Beschäftigte der westdeutschen VW-Werke erhalten mehr Geld und freie Tage
Für die gut 120.000 Beschäftigten in den sechs westdeutschen VW-Werken gibt es einen neuen Haustarifvertrag. Der Abschluss ist dem guten gewerkschaftlichen Organisationsgrad ebenso geschuldet wie der Tatsache, dass die Volkswagen AG im Krisenjahr 2020 einen Gewinn von fast zehn Milliarden Euro realisieren konnte – und eine üppige Dividende an die Aktionäre überwiesen wird. Allein die Mehrheitseigner des Porsche-Piëch-Clans werden so dieses Jahr um gut eine Milliarde Euro reicher.
Seit Anfang März waren 140.000 Beschäftigte an Warnstreikaktionen beteiligt. Es wurden neue Kampfformen entwickelt – auch Kollegen im Homeoffice nahmen teil. Dennoch war es schwieriger als sonst, Druck auszuüben. Das lag an logistischen Problemen wegen der Pandemie und der stockenden Materialversorgung (Blockade des Suezkanals), in der ein Streik für das Unternehmen sogar günstiger sein konnte, als Beschäftigte in Kurzarbeit zu schicken.
Dennoch sind die Ergebnisse beachtlich: Zum Juni gibt es eine abgabenfreie Sonderzahlung von 1.000 Euro, ab Januar 2022 werden die Entgelte tabellenwirksam um 2,3 Prozent erhöht – mit einer Laufzeit bis November 2022. Die bisher »leistungsorientierte« Vergütung von 150 Euro pro Monat wird ab Mai ein regulärer Entgeltbestandteil. Im September erhalten die Beschäftigten einmalig 150 Euro für die betriebliche Altersvorsorge. Der Personenkreis für die Inanspruchnahme zusätzlicher arbeitsfreier Tage wurde erweitert: Alle Beschäftigten, die wollen, können auf die Hälfte ihrer Zusatzvergütung verzichten und das Geld statt dessen in drei freie Tage eintauschen. Besonders belastete Gruppen (Eltern, Pflege, Schicht) können wie bisher die vollen sechs Tage für sich in Anspruch nehmen. Die Anzahl der Ausbildungsplätze von 1.400 pro Jahrgang wurde bis zum Jahr 2025 festgeschrieben, die Studierenden im Praxisverbund (duales Studium) wurden in den Geltungsbereich des Ausbildungstarifvertrages einbezogen.
Der Unterschied zu den bisherigen Abschlüssen in der Metall- und Elektroindustrie besteht in der Entgelterhöhung von 2,3 Prozent. Dieser Betrag wird in den anderen Tarifbereichen entweder für jährliche Einmalzahlungen oder für die Reduzierung der Arbeitszeit bei Auftragsflauten verwandt, kann aber auch verschoben werden oder ganz entfallen, wenn die wirtschaftliche Lage schlecht ist. Dies wird bei VW ausgeschlossen, auch weil die Aussichten für die nächsten Jahre Dank großzügiger Förderung mit Milliarden Euro an Steuergeldern bei der Umstellung auf Elektroautos prächtig sind. »Wir haben einen Tarifabschluss mit Augenmaß und Vernunft erzielt, der dem besonders herausfordernden Umfeld seit dem Beginn der Pandemie gerecht wird«, zitierte dpa den VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel am Dienstag.
»Trotz Krise steht der VW-Konzern gut da. Die Belegschaft hat ihren fairen Anteil am Erfolg des Unternehmens verdient, denn schließlich ist sie es, die dafür Sorge getragen hat, dass Volkswagen widrigen Pandemiebedingungen zum Trotz mit positiven Ergebnissen durch die Krise navigiert ist und die Herausforderungen der Transformation entschlossen anpackt«, erklärte Thorsten Gröger, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh betonte: »Das ist ein starker Abschluss, den sich unsere Belegschaft gerade auch in Coronazeiten verdient hat. (…) Die Wahloption auf mehr freie Tage für alle Beschäftigten ist ein echter Durchbruch.«
Für die ostdeutschen Standorte steht ein Abschluss noch aus. Auch 30 Jahre nach dem Anschluss der DDR sind hier die Arbeitszeit- und Entgeltbedingungen nicht an die Westtarife angepasst. »Die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber bei der Angleichung sorgt für Wut und Empörung in den Betrieben. Unsere Mitglieder machen sehr deutlich, dass sie in dieser Tarifrunde Bewegung hin zur Angleichung erwarten«, erklärte die Bezirksleiterin der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Birgit Dietze. Am 19. April werden die Verhandlungen dazu in Chemnitz fortgesetzt.