Warum eine entschädigungslose Vergesellschaftung auf die Tagesordnung gehört!
Bei Volkswagen gibt es ja diese Konstruktion: Das Land hat 20 % Anteile an den Stammaktien und zwei Sitze im Aufsichtsrat – zusammen mit den 10 Arbeitnehmervertreterinnen dann eine Mehrheit, auch gegen das Doppelstimmrecht des AR-Vorsitzenden, der immer von der Kapitalseite kommt. Alles festgelegt im „VW-Gesetz“, das 1960 im Zuge der Privatisierung des einst „herrenlosen“ Unternehmens verabschiedet wurde, um die gewerkschaftlichen Ansprüche auf das Unternehmen zurückzuweisen – also ein „Kompromiss“ aus der Adenauer-Ära; damals allerdimgs noch mit weiteren 20 % Anteilen des Bundes, die von der Kohl-Regierung dann billig abgestoßen wurden.
Die weitergehende Forderung damals, 1960, war schon, dass das Unternehmen nicht privatisiert wird. Volkswagen sollte ein gemeinwirtschaftliches Unternehmen mit weitgehender Wirtschaftsdemokratie sein. Das war im Rahmen der damaligen Systemkonkurrenz (DDR / BRD) für die Regierung undenkbar. Stattdessen gehört es heute zu etwas mehr als der Hälfte (der stimmberechtigten Stammaktien) dem Porsche-Piëch-Clan und wirtschaftet ausschließlich profitorientiert.
Das VW-Gesetz hat sich vielfach bewährt – Gewerkschaften wurden „eingebunden“ und ruhig gestellt, die Löhne sind relativ hoch, es gibt bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten und eine Vetorecht gegen Betriebsschließungen; seit 1993 einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Andererseits hat es in der gesamten Geschichte in den Werken der VW AG nie einen Streik gegeben. Das Land als Anteilseigner spielt eine wichtige Rolle bei der Standortsicherung – bei der sonstigen Unternehmenspolitik eher keine Rolle (siehe Abgasbetrug, Managergehälter etc.).
Was wäre heute die richtige Forderung – nicht nur bezogen auf den Volkswagen-Konzern sondern auf die beiden anderen deutschen Automobilhersteller Daimler und BMW? Natürlich immer möglichst viel öffentliche Beteiligung / Vergesellschaftung. Dazu gibt es zwei Wege: Enteignung oder Kapitalaufstockung. Angesichts der Geschichte, angesichts der Unterstützung der Nazis durch die drei Unternehmen, der Beteiligung an Rüstungsproduktion, Kriegsvorbereitung und Kriegsgewinnen, Angesichts der aktuellen Unternehmenspolitiken, des Abgasbetruges und vielfacher Verstöße gegen Recht und Gesetz (Bestechung, Korruption, Kartellverstöße) kommt meines Erachtens nur eine entschädigungslose Vergesellschaftung in Frage – die bisherigen Eigentümer gehörten immer noch zu den reichsten Leuten bzw. die ausländischen Aktionäre (Kuwait, Katar) zu den terroristischsten Staaten.
BMW, Daimler und der VW-Konzern blockieren die dringende Verkehrswende mit ihrer Unternehmenspolitik, mit ihrer Profitorientierung, mit dem Bau großer, schwerer und verbrauchsintensiver Luxusautos – kaum eines unter 40.000 Euro zu kaufen. Sie sabotieren die Ziele der Bundesregierung und das gesetzlich verankerte 1,5-Grad-Ziel (Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom April 2021).
Sie produzieren nicht das, was für das Recht auf Mobilität erforderlich ist – zum Beispiel größere und kleinere smarte Busse, Schienenfahrzeuge oder Fahrräder, sondern ausschließlich Fahrzeuge, die massiv umweltschädigend sind.
Um auf diese Unternehmenspolitik Einfluss zu nehmen, ist Vergesellschaftung und Wirtschaftsdemokratie erforderlich. Wirtschaftsdemokratie heißt in diesem Zusammenhang, alle betroffenen Gruppen an Entscheidungen zu beteiligen: Gewerkschaften, Belegschaften, Kommunen, Wissenschaft – auch die Umwelt- und Verkehrsverbände.
Grundgesetz
Artikel 14 (2): Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Artikel 15: Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
Satzung der IG Metall, § 2 (Auszug)
„Die IG Metall bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und setzt sich für die Sicherung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates und die weitere Demokratisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung und den Schutz der natürlichen Umwelt zur Sicherung der Existenz der Menschheit ein.
Aufgaben und Ziele der IG Metall sind insbesondere die Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb und Unternehmen und im gesamtwirtschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialräten; Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.“
Titelfoto: Broschüre der IG Metall von 1990 – heute aktueller denn je.