Umstrukturierung in der Autobranche: Von wegen Revolution

Belegschaft zweifelt an Elektrostrategie von Daimler-Vorstand

Am 30. Juni 2021 feierte Mercedes-Benz Lkw die Weltpremiere seines batterieelektrischen E-Actros für den schweren Lastverkehr. Mit dem ersten elektrischen Serien-Lkw läutet Daimler eine neue Ära ein – von Revolution gar war die Rede. Bei den Beschäftigten und beim Betriebsrat kommt das nicht nur gut an, weil Daimler gleichzeitig die Lkw-Sparte als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen will. Der Konzern wird weiter aufgesplittet und in kleinen Einheiten der Konkurrenz des Weltmarktes ausgesetzt.


Mit den E-Motoren geht ohnehin ein Arbeitsplatzabbau einher, mit der Kapitalisierung an der Börse wird der Druck auf die Beschäftigten nochmals erhöht. Dabei ist die »Performance« gar nicht gut, was die Renditeerwartungen verschärft, falls der Börsengang überhaupt klappt.

Mit dem Manöver von Daimler-Chef Ola Källenius und den Vorstandsmitgliedern sind weitere riskante Überlegungen verbunden: Die Entwicklung und Produktion mittelschwerer Motoren soll an den US-Konzern Cummins Inc. übergehen. Der produziert hauptsächlich Industriemotoren, hatte sich schön öfter, allerdings nicht sehr erfolgreich, im Geschäft von Lkw-Motoren versucht. Die letzte diesbezügliche Beteiligung wurde vor gut zehn Jahren an Fiat verkauft.

Unklar ist – und das bereitet den Beschäftigten im Werk Mannheim Angst –, was aus der Produktion von schweren Vier- und Sechszylindermotoren wird. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Michael Brecht erklärte dazu: »Ein Modell der Auslagerung (wie bei den mittelschweren Motoren) ist für uns völlig undenkbar.« Es müsse ein »Last-man-standing«-Konzept entwickelt werden – was immer das heißen soll. Der Mannheimer Betriebsratsvorsitzende Bruno Buschbacher sagte, für die Beschäftigten hätten sich die Pläne »wie ein Schlag ins Gesicht« angefühlt.

Daimler geht davon aus, dass Lkw künftig global überwiegend mit Elektroantrieb ausgestattet sein werden. Wegen der hohen Kosten und der fehlenden Infrastruktur in vielen Ländern ist das jedoch reine Spekulation. Deshalb sucht der Betriebsrat nach Möglichkeiten der Verlängerung des Geschäfts mit Dieselmotoren, und sei es in Kooperation oder als Teilelieferant für die Konkurrenz von MAN, Scania, Iveco oder Volvo Trucks. »Brecht will so weiter hohe Stückzahlen bei geringen Kosten fertigen können«, meldete BW 24 aus Baden-Württemberg. Das soll die Belegschaft mutmaßlich beruhigen, die angesichts des schon laufenden Abbaus von Arbeitsplätzen um ihre Jobs fürchtet.

Eine Alternative, die auch aus Sicht von Betriebsrat und IG Metall sinnvoll sein müsste, wurde bislang nicht vorgeschlagen: elektrische Stadt- und Überlandbusse zu produzieren. Die werden tatsächlich in Deutschland und in der ganzen Welt in großer Stückzahl benötigt und wären wesentlicher Teil einer richtigen »Mobilitätswende«.

Veröffentlicht in junge welt, 6.8.2021 https://www.jungewelt.de/artikel/407798.umstrukturierung-in-der-autobranche-von-wegen-revolution.html


	

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