Volkswagen steigert Umsatz und operativen Gewinn – und der Gewinn ist das, was übrig bleibt, wenn alle Kosten, Steuern, Investitionen bezahlt sind und der Rest dann an die Großaktionäre ausgeschüttet wird. Die Belegschaft und die Öffentlichkeit sollen für dumm verkauft werden: „Mehr Autos, weniger Gewinn“? Das Ergebnis nach Steuern liegt fast 100 Millionen Euro über dem Ergebnis aus dem Vorjahr: 12,9 Milliarden Euro.
Die FAZ meldet am 20.10.: „Der Volkswagen-Konzern hat im dritten Quartal Umsatz und operativen Gewinn gesteigert. Der Erlös kletterte auf Basis vorläufiger Zahlen um 12 Prozent auf rund 78,8 Milliarden Euro, wie der Dax-Konzern am Freitagabend mitteilte. Davon bleiben etwa 4,9 Milliarden Euro als operativer Gewinn übrig. Vor einem Jahr hatte VW rund 4,2 Milliarden Euro als operativen Gewinn gemeldet. Für das gesamte Jahr rechnet der Autobauer mit einem um Sondereffekte bereinigten operativen Ergebnis von rund 22,5 Milliarden Euro.“ Vor ein paar Tagen berichtet auch wallstreet online darüber: „Nach aktuellen Schätzungen solle sich das bereinigte operative Ergebnis auf Vorjahresniveau bei rund 22,5 Milliarden Euro belaufen. … bei einer operativen Umsatzrendite von 6,2 Prozent. Den Nettogewinn schätzt das Unternehmen zwischen 4,5 Milliarden Euro und 6,5 Milliarden Euro.“
Volkswagen selbst spricht von einem solidem Neun-Monats-Ergebnis und erklärt, dass Produktionsausfälle und höhere Produktkosten das Quartal belastet haben, und: Zusätzliche Belastungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ergaben sich im dritten Quartal aus Steuernachzahlungen für frühere Veranlagungszeiträume. „Darüber hinaus haben alle Marken des Konzerns ambitionierte Performance-Programme gestartet. Der Konzern will damit eine langfristige Operative Umsatzrendite von rund 10 Prozent absichern. In den nächsten Wochen werden die gefundenen Potenziale von den Marken priorisiert und zügig implementiert.“
„Einkommen und Wohlstand sind keine Naturkonstante“?
Die Wolfsburger Nachrichten (27.1923) titeln jedoch: „Mehr Autos, weniger Gewinn“ und schreiben: „Es kletterte der Umsatz um 15,9 Prozent auf 235,1 Milliarden Euro. Der weltweite Fahrzeugabsatz wurde um 8,3 Prozent auf knapp 6,8 Millionen gesteigert. Das operative Ergebnis sank dagegen um 6,9 Prozent auf rund 16,2 Milliarden Euro. Die Umsatzrendite bezifferte VW auf 6,9 Prozent – nach 8,4 Prozent im Vorjahreszeitraum. Als Gründe nannten die Wolfsburger negative Bewertungseffekte aus Rohstoffsicherungsgeschäften sowie dem Ausfall eines slowenischen Zulieferers. In einem VW-intern veröffentlichten Video betonte Finanzchef Antlitz, dass die erzielte Rendite von 6,2 Prozent im dritten Quartal als Warnsignal zu verstehen sei. Sie reiche nicht aus, um in neue Entwicklungen und Technik investieren zu können. Der Konzern strebt daher eine Rendite von 10 Prozent an. Während die Absatzzahlen für Elektroautos von VW zuletzt nicht befriedigend ausfielen, zog der Verkauf von Verbrennermodellen wieder an.“
„Schon jetzt zeichnet sich ab, dass in Deutschland wieder Personal abgebaut werden muss. Die Einkommen bei VW und der daran gekoppelte Wohlstand sind keine Naturkonstante. Das sollte jedem und jeder bei VW bewusst sein.“ (WN)
Tatsache ist: In den Werken von VW und Audi in Deutschland sind in der Produktion heute über tausend Personen weniger beschäftigt als am Jahresbeginn.
Tatsache ist: Das Ergebnis nach Steuern liegt mit 12,9 Milliarden Euro fast 100 Millionen Euro über dem Ergebnis aus dem Vorjahr (siehe VW-Pressemitteilung, am Ende verlinkt).
Volkswagen hatte im Sommer ein sogenanntes Performance-Programm angekündigt, um den Profit der Marke VW-PKW innerhalb von drei Jahren fast zu verdoppeln, die Rendite soll bis 2026 auf 6,5 Prozent steigen – von 3,6 Prozent, die im Jahr 2022 erreicht wurden. Dafür sollen durch Effizienzsteigerungen und Einsparungen rund zehn Milliarden Euro freigeschaufelt werden. „6,5 Prozent Rendite sind die Basis dafür, dass Volkswagen wieder an die Spitze fährt“, betonte der Markenchef bei einer Betriebsversammlung im September. Die Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo kritisierte, dass es schon Spekulationen über mögliche Stellhebel des Sparprogramms gibt, offizielle Ansagen des Managements aber bis heute fehlen. Einzelne Führungskräfte seien in ihren Zuständigkeitsbereichen bereits mit Modellrechnungen für einen Personalabbau unterwegs. Einen Bericht der FAZ, wonach in der Verwaltung bis zu 4.000 Stellen wegfallen könnten, hat VW dementiert, es gäbe kein pauschales Einsparungsziel über den Verwaltungsbereich hinweg.
Die Konsequenzen sind schon sichtbar: Nachtarbeit mit einer Nachtschichtzuschlägen wurde weitgehend gestrichen – stattdessen werden in der Produktion Sonderschichten an Sonnabenden im November und Dezember angesetzt zur gleichen Zeit, in der Personal abgebaut wird. Der Samstag, so kommentiert die Wolfsburger Zeitung, wird zu einer Art Regelarbeitstag.
Milliarden Nettogewinn und eine Umsatzrendite von über 6 Prozent „seien zu wenig, um entschlossen in die Zukunft investieren zu können“, erklärt der Vorstand des Unternehmens. Es gehört nur ein wenig ökonomischer Sachverstand dazu, das als Versuch zu sehen, die Belegschaft und die Öffentlichkeit zu verschaukeln und für dumm zu verkaufen.
Nettogewinn ist das, was übrig bleibt, wenn alle Kosten inklusive Steuern und Investitionen getätigt sind. Und wenn von 22 Milliarden Euro Umsatzrendite „nur“ etwa 3 Milliarden für die Großaktionäre, hauptsächlich den PorschePiëch-Familienclan, übrig bleiben, muss man sich vielleicht mal die betriebs- und periodenfremden Ausgaben anschauen!
Es muss als Drohung verstanden werden, als Menetekel an der Wand, wenn postuliert wird, Einkommen und Wohlstand seien kein Naturgesetz. Abgesehen von der Banalität dieser Aussage soll damit offenbar ein massiver Personalabbau und für die verbliebenen Arbeiterinnen und Arbeiter ein Lohn- und Sozialabbau vorbereitet werden – statt entschlossen die Verkehrswende einzuleiten und alternative Produktion aufzubauen. Betriebsrat und Gewerkschaft haben schon mal klargestellt: Weder bei der vereinbarten Beschäftigungssicherung noch beim Haustarif darf es Abstriche geben. Weil dennoch Veränderungen erforderlich sind – und das ist zweifellos schon aus Gründen des Klimaschutzes und der Konkurrenz wegen der Fall – dann müssen die bisher gezahlten staatlichen Subventionen sowie die Gewinne und Gewinnrücklagen für den Umbau genutzt werden. Geld ist genügend vorhanden, wenn die von 100.000 Menschen geschaffenen Werte nicht für die Vermehrung des Reichtums der Nachkommen von Ferdinand Porsche und Anton Piëch missbraucht werden. Wir, die Mehrheit der Gesellschaft, müssen uns das gesellschaftlich erarbeitete Geld zurückholen – für effektiven Klimaschutz, für Arbeitszeitverkürzung und für ein gutes Leben für alle!
Ergänzung: Deutlich wird die Entwicklung ganz aktuell am Beispiel der VW-Tochter Cariad SE: Wie Cariad-Chef Peter Bosch die VW-Softwaretochter sanieren will (Business Insider und mm berichten am 27/28.10.23 darüber). Die erst vier Jahre alte VW-Software-Tochter mit Standorten in Berlin, Ingolstadt, München, Stuttgart, Wolfsburg und Santa Clara sei „marode“ und müsse „saniert“ werden. Aufsichtsratsvorsitzender der Cariad SE ist der VW-Vorstandsvorsitzende Oliver „Olli“ Blume. Die Hauptaufgabe von Cariad liegt auf der Entwicklung digitaler Zukunftstechnologien für die Marken des Konzerns, wesentlicher Geschäftszweck ist die Entwicklung einer einheitlichen Elektronik- und IT-Plattform, aus der sich alle Marken des Volkswagen-Konzerns nach Bedarf baukastenartig bedienen können. Im Mai diesen Jahres erklärte Blume u.a. „Für das Vorhaben, ein einheitliches Betriebssystem für alle Marken des Konzerns zu entwickeln, wurden in den vergangenen Jahren Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt gewonnen und begeistert.“ Von diesen etwas mehr als 6.000 Beschäftigten sollen jetzt mehr als 2.000 wieder gehen, die Entwicklungsgeschwindigkeit soll jedoch erhöht werden. Ziel des „Rettungsplanes“: die Ausgaben von jährlich aktuell ca. 4 Milliarden Euro sollen drastisch reduziert werden. Dann überschlägt sich Blume bei einem Purzelbaum: „Nach tiefgreifenden Analysen nehmen wir nun eine tiefgreifende Weiterentwicklung von Cariad SE vor.“ Verantwortlich ist neben Blume und Bosch noch ein Vertrauter von Blume, nämlich Michael Steiner vom Vorstand der Porsche AG.
Die Betriebsräte von VW und Cariad sind nicht überzeugt von dem Plan. Einer kritisiert dem Manager Magazin gegenüber, so viele Menschen zu entlassen, sei unverständlich. „Es geht darum, die Software für die neuen Modelle möglichst schnell fertig zu bekommen. Da brauchen wir jeden Mann und jede Frau.“ Mit weniger Mitarbeitenden ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Entwicklung noch länger dauern könnte – das Trinity-Projekt ist schon auf Ende des Jahrzehnts verschoben worden. Cariad-Boss Peter Bosch ist starrsinnig und hält dagegen. Sein großes Ziel sei es, überhaupt erstmal neue Autos auf die Straße zu bringen.