Arbeitsplätze und Verkehrswende: Die Bedeutung der Autoindustrie sinkt!

90.000 Arbeitsplätze gibt’s seit 2019 in der Autoindustrie in Deutschland weniger – satt 850.000 nur noch 760.000 im Jahr 2022.

Angesichts des „Fachkräftemangels“ kein Problem, möchte man meinen. Aber es geschieht oft nicht sozial, sondern disruptiv, zerstörerisch bezogen auf soziale und regionale Strukturen. Diese Entwicklung ist Ausdruck der Unfähigkeit des Managements und des kapitalistischen Systems, Veränderungen planmäßig und ohne dramatische Brüche zu gestalten.

Diese Vernichtung von Arbeitsplätzen, diese sozialen Brüche und regionalen Verwerfungen würde es in dieser Weise nicht geben, wenn Arbeitszeitverkürzung und eine wirkliche Verkehrswende angepackt würden. Und diese Arbeitsplatzvernichtung hat Gesichter: 2.500 ehemals Beschäftigte bei Opel in Rüsselsheim wurden noch „sozialverträglich“ abgebaut – bei der US-Firma DURA im Sauerland ging es dagegen typisch US-amerikanisch zu und endet in einer vollständigen Betriebsschließung für 1.000 langjährig Beschäftigte. Ähnliches droht beim Gelenkwellenhersteller GKN in seinen Werken.

Die IG Metall im Sauerland berichtet über die Vergeblichkeit sozialpartnerschaftlicher Lösungen: „Unterdessen bemühten sich die Unternehmens- und Werksleitung darum, die Verluste einzudämmen. >Trotz der gemeinsamen Anstrengungen der lokalen Geschäftsführung und der Betriebsräte, die Kosten zu senken und die Produktivität auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu heben, blieb angesichts der aktuellen Entwicklung und der wirtschaftlichen Ergebnisse die Schließung der Standorte alternativlos<, hieß es in der nüchternen Pressemitteilung der Unternehmensführung.“ Vorausgegangen waren Betriebsratsmobbing, Union Basting, Streiks und organisierter Streikbruch durch die Unternehmensleitung mit Arbeitern, die aus Portugal eingeflogen wurden. Weiter berichtet die IG Metall: „Schon zu Beginn der Auseinandersetzung hat der Konzern mit der Auflösung des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages dafür gesorgt, dass mögliche Verluste und Investitionskosten zur Restrukturierung von DURA nicht mehr durch den Konzern aufgefangen werden.“ Nicht einmal das Grundstück wurde der Stadt Plettenberg überlassen oder verkauft, nachdem der Betrieb eingestellt worden war. DURA hinterlässt verbrannte Erde. Eine Gerüstbaufirma, die das Gelände übernommen hat, berichtet u.a., dass die Schlüsselübergabe am 21. Januar 2022 stattgefunden hat: „Zuvor waren noch einige Dinge zu entfernen wie beispielsweise Werkzeuge, Maschinen, aber auch die komplette Büroeinrichtung sowie Akten. Insbesondere in den Büros muss man sich das so vorstellen, als seien die Mitarbeiter nach einer überraschenden Brandschutzübung nicht wieder an ihren Platz zurückgekehrt. Da stand noch die halbvolle Kaffeetasse neben der Tastatur. So wollten wir das nicht übernehmen.“

Währenddessen sonnt sich das US-Management in schönen Reden, wie man Geld machen und gleichzeitig die Welt verbessern kann.

Nun soll es den Beschäftigten von DURA in Brasilien an den Kragen gehen. Die Metallgewerkschaft aus Brasilien organisiert solidarischen Widerstand gegen diesen Kahlschlag.

Jetzt droht auch dem Werk des Autozulieferers GKN Driveline in Zwickau / Mosel mit mehr als 800 Beschäftigten das Aus. „Eine drohende Schließung des Standorts geistert schon länger durch Mosel. Jetzt ist es allerdings kein Gespenst mehr, sondern Realität“, sagt Jörg Kirsten, Betriebsratsvorsitzender von GKN Driveline in Mosel.

Eine Selbstbeschreibung von GKN Driveline Deutschland GmbH lautet so: „GKN Driveline ist First-Tier-Lieferant und tief mit der deutschen Automobilindustrie verwurzelt. Dies hat zu festen Partnerschaften geführt, die auf Lieferfähigkeit, Vertrauen in hochwertige Produkte und hohen Qualitätsstandard basieren.“ Es wird eine Umsatzsteigerung von fast 10 Prozent auf 540 Millionen Euro im Jahr 2021 erreicht – trotz Kurzarbeit, von der das Unternehmen profitiert hat. Im Jahresabschluss für 2021 heißt es u.a.: „Die Annahme von einem moderaten Anstieg der Personalaufwandsquote entsprechend den tarifvertraglichen Vereinbarungen, die durch Produktivitätsverbesserungen zu einem großen Teil ausgeglichen werden sollte, trifft dabei überwiegend zu.“

Nachdem die Entscheidung des britischen Managements von Melrose Industries bereits am Montag, 16.1.2023, im Aufsichtsrat mit der Stimmenmehrheit der Unternehmensseite gefallen war, wurde die Belegschaft am Mittwochnachmittag durch die Geschäftsführung informiert. Die Entscheidung sei „aufgrund von Strukturwandel in der Automobilindustrie notwendig“, teilte das Unternehmen mit. Ab dem Sommer 2023 will das Unternehmen die Produktion in Mosel an andere Standorte verlagern. Das GKN-Werk Mosel produziert Auto-Komponenten wie Kugelnaben und Gelenke und montiert Seitenwellen für BMW, Mercedes, VW und Audi. Weil die Autohersteller inzwischen verstärkt Elektroautos bauen und vormals fremdvergebene Produktion (Outsourcing) zwecks Beschäftigungssicherung zurückholen (Insourcing), steht vor allem die Zuliefererindustrie unter Druck. Außerdem bestehen Elektroautos aus weniger und anderen Einzelteilen als Verbrenner-Autos. Damit fallen, wie vielfach prognostiziert, Aufträge an bisherige Zulieferer und Arbeitsplätze weg.

Ähnlich erging es im Jahr 2020 den Beschäftigten des von GKN aufgekauften Opel-Gelenkwerkes in Kaiserslautern. „Für die mehr als 800 Beschäftigten in Mosel ist es bitter, dass ihre Arbeitsplätze dem Profit geopfert werden sollen. Denn während das Werk in Mosel dichtgemacht werden soll, zieht der Konzern an anderer Stelle eine neue Fertigung hoch. Gemeinsam mit der IG Metall werden wir diese Entscheidung nicht unwidersprochen lassen!“, kündigt der Betriebsrat an. „Die Entscheidung des Gesellschafters und der Geschäftsführung gegen den Standort Mosel ist ein Schlag ins Gesicht für alle Kolleginnen und Kollegen von GKN Driveline in ganz Deutschland“, betonte die Bezirksleiterin der IG Metall, Irene Schulz. In den den vergangenen drei Jahren schloss habe GKN bereits die Werke in Kaiserslautern, Birmingham und Florenz dichtgemacht – wobei das Werk in Florenz von den Beschäftigten besetzt ist und diese dort eine Konversion, eine andere, nachhaltige Produktion planen (näheres im Bericht in der Zeitschrift Luxemburg https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/konversion-gkn/): Per Volksabstimmung zur Konversion? Über den Arbeitskampf in einem besetzten Autozulieferer-Betrieb in der Toskana.

„Wir werden nun auf einer Mitgliederversammlung über den Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze beraten und anschließend den Arbeitgeber mit unseren Forderungen konfrontieren. Die gesamte Region ist aufgefordert, gegen diese Standortschließung zu protestieren“, sagt Benjamin Zabel, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau. Seit dem vergangenen Jahr führt die IG Metall mit dem Unternehmen Verhandlungen über einen Zukunftstarifvertrag. Damit will die Gewerkschaft neben Tarifstandards auch Zukunftsinvestitionen in neue Produkte und Verfahren absichern.

Gemeinsames Handeln der Beschäftigten von GKN und DURA in Deutschland, Europa, Brasilien liegt eigentlich auf der Hand und wäre wohl auch allein erfolgversprechend. Die Kämpfe der einzelnen Belegschaften müssen jetzt zusammengeführt werden: Internationale Solidarität und gemeinsame Ideen für gute und nachhaltige Arbeit. Solidarisch ist man nicht allein!

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