? Geleitet von einem Autofreak sitzt neun Vertreter der Industrie von BDI bis BDA ein einziger Vertreter der Gewerkschaft (IG Metall) gegenüber und sowie drei Vertreter von Umweltverbänden.

Die AG 4 (Sicherung des Mobilitäts- und Produktionsstandortes) wird geleitet von Jörg Hofmann (Vorsitzender IG Metall), ansonsten besetzt mit 16 Vertretern verschiedener Unternehmen. Und während die Gewerkschafter sich am Nasenring durch die Arena führen lassen, ist Opel schon fast am Ende, kündigen Ford, Audi und Volkswagen große Programm zum Personalabbau an, gehen kleine Zulieferbetriebe reihenweise insolvent, planen die DAX-Konzerne Stellenabbau in hunderttausender Größenordnung. Über den Ausbau von ÖPNV und Bahnverkehr wird geredet, aber nicht wirklich etwas getan – jedoch unter anderem dort würden die Arbeitsplätze entstehen, die in der Autoindustrie unweigerlich verloren gehen. Ansonsten ist in einer anderen Arbeitsgruppe noch der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Zusammengefasst: Etwa 100 Vertretern der Industrie und Regierung sitzen drei Gewerkschafter und etwa 10 Vertreter von Umweltverbänden gegenüber. Von anderen betroffenen Gewerkschaften wie Verdi oder IGBCE keine Spur, vom DGB ohnehin nicht.

Dem Umweltredakteur des SWR ist zuzustimmen: „Jetzt gibt es exakt zwei Möglichkeiten: Entweder wir geben das mit dem Klimaschutz auf und verabschieden uns vom Fortschritt. Oder wir gehen das Problem endlich an. Mehr Geld für die Bahn, viel mehr für den öffentlichen Nahverkehr in den Städten und vor allem auf dem Land.“

Was ist erforderlich, was wäre von einer verantwortlich handelnden Regierung zu erwarten? Greta Thunberg sagt völlig zu recht: „Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten – die Regeln müssen geändert werden.“

Was die Kommission beschließen müsste:

Statt einer mit Industrievertretern und Staatssekretären aufgeblähten Regierungskommission brauchen wir örtliche und regionale Branchen- und Mobilitätsräte, in denen Gewerkschaften, öffentliche Verkehrsträger, Verbraucher-, Umwelt und Verkehrsverbände, Kinder- und Elternvertreterinnen, Politik und Industrie gleichberechtigt und auf Augenhöhe zusammen arbeiten und solche bzw. ähnliche verbindliche Empfehlungen aussprechen:

•    Der Straßenneubau wird sofort grundsätzlich beendet, die frei werdenden Gelder werden in den Ausbau des ÖPNV umgeleitet.

•    Aus Konkurrenz und dem Wachstumszwang werden wir uns verabschieden – die Mobilitätsbedürfnisse werden in den Mittelpunkt gestellt und sind zu befriedigen.

•    Alle Steuervorteile für Autos (Diesel, Dienstwagen etc.) werden gestrichen.

•    Alle Subventionen für die Autoindustrie werden gestrichen – z.T. gezahlte Subventionen werden zurückgefordert, wenn Bedingungen nicht (dauerhaft) erfüllt wurden (Sozialbindung, Umweltschutz)

•    Die Auto- und Mobilitätsunternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform brauchen zwingend einen „Ökologischen Umbauvorstand“ mit Vetorecht. Das Vorschlagsrecht haben die Umweltverbände in Abstimmung mit den Gewerkschaften.

•    Es werden Höchstgeschwindigkeiten von innerörtlich 30, auf Landstraßen 90 und auf Autobahnen von 110 verordnet.

•    Der Güterfernverkehr auf Straßen ist durch steigende Mautgebühren zu verteuern, Fahrzeuge über 2,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht werden in die Maut einbezogen.

•    Die Ausweisung von Fußgängerzonen wird den Kommunen bzw. Bürgerinnen und Bürgern in den Quartieren überlassen und massiv ausgeweitet; Innenstädte werden vom Lieferverkehr abgesehen weitgehend autofreie Zonen.

•    P&R-Plätze sind an den Stadträndern ausweisen und kurz getaktet (mit Bussen/Bahnen) an die Zentren anzubinden.

•    Beim ÖPNV und dem Schienenpersonenverkehr werden die Preise drastisch reduziert u.a. durch Befreiung von Mehrwert und Energiesteuern. Ein Bürgerticket anlog zum Semesterticket ist neben einer Nahverkehrsabgabe von Betrieben und Kaufhäusern das Finanzierungsmodell für preiswerten bis hin zum fahrscheinlosen ÖPNV; Taktzeiten den veränderten Gewohnheiten anpassen (Kundenzentriert).

•    KFZ-Steuer wird grundsätzlich geändert in ein Malus-/Bonus-System – große und PS-starke Fahrzeuge werden erheblich teurer, kleine und sparsame Fahrzeuge werden preiswerter.

•    Jobtickets fördern statt „Dienstwagen“ / Bahncard 100 für „Umsteiger“. Umweltprämien zur Abschaffung / Stilllegung von Autos, z.B. Jahresticket für den ÖPNV.

In Kombination mit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung (Kurze Vollzeit für alle, ArbeitFairTeilen) und der Stärkung anderer gesellschaftlich notwendiger Arbeiten wie Pflege, Gesundheit, Bildung und Kultur, mit der notwendigen Finanzierung durch staatliche Umbauprogramme wie bei der Kohle und einen entsprechenden Zeitrahmen von etwa 10 Jahren ist eine solche Mobilitätswende, eine sozial-ökologische Transformation und sind die Klimaziele zu schaffen – ohne soziale Verwerfungen.

https://www.swr.de/swraktuell/Kommentar-zur-Verkehrswende-Entweder-jetzt-handeln-oder-aufgeben,kommentar-klimawandel-verkehr-100.html?fbclid=IwAR2_bjur2FWN4VyvsZ1OXoBYZXSG6TAEekvc5TjdlfvXOEcNWGryltH8s-4

https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/

https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/RedenUndInterviews/2019/scheuer-interview-bild-am-sonntag-28012019.html

2 Gedanken zu „Von dieser Klimakommission war nichts anderes zu erwarten!“

  1. Danke für die klaren Worte!
    Eine kleine Ergänzung: auch für den urbanen Lieferverkehr gibt es Alternativen zu Kfz. Mit der Kombination von Mikrodepots und Cargobikes ersetzt UPS in der Hamburger Innenstadt bereits 8 von 9 ihrer klassischen Vans. Schiff und Gütertram bieten weitere Optionen. Deswegen bitte den urbanen Lieferverkehr von Kfz-Zufahrtsbeschränkungen in Innenstädte pauschal ausnehmen.

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