Kommt jetzt das Aus vom Aus für den Verbrenner? Riskanter Handelskrieg mit China?
Der Anteil der verkauften Elektro-Autos fällt auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren: Nur noch 11,6 Prozent der Neuwagen waren Stromer, wie aus der Statistik des Kraftfahrtbundesamtes hervorgeht, die am 7. März 2024 veröffentlicht wurde. Der Marktanteil von Elektroautos ist in den ersten beiden Monaten des Jahres 2024 in Deutschland regelrecht eingebrochen. Im Jahr 2023 hatte der Anteil noch bei fast 20 Prozent gelegen. Der Grund für den Absturz ist mehrdeutig: das abrupte Ende der Subventionen Mitte Dezember trägt einen großen Teil, die verfehlte Modellpolitik sowie die Inflation tragen weitere Teile des Absturzes.
Die Autohersteller kommen unter den gültigen Regeln (Gesetzen) nicht umhin, Elektroautos zu produzieren, weil sie strengere Flottengrenzwerte bei den CO2-Emissonen einhalten müssen, zur Zeit 95 Gramm pro Kilometer. Wären die Verbrennermotoren dahingehend weiter entwickelt worden und wären die Autos nicht immer größer und schwerer geworden, wäre ein Verbrauch von zwei bis drei Litern Benzin oder Diesel pro 100 Kilometer durchaus möglich und die Debatte heute wäre eine völlig andere.
Die EU (Kommission, Rat und Parlament) hat gerade vor einem Jahr das Aus für Verbrenner bei Neuwagen ab 2035 beschlossen. Manager der Autoindustrie und konservative Politiker wollen die Entscheidung rückgängig machen, die Kommissions-Präsidentin von der Leyen findet eine Prüfung des Vorhabens wichtig: „Technologie-Offenheit und Wahlmöglichkeiten für Verbraucher sollen weiterhin sichergestellt werden. Schließlich muss auch die Industrie wählen können, in welche Mobilität der Zukunft sie investiert.“ Der ursprüngliche Beschluss war schon löchrig: Anders als beim Wochen zuvor im EU-Parlament verabschiedeten Plan der Kommission wird es eine Ausnahme für angeblich klimaneutrale, synthetisch hergestellte Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, geben – in Kenntnis dessen, dass die Energiebilanz dieser Kraftstoffe maximal ungünstig ist und diese dementsprechend teuer sind. Darauf hatte die deutsche Bundesregierung mit dem dummen Spruch von der „Technologieoffenheit“ und in Absprache mit den Bossen der Autoindustrie gedrängt. Auf die E-Fuel-Regelung hatte die Bundesregierung um Verkehrsminister Wissing gedrängt. Synthetische Kraftstoffe zu verbieten, widerspräche der Technologie-Offenheit. Autofahren würde mit teuren E-Fuels auch von der Treibstoffseite her wieder zum puren Luxus werden. Die Zeitschrift auto-motor-sport berichtet über das noch nicht veröffentlichte Wahlprogramm der CDU zur Europawahl: „Wir lehnen eine Verbotspolitik – wie das Verbot von Verbrennungsmotoren – ab und werden sie auch so schnell wie möglich revidieren.“ Allen voran Jens Gieseke, CDU-Politiker aus dem niedersächsischen Papenburg, kämpft als Abgeordneter im EU-Parlament in AfD-Manier gegen eine „Verbotsideologie“. Vielmehr solle die EU der EVP zufolge bei ihrer Verkehrsgesetzgebung einen technologieoffenen Ansatz verfolgen. Polen hatte in der EU gegen das Gesetz gestimmt und eine Klage vor dem europäischen Gerichtshof angekündigt. Der Anteil des Autoverkehrs an Treibhausgasemission und Klimawandel wird ignoriert oder gar geleugnet.
Auch der Focus berichtet über das mögliche Verbrenner aus bzw. zitiert die österreichische Kronenzeitung und fügt folgende interessante Aspekt hinzu:
„Nach einer sehr bemerkenswerten Abstimmung in Brüssel am Montagabend steht das Aus für Verbrenner-Motoren vor dem tatsächlichen Aus“. Der Grund: Statt wie bisher dem Elektroauto automatisch eine CO2-Bilanz von null Gramm zuzuweisen, was von Wissenschaftlern stets kritisiert wurde und die tatsächliche Emissionsbilanz der E-Mobilität komplett ausblendet, soll es nun eine echte Bilanzbetrachtung geben. Damit wäre die E-Mobilität nicht mehr automatisch die beste Antriebsart. In einem Referenzdatenblatt, das der „Krone“ vorliegt, wird festgelegt, wie der CO2-Gehalt der zum Aufladen nötigen Elektrizität angerechnet wird, „inklusive der Verluste bei der Übertragung und Umwandlung“. Die Treibhausgas-Emissionen wären dann also für das E-Auto auch offiziell nicht mehr null, sondern vom Strommix abhängig.
Laut „Krone“ will sich die EU damit auch davor schützen, dass die selbst gewählte „Electric Only“-Strategie eine Welle von chinesischen Elektrofahrzeugen lostritt, die die europäische Autoindustrie quasi plattmachen könnten. Dazu passt die Ankündigung der EU, Zölle auf Autos aus China zu erheben – quasi den Freihandel aufzukündigen und eine Art Wirtschaftskrieg gegen China zu beginnen. In electrive, dem selbsternannten Leitmedium von Elektromobilität, heißt es dazu: „Wie im Amtsblatt der EU zu lesen ist, trifft die Europäische Union zurzeit Vorbereitungen für den Fall, dass festgestellt wird, dass chinesische E-Autos vom eigenen Staat „unfaire Subventionen“ erhalten. Konkret beginnt die Kommission am 7. März mit der sogenannten zollamtlichen Erfassung chinesischer E-Auto-Importe.“ Offenbar blendet die EU-Kommission dabei aus, dass es z.B. in Deutschland seit Jahren massive direkte Subventionen für Autos gab und gibt. „Die Kommission konstatiert, dass EU-Hersteller einen schwer wieder gut zu machenden Schaden erleiden könnten, wenn die Importe aus China bis zum Abschluss der Untersuchung weiter so stark ansteigen. Aus diesem Grund werden also rückwirkend wirksame Zölle vorbereitet.“
Der Siegeszug des E-Autos fällt vorerst aus, der Hype isch over!
Was geht`s uns an? Die beabsichtigte Beerdigung des Verbrenner-Verbotes und der angekündigte Wirtschaftskrieg mit China führt unmittelbar zu Reaktionen bei den drei großen Autoherstellern in Deutschland, bei VW, Mercedes und BMW. „Der schon proklamierte Sieg des E-Motors über den Verbrenner war nur deswegen ausgemachte Sache, weil man es in Besprechungsrunden in Brüssel und Berlin so beschlossen hatte“, schreibt eine Mercedes Fan-Seite. Mercedes-Benz fürchtet mit E-Autos langsamer zu wachsen und will länger Autos mit Verbrennungsmotoren bauen. Mercedes-Boss Källenius: „Den Zeitpunkt für den letzten Verbrenner kennen wir nicht.“ „Wir reden über eine gigantische Transformation industrieller Strukturen. Man kann nicht von heute auf morgen mit dem Verbrennungsmotor aufhören. Werfen Sie doch mal einen Blick auf die Zulassungszahlen in Deutschland oder Europa“, erklärt ein Manager von BMW. Bei Volkswagen wurde gleich die ganze Zukunftsplanung über den Haufen geworfen, maximale Unsicherheit breitet sich aus in den Werken Zwickau, Emden und Wolfsburg, in denen teils ausschließlich E-Autos produziert werden. Klare Aussagen dazu, wie es beispielsweise für das Stammwerk mittelfristig weitergeht, gibt es nicht. Die Versprechungen aus dem Zukunftspakt für die Standorte sind wieder einkassiert worden. Der NDR berichtet, dass in Emden länger als geplant Verbrenner-Autos gebaut werden: „Das Unternehmen hat massiv mit dem schwächelnden Absatz der Elektromodelle zu kämpfen. Daher soll die Produktion der Verbrenner länger laufen.“ Und die Wolfsburger Allgemeine berichtet von der Betriebsversammlung am 6. März: Seit einem Jahr verhandeln der Betriebsrat und das Management über die Details des Performanceprogramms, mit dem bis 2026 zehn Milliarden Euro eingespart werden sollen. Entscheidungen, die die Belegschaft direkt betreffen, werden nur nach und nach bekannt. Das ehrgeizige Projekt Trinity wurde vollständig gestrichen, die vorgesehene neue Fabrik dafür oder der Campus Sandkamp der FE werden nicht gebaut. Auch die Produktion des ID.3 auf einer extra umgebauten Montagelinie im Wolfsburger Werk wird gestoppt. Der Absatz des ID.3 erfüllte die Hoffnungen nie. Mit dem Wegfall der staatlichen Subvention muss VW nun selbst den Absatz seiner E-Autos subventionieren. Bezahlt haben das die Arbeiterinnen und Arbeiter bereits mit viel Kurzarbeit, mit dem Wegfall von Nachtschichten und reduzierten Stückzahlen. Zudem ist beschlossen, dass im Personalbereich 20 Prozent Kosten eingespart werden müssen. Zur Rede der Betriebsratsvorsitzenden Daniela Cavallo schreibt das Blatt wenig schmeichelhaft: „Cavallo hat stärker als ihr Vorgänger Bernd Osterloh die Grenzen des Co-Managements im partnerschaftlichen Sinne ausgelotet,“ und zitiert sie: „Warum ist die Stimmung denn so schlecht in unserer Belegschaft? Na, weil wir uns jetzt seit über einem Jahr über Kosten unterhalten – ohne klare zukünftige Zielbilder zu haben. Wo wollen wir hin? Wo setzen wir technologisch ein Ausrufezeichen? Menschen folgen keinen Budgets. Menschen wollen sich hinter einer gemeinsamen Idee versammeln“, rief sie den Beschäftigten zu und fordert vom Unternehmen solche Zielbilder ein. Einziger Fixpunkt bleibt der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2029 – allerdings gekoppelt an den wirtschaftlichen Erfolg. Noch setzten die VW-Arbeiter*innen ihre Hoffnung auf einen elektrischen SUV, der ab 2027 gebaut werden soll.
Wenn das Management der Autokonzerne, die Bundesregierung und die EU-Kommission ihren Schlingerkurs weiterfahren, wenn sie weiterhin die Verkehrswende blockieren und einen Wirtschaftskrieg gegen China vom Zaun brechen, werden BMW und Mercedes ihre Luxusautos vielleicht noch verkaufen können. Für einen Massenhersteller wie Volkswagen wird es dann aber sehr eng. Denn es ist keineswegs ein Naturgesetz, dass in Wolfsburg immerwährend Autos gebaut werden. Klug wäre es, jetzt über eine Konversion der Produktion nachzudenken. Und wenn das Autokapital das nicht will, dann muss es eben öffentlich und gesellschaftlich organisiert werden.