Mobilitätswende: Mit den Produzenten reden und den Umbau planen!

Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung und erste Schlussfolgerungen, veröffentlicht in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 7-8/2021.

Nicht nicht nur die Gewerkschaften, auch die gesellschaftliche Linke und die sozialen Bewegungen, die sich für eine sozial-ökologische Wende stark machen, stehen vor großen Herausforderungen. Eigentlich erfordert die Zuspitzung der Klimakrise sofortiges Handeln, andererseits brauchen gesellschaftliche Veränderungen in „normalen Zeiten“ eben auch ihre Zeit. Die Mobilitätswende muss demokratisch gestaltet werden. Dazu gehört die Unterstützung von größeren Teilen der Beschäftigten der Autoindustrie. Wie denken sie, was fürchten sie, worauf hoffen sie – oder kleben sie am Auto, blockieren sie die Veränderungen? Wenn es sie denn gibt, ist die Blockade so beinhart, wie es das mediale Bild suggeriert? Ist nicht vielmehr das, was die Beschäftigten selbst über Klimapolitik, Transformation und Verkehrswende denken, ein blinder Fleck in der Berichterstattung der Medien – und allzu oft auch im linken und klimabewegten Diskurs? Es ist aber für politisches gesellschaftliches Handeln erforderlich, diese Hoffnungen und Ängste zu kennen und zu verstehen, um die richtige Ansprache zu finden und die richtigen Schritte zu gehen. Die Lücke wird jetzt gefüllt durch eine kleine Studie, die Jörn Böwe, Johannes Schulten und ich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung erarbeitet haben. Ich stelle hier kurz die Thesen vor, die die Ergebnisse zusammenfassen. Anschließend daran ein paar Gedanken zur Umsetzung, zur Realisierung der Mobilitätswende mit den Beschäftigten.

I. Kurz zusammengefasste Erkenntnisse

These 1: Die Identifikation der Beschäftigten mit „ihren“ Automobilunternehmen hat abgenommen – wie auch die Begeisterung für das Auto als solches. Hier ist ein Riss entstanden, in dem sozial-ökologische Politikansätze zumindest diskutiert werden und nach und nach auch Unterstützung gewinnen können.

These 2: Es gab und gibt unter den Befragten keine verbreitete Forderung nach staatlichen Kaufanreizen für PKW mit reinem Verbrennungsmotor, die sogenannten „Abwrackprämie“. Dieser Befund liegt konträr zu den die Einlassungen von IG Metall-Spitzenfunktionären sowie die mediale Darstellung um das Konjunkturpaket 2020. Tatsächlich werden staatliche Beihilfen für die Automobilindustrie generell eher kritisch gesehen. Die Kritik führender IG Metall-Funktionäre an der SPD-Führung, die sich in der Großen Koalition gegen eine solche Prämie ausgesprochen hatte, stieß bei den Befragten größtenteils auf Unverständnis. Vor allem war das Thema kein „Aufreger“ in den Belegschaften, wie es die Stellungnahmen hoher IG Metall-Funktionäre nahegelegt haben.

These 3: In den Belegschaften gibt es erhebliche Skepsis gegenüber den Transformationsstrategien „ihrer“ Unternehmen. Dem Management wird überwiegend nicht zugetraut, kluge Entscheidungen zu treffen, die die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen sichern und damit letztlich auch die Voraussetzungen für „gute Arbeit“ schaffen. In unserem Sample zeichnete sich lediglich bei Volkswagen ein langsam wachsendes Vertrauen in die E-Strategie des Vorstands ab. Dies hängt auch damit zusammenhängt, dass dem Konzern nicht zuletzt aufgrund seiner Größe zugetraut wird, den gegenwärtigen Umbruch in der Automobilindustrie nicht nur zu überleben, sondern auch gestärkt daraus hervorzugehen.

These 4: Politischen Entscheidungsträgern und Verkehrsunternehmen, insbesondere der Deutschen Bahn, wird nicht zugetraut, eine tragfähige Verkehrswende auf den Weg zu bringen.

These 5: Der Transformationsstrategie der IG Metall dagegen fehlt es einerseits an betrieblicher Verankerung und Rückkopplung und andererseits an einer Einbindung in ein gesellschaftspolitisches Projekt eines sozial-ökologischen Verkehrswende bzw. eines „Green New Deal“. Entsprechende Konzepte und Programme existieren zwar – allerdings nur auf dem Papier. Weder in den Betrieben noch in der öffentlichen Debatte werden sie von der Organisation offensiv vertreten und deshalb auch nicht als Richtschnur für politisches Handeln wahrgenommen.

These 6: Politisch weitergehende Forderungen nach einer Konversion der Automobilproduktion werden überwiegend skeptisch gesehen, aber nicht grundsätzlich zurückgewiesen. Allerdings fällt auf, dass der Begriff „Konversion“ in der Debatte einerseits nicht klar definiert und andererseits emotional enorm aufgeladen ist. Eine Diskussion über alternative Produktion bzw. Produkte ist führbar, wenn auch schwierig.

These 7: Grundsätzlich stehen viele der interviewten betrieblichen Gewerkschaftsfunktionär*innen den inhaltlichen Vorschlägen eines „Green New Deal“ der LINKEN aufgeschlossen gegenüber, zumal sich viele Kernaussagen mit den Positionen der IG Metall überschneiden. Sie sind aber skeptisch sowohl in Bezug auf die Perspektive einer politisch-praktischen Umsetzung wie auch hinsichtlich der Möglichkeiten, größere Teile ihrer Belegschaften für ein solches Programm zu gewinnen, geschweige denn zu mobilisieren.

Einer der wesentlichen Gründe dürfte darin liegen, dass es zwischen dem Status quo und dem komplexen Programm einer sozial-ökologischen Verkehrswende an einer Vermittlung durch konkrete Teilziele und realisierbare Zwischenschritte fehlt. Solche braucht es, damit eine Mobilisierung auf der betrieblichen oder überbetrieblichen Ebene überhaupt erst als praktische Handlungsoption erscheinen könnte.

These 8: Die Chancen der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft, die Transformation der Automobilindustrie nicht nur über sich ergehen zu lassen, sondern mitzugestalten, hängt letztlich davon ab, in wieweit es gelingt, Gegenmacht aufbauen. Eine von den Unternehmensstrategien unabhängige gewerkschaftliche Transformationsstrategie benötigt betriebliche und gesellschaftliche Durchsetzungsfähigkeit und damit Mehrheiten.

These 9: Im Zuge des Wegfalls von Arbeitsplätzen durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs, aber auch des Rationalisierungsschubs, der ganz generell mit der Digitalisierung der Automobilfertigung einhergeht, wird die Diskussion um Arbeitszeitverkürzung in den nächsten Jahren unausweichlich an Bedeutung gewinnen. Wenn es der IG Metall gelingt, daraus eine tarifliche und politische Forderung zu entwickeln und eine entsprechende Bewegung zu organisieren, könnte dies wiederum die Debatte um einen gesellschaftlichen Masterplan für eine sozial-ökologische Transformation und Verkehrswende befruchten.

II. Erste Schlussfolgerungen

Umbau statt Abbau: Die Mobilitätswende unterscheidet sich vom Kohleausstieg – es geht um einen Umbau, nicht um Abbau. Dennoch ist, wie bei der Kohleindustrie, ein längerer Prozess für diesen Umbau erforderlich. Es geht um technische, strukturelle und soziale Veränderungen – nicht überall im Land, aber in den Zentren der Automobilindustrie, in den Räumen Stuttgart, Süd-Ost-Niedersachsen und Leipzig – Zwickau – Dresden. Es geht um ca. 400.000 Arbeitsplätze in der Auto- und Zulieferindustrie, die in anderen volkswirtschaftlichen Bereichen, vor allem der Mobilitätswirtschaft, ersetzt werden müssen. Es geht um die Familien der Beschäftigten und um kommunale Finanzen. Es geht um grundsätzliche Fragen der Kosten und der Entscheidungswege, es geht um Demokratie.

Geld ist genügend vorhanden: Wir leben in einem sehr reichen Land und das Geld für einen solchen Umbau wäre vorhanden – zum Teil aber in riesigen privaten Vermögen, zu einem anderen Teil in falscher Subventionspolitik oder insgesamt falschen Prioritäten (Rüstung, Straßenbau, EU-Abschottung etc.) Allein diese Beschreibung stellt uns vor größte gesellschaftliche Herausforderungen und ist ohne andere politische Konstellationen nicht veränderbar: Vermögensabgabe, Steuerreform, Infrastrukturmaßnahmen. Die andere politische Konstellation wäre mehr Demokratie, die Durchsetzung dessen, was die meisten Menschen in unserem Land für richtig und vernünftig halten: keine prekäre Arbeit, Arbeitszeitverkürzung, mehr und besseren öffentlichen Verkehr, Daseinsvorsorge wie Bildung und Gesundheit frei von Renditeerwartungen, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr und so profane Dinge wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Mindestlohn, Mindestrente, Mindesthonorare … und so weiter.

Eingriffe in die Lebenswelt: Dabei geht es jedoch um tiefe Eingriffe in unsere Lebenswelt, in die Lebenswelt der meisten Menschen,. Die notwendigen Veränderungen betreffen die Produktions- und Lebensweise: industrielle Produktion nicht zur Bedürfnisbefriedigung, sondern zum Zweck der Reichtums-Vermehrung. Und die ungleiche Verteilung dieses Reichtums, die Konzentration von Milliarden-Vermögen in wenigen Familien, eine Schicht sehr reicher Millionäre und wohlabender Selbstständiger Anwälte, Kaufleute, Makler und Manager. Wenn das zusammen fünf Prozent der Bevölkerung sind, so sind das eben ca. 4 Millionen Menschen mit viel Einfluss auf die Politik und auf die Medien. Aus dem Klassenkompromiss der Nachkriegszeit entwickelte sich eine kleiner werdende Schicht von Beamten, Techniker*innen, teils auch Facharbeiter*innen, zum Beispiel auch aus der Autoindustrie, die immer noch recht gut verdienen und das Häuschen, den Zweitwagen und die jährliche Fernreise zu verlieren haben. Den anderen mehr als 75 Millionen Menschen, die wenig oder kein Vermögen besitzen, wird vermittelt, dass es ihnen gut geht, wenn der Reichtum der Reichen weiter wächst. Aus all dem und aus der Lebenserfahrung im Kapitalismus entsteht Veränderungsangst bis hin zur aggressiven Abwehr von Veränderungen. Andererseits ist da eine starke Klima- und Verkehrswendebewegung, eine Umweltbewegung, die auf dringend notwendige Änderungen aufmerksam macht: Reduzierung des Verkehrs von Personen und Gütern, des Luftverkehrs, des Straßenbaues sowie ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsangebote. Und dazwischen die Gewerkschaften, die um die Klimakatastrophe wissen und gleichzeitig die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken auf soziale Sicherheit vertreten.

Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung: Ein Schulterschluss von Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung ist möglich unter dem Dach einer sozialen und ökologischen Transformation. Aber wie sieht diese Transformation, dieser Umbau konkret aus? Wie sind soziale Garantien für die Arbeiterinnen und Arbeiter, für Ingenieurinnen und Ingenieure glaubwürdig zu gewährleisten? An Antworten auf diese Fragen muss dringend gearbeitet werden, um die Beschäftigten aus den Industriebetrieben für diesen Umbau zu gewinnen.

Es braucht einen gesellschaftlichen Plan, es braucht regionale Teilziele, Zwischenschritte und einen Zeitraum von minimal 10 Jahren, um die Transformation wirklich sozial- und klimagerecht zu gestalten. Die gesellschaftliche Linke, Gewerkschaften, Klima-, Umwelt- und Verkehrsinitiativen brauchen ein nachvollziehbares, gut lesbares Branchenprogramm. Alle fünf bis sieben Jahre werden die Autofabriken für neue Modelle umgekrempelt. So können sie auch für andere Produkte umgekrempelt werden. Allein ein Ersatz von Verbrenner-Autos durch Elektro-Autos ist nicht vertretbar, sondern wäre nur die Verlängerung des Geschäftsmodells der Eigentümer der Autoindustrie in die Zukunft. Dass ist keine grundsätzliche Absage an E-Autos. In bestimmten Bereichen, z.B. als innerstädtische Lieferfahrzeuge, für Polizei und Rettungsfahrzeuge, für mobilitätseingeschränkte Personen, als smarte, algorithmengesteuerte Regiobusse können sie so sinnvoll sein wie Brennzellenantriebe für Züge oder LKW‘s. Aber eine Abschmelzung der Produktion von Verbrenner-Autos in den nächsten Schritten um mindestens die Hälfte, erfordert eben auch andere Produkte, wenn Standorte und Beschäftigung weitgehend erhalten bleiben sollen.

Die Transformation vor Ort angehen: Wie könnte so ein Plan zum Beispiel für die Region Süd-Ost-Niedersachsen aussehen, in der gut 100.000 Menschen in der Auto- und Bahnindustrie tätig sind, wie ganz konkret für die Fabrik in Wolfsburg, in der und um die herum fast 80.000 Menschen arbeiten? Jede Fabrik hat eine bestimmte Struktur, auch eine Altersstruktur der Belegschaft, diverse Anlagen und es gibt unterschiedliche Kompetenzen von den Beschäftigten.
In der Forschungsabteilung mit mehreren tausend Beschäftigten gibt es diverse Grundlagenforschung, es gibt sogar eine Abteilung Zukunftsforschung. Natürlich wird dort im Auftrage des Unternehmens und orientiert an den Vorgaben und Zielen des Unternehmens geforscht, aber doch sehr breit. Aus der Grundlagenforschung und der Zukunftsforschung können bzw. müssen Synthesen entwickelt werden zur Bewältigung der Klimakrise und der Mobilitätsbedürfnisse in unterschiedlichen städtischen wie ländlichen Regionen. Das sind die beiden Megathemen, sogar Menscheitsfragen, die heute angegangen werden müssen. Zur Minimierung des Klimawandels muss die Autoindustrie drastisch geschrumpft werden. Das kollidiert aber mit dem berechtigten Wunsch auf Sicherheit der Arbeitsplätze und gutes Einkommen. Es kollidiert in gewisser Weise auch mit den Mobilitätsbedürfnissen (wenngleich es auch Mobilitätszwänge gibt, die viele Menschen gerne los wären).

Vorläufig will ich vier Ansatzpunkte nennen:

1.
Umbau der Fabrik hin zum Anbieter von diversen Mobilitätsbedürfnissen. Das können Fahrzeuge bzw. Mobilitätsangebote sein wie wir sie schon kennen: CarSharing und alles andere, was MOIA zum Beispiel macht. Dafür werden viele Fahrzeuge gebraucht, weil der Nutzungsgrad und der Verschleiß entsprechend hoch sein sollen. Aber die Fahrzeuge müssen anderes aussehen, ganz anders motorisiert sein und ein anderes Interieur haben, als gewöhnliche PKW‘s. Ansätze dazu sind z.B. MOIA-Fahrzeuge in Hamburg. Sie müssen also anders konstruiert sein. Dafür gibt es übrigens weltweit einen Bedarf. Gehen solche Fahrzeuge in Wolfsburg über die Anlagen und Fließbänder? Oder was muss an den Anlagen verändert werden? Was bindet das für Personal in der Forschung, in der Technischen Entwicklung, in der Produktion und im Service?
Ansonsten werden andere Fahrzeuge für den ÖPNV benötigt: Busse und Schienenfahrzeuge. Die gehen in der Fabrik in Wolfsburg nicht über die Fließbänder. Aber auch die werden weltweit benötigt. Wenn eine Kommune heute eine Straßenbahn z.B. bestellt, dauert es Jahre, bis die gebaut und ausgeliefert werden – weil keine bzw. zu wenige Kapazitäten vorhanden sind. Aber die Hallen in Wolfsburg, die nicht mehr für PKW’s benötigt werden, könnten umgebaut werden. Die Tätigkeiten von der Konstruktion über Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei bis zu Montage ähnelt der bisherigen – da muss gar nicht viel mehr gelernt werden, als wenn ein neues Modell aufgelegt wird.

2.
Arbeitszeitverkürzung: Linke und progressive Kräfte müssen den Zusammenhang zwischen Arbeitszeit einerseits und Klimawandel sowie Mobilität andererseits aufzeigen und sie politisch miteinander zu verknüpfen. Eine breit getragene Forderung nach kollektiver gesetzlicher und tariflicher Arbeitszeitverkürzung könnte ein Moment sein, um das herum sich ein Programm für eine sozial-ökologische Transformation „von unten“ verdichtet. Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich mindestens für die unteren und mittleren Entgeltstufen. Auf Basis vielfacher Erfahrung mit praktischer Arbeitszeitverkürzung sollte die Forderung nach der 25-Stunden-Woche recht populär sein. Arbeitszeitverkürzung kompensiert wesentliche Teile des geringeren Produktionsvolumen. Aber ohne geringeres Produktionsvolumen lässt sich der Klimawandel nicht aufhalten. Und das ist eine Menschheitsfrage, für einige vielleicht auch eine Frage der Schöpfung bzw. des Erhaltes der Schöpfung. Arbeitszeitverkürzung hat darüber hinaus die gesellschaftliche Bedeutung, dass die Beschäftigten mehr Zeit für sich, für ihre Kinder, für Hobbys, Ehrenamt, für Gewerkschaft und Politik haben.

3.

Es gibt einen großen Bedarf an Kleinwagen und Cargo-Rädern mit unterschiedlicher Ausstattung in Großserienproduktion. Kleinwagen, Cityflitzer gibt es viel zu wenige und selbst diese sind noch zu hochgerüstet und zu teuer. Stadt- und wettertaugliche Cargo-Räder kosten heute bis zu 20.000 Euro – wegen der notwendigen Leichtbauweise und weil es sich oft noch um Kleinstserien handelt. So etwas in Großserien gebaut – auch dafür gibt es einen globalen Markt – würden diese schnell zu wirklich erschwinglichen Preisen angeboten werden können.

4.
Die Machtfrage: Der Porsche-Piëch-Familienclan wird das nicht freiwillig tun. Es braucht mehr Mitbestimmung, mehr Wirtschaftsdemokratie. Die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat ist – zusammen mit den Vertretern des Landes Niedersachsen – nicht dem Profit verpflichtet, sondern den Beschäftigten und den Menschen in der Region und im Land. Deshalb muss der öffentlich Anteil erhöht werden, die Gewinnrücklagen (100 Mrd. €) müssen für diesen Umbau genutzt werden, die Rendite-Ansprüche sind zurückzuschrauben. Mobilität ist ein Teil der Daseinsvorsorge und muss öffentlich garantiert werden. Wenn die Eigentumsverhältnisse dem im Wege stehen, müssen diese geändert werden.

Demokratisierung und wirksame Mitbestimmung auch über das Was und Wie der Produktion, echte Wirtschaftsdemokratiesind also die Voraussetzung für eine solche, den Klimawandel berücksichtigende nachhaltige und vorsorgende Politik. Diese Demokratisierung betrifft alle staatlichen Ebenen bis hin zu supranationalen Institutionen wie die UN und die EU, die Unternehmensverfassungen und die Regulation, die ökonomische Rahmenplanung und Instrumente zur Investitionslenkung, regionale Strukturpolitik, die Verwendung öffentlicher Gelder für öffentliches Eigentum. Es braucht regionale demokratische Transformationsräte unter Einbeziehung von Gewerkschaften, Wissenschaft, Umwelt-, Klima- und Verbraucherinitiativen, um für diese großen Veränderungen einen gesellschaftlichen Konsens zu schaffen.

Vergesellschaftung: Dafür muss die grundgesetzliche Sozialverpflichtigkeit des Eigentums durchgesetzt werden – wenn erforderlich, durch Vergesellschaftung entsprechend Artikel 15 des Grundgesetzes. Unternehmen, die keinen wirksamen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation und zur Erreichung der Klimaziele leisten, müssen vergesellschaftet und umprofiliert werden – nach der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gegen das unzureichende Klimagesetz vom März diesen Jahres mehr denn je.

Auf Grundlage unserer Befragung mit 38 leitfadengestützten Interviews vor allem mit mittleren betrieblichen Gewerkschaftsfunktionär*innen aus 16 Betrieben können wir realistisch an die sozial-ökologische Transformation herangehen.

Es finden sich Potenziale und Anknüpfungspunkte für eine sozial-ökologische Mobilitätswende. Diese zeigen sich in einer weitverbreiteten Sensibilität für die ökologischen Folgen der Automobilproduktion wie auch in einer sinkenden Identifikation mit «ihren» Unternehmen, insbesondere im Zuge des Abgasbetruges («Dieselgate»). Zugleich werfen die Interviews ein Schlaglicht auf die Hindernisse, die eine sozial- ökologische Politik zu überwinden hat. Es gibt berechtigte Befürchtungen, dass eine allein unternehmensseitig vorangetriebene Transformation der Industrie mit einem Abbau von tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen sowie einer massiven Prekarisierung und Entqualifizierung der Arbeit einhergehen könnte. Alles in allem zeigt sich, wie nötig es ist, den gesellschaftlichen Konsens, wirksame Schritte gegen den Klimawandel auch im Verkehrssektor zu gehen, mit einem politischen Masterplan und einer breit anschlussfähigen Vision für ein sozial gerechtes, ökologisches Mobilitätsmodell der Zukunft zu verbinden.

Download der Publikation «E-Mobilität, ist das die Lösung?» von Jörn Boewe, Stephan Krull und Johannes Schulten: www.rosalux.de/publikation/id/44586

Hier kann die Studie auch kostenlos als Broschüre bestellt werden: https://www.bestellung.rosalux.de/-p375105291

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert