Begleitmusik zur VW Aktionärsversammlung

Woher und wohin mit den Gewinnen? Was macht die Klimabewegung, was sagt die CDU – und was hat das mit dem gigantischen Abgasbetrug zu tun?

Am 10. Mai findet in Berlin die Aktionärsversammlung von Volkswagen statt. Die Aktionäre werden eine Dividendenerhöhung auf 8,70 beschließen. Die Beschäftigungsbilanz bei der VW AG hingegen ist negativ: Minus 1.000 Arbeitsplätze, hauptsächlich in der Produktion im Werk Wolfsburg.

Und das „Wunder“, bei weniger Auslieferungen (8,2 Millionen Fahrzeuge, minus 7 %) einen höheren Umsatz (280 Milliarden €, plus 11 %), einen höheren Profit (15,8 Milliarden € nach Steuern, plus 2,6 %) und ein Umsatzrendite von 8 Prozent einzufahren. Die Gewinnrücklage wird auf 137 Milliarden Euro erhöht.

Die Gewinne resultieren aus der Arbeit hunderttausender Menschen aller Standorte von Volkswagen, Audi, Bentley, Ducati, MAN, MOIA, Porsche, Scania, Seat und Skoda auf allen Kontinenten sowie hunderten Tochterfirmen, Banken und Immobiliengesellschaften. Auch die VfL-Wolfsburg-Fußball-GmbH ist eine 100 Prozent VW-Tochter – ob als Zuschussbetrieb, lässt nicht feststellen, da das Unternehmen auf die Veröffentlichung des Jahresabschlusses „verzichtet“. Die ausgeschütteten Gewinne von 4,4 Milliarden Euro fließen zum großen Teil an den Porsche-Piëch-Clan als Hauptaktionär (ca.1,3 Milliarden €) und den Terrorstaat Katar (ca. 260 Mio. €).

Die Begleitmusik zu dieser Festveranstaltung für die Großaktionäre von Volkswagen spielen die Verkehrswendeinitiative aus Wolfsburg (https://amsel44.de/), natürlich die CDU, der Abgasbetrug und der Prozess, bei dem jetzt, nach acht Jahren, Geständnisse erwartet werden.

Amsel 44: Die Autostadt wird zur Verkehrswendestadt

Wolfsburgs erstes Klimacamp findet vom 5. bis zum 10. Mai als Verkehrswendecamp statt. Mitten in der Innenstadt wird ein Ort geschaffen für alle Ideen für eine grundlegende sozial-ökologische Verkehrswende. Von dort wird der Protest gegen die Dominanz des Autos auf die Straße getragen. Anlass ist die Aktionärsversammlung von VW am 10. Mai.

„Am Stammsitz von VW machen wir zusammen die Autostadt zur Verkehrswendestadt. Mit Vorträgen, Workshops, Konzerten und kreativen Aktionen wollen wir auf die Notwendigkeit von Veränderung aufmerksam machen und verschiedene Gruppen, VW-Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen, Wissenschaftler*innen, Zivilgesellschaft und Aktivisti*nnen vernetzen.“ Hier das ganze Programm: https://event.klimacamp-leipzigerland.de/vwcamp2023/schedule/, darin auch ein Workshop von und mit mir: „Arbeitszeitverkürzung – ein wichtiger Baustein der Transformation. Tausende Arbeitsplätze sind schon verschwunden, viele weitere werden folgen, wenn kollektive Arbeitszeitverkürzung als wichtiger Baustein der Transformation nicht mit erkämpft wird.“

CDU: Demokratie beschneiden

Massive Kritik an der „Amsel 44“ gibt es von der Wolfsburger CDU-Ratsfraktion und deren junger Garde. Die Aktiven der Amsel 44 seien „für eine radikale Verkehrswende für Wolfsburg und den Volkswagenkonzern und bereits durch Veranstaltungen und Aktionen aufgefallen, die sich zum Teil in einer rechtlichen Grauzone“ bewegten, heißt es in einer Pressemitteilung (WAZ, 23.4.2023). Die CDU fordert, dass städtische Infrastrukturen nicht mehr für die „fragwürdigen Veranstaltungen von Amsel 44 zur Verfügung gestellt werden“. Es könne nicht im Sinne der Stadt Wolfsburg sein, dass „städtische Infrastruktur für Aktivitäten von radikalen Gruppierungen“ genutzt werde. Die CDU fordert „eine klare Trennung von Politik und Extremismus“ von der Verwaltung. In dem Sinne hat sich eine städtische Einrichtung, das Bildungshaus, bereits vor einigen Wochen von einem geplanten Veranstaltungszyklus eines breiten Bündnisses zur sozial-ökologischen Transformation des Verkehrssektors verabschiedet. Scheinbar war das nicht nur vorauseilender Gehorsam.

Abgasbetrug: Ex-Audi-Chef verhandelt über Geständnis

Der erste Strafprozess um den gigantischen Abgasbetrug bei Diesel-Pkw läuft schon zweieinhalb Jahre – jetzt könnte es allerdings schnell gehen, wie dpa berichtet (25.4.2023): Drei Angeklagte haben inzwischen gestanden, der prominenteste überlegt noch. Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Audi AG, und der Mitangeklagte Wolfgang Hatz, ehemaliger Forschungs- und Entwicklungsvorstand bei Porsche sowie Leiter der Aggregateentwicklung bei Volkswagen, sitzen im Sitzungssaal des Landgericht München auf ihren Plätzen. Rupert Stadler verhandelt über ein Geständnis. Das Landgericht München hatte ihm bei einem umfassenden Geständnis eine Bewährungsstrafe zwischen eineinhalb und zwei Jahren in Aussicht gestellt. Die Staatsanwaltschaft „könnte damit leben“, sofern Stadler eine Bewährungsauflage in Millionenhöhe zahlt, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Weickert. Auch Stadlers Verteidiger äußerten „grundsätzliches Interesse, das Verfahren zum Abschluss zu bringen“.

Nach vorläufiger Einschätzung der Wirtschaftsstrafkammer dürfte Stadler spätestens im Juli 2016 erkannt haben, dass die Abgaswerte von Dieselautos manipuliert gewesen sein könnten. Er hätte der Sache auf den Grund gehen und die Handelspartner informieren müssen. Stattdessen habe er den Verkauf der Autos weiter geduldet und sich damit des Betrugs durch Unterlassen schuldig gemacht. Der spätere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz legte schon ein Geständnis ab, obwohl die Staatsanwaltschaft die vom Gericht vorgeschlagene Verständigung in seinem Fall ablehnte. Er habe die Ausgestaltung der Software veranlasst, mit der die Stickoxid-Grenzwerte zwar auf dem Prüfstand eingehalten wurden, aber nicht mehr auf der Straße. Er habe die Möglichkeit erkannt und hingenommen, dass unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut wurden, erklärte Hatz in dem von seinem Verteidiger verlesenen Geständnis.Das Gericht hatte für Hatz bei einem umfassenden Geständnis eine Bewährungsstrafe mit Zahlung von 400.000 Euro vorgeschlagen. Hatz‘ Verteidiger stimmten zu, aber die Staatsanwaltschaft forderte eine Haftstrafe ohne Bewährung. Denn Hatz sei in sehr hoher Position für einen beträchtlichen Schaden verantwortlich, und das Geständnis komme sehr spät.

Stadler und Hatz hatten wegen Verdunklungsgefahr mehrere Monate in Untersuchungshaft gesessen und in dem Prozess bislang ihre Unschuld beteuert. Stadler hatte gesagt, seine Techniker hätten ihn hinters Licht geführt. Hatz hatte argumentiert, als die Manipulationen anfingen, habe er Audi schon verlassen gehabt. Der Staatsanwalt begründete die Forderung nach einer Bewährungsauflage in Millionenhöhe für Stadler auch mit dessen Millioneneinkommen als Vorstandschef 2016 und 2017.

Die Justizbehörden der USA hatten sehr viel schneller erkannt, dass es sich um eine Verschwörung gegen die Umwelt und gegen die Umweltgesetze handelt. Volkswagen hat sich des Betrugs, der Verschwörung und Behinderung der Justiz für schuldig erklärt. Das Eingeständnis war Teil eines Deals mit den US-Behörden und hat dem Konzern gute 30 Milliarden Euro an Strafzahlungen, Prozess- und Anwaltskosten sowie Entschädigungen gekostet.

Aktionärsversammlung am 10 Mai in Berlin, CityCube.

In diesem Umfeld findet nun am 10. Mai die Aktionärsversammlung statt, belastet darüber hinaus durch drastische Absatzeinbrüche bei den Elektroautos in China und in Europa, durch eine grundfalsche Modellpolitik. Es bleibt die Frage offen, ob das Unternehmen langsam zur Vernunft kommt und tatsächlich mögliche und nötige Schritte in Richtung Verkehrswende unternimmt. Die Amsel 44 fordert: „Straßenbahn statt Autowahn“! Das wäre in Verbindung mit einer radikalen Arbeitszeitverkürzung auch eine Chance, die jetzt sehr prekären Arbeitsplätze auf Dauer zu erhalten. (Foto: Roland Hermstein)

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