Wird die Pandemie eine Goldmine für die Autokonzerne?

Vor dem nächsten „Autogipfel“ am 5 Mai im Kanzleramt: Die Autokonzerne rufen nach dem Staat! Sie wollen in der Coronakrise vom Staat durchgefüttert werden. Dabei wäre der Zeitpunkt günstig für einen Abschied von einer veralteten Industrie

Für den Anlauf der Autofabriken sind Planungssicherheit und Investitionsanreize durch den Staat das Wichtigste, erklärte VW-Vorstandsmitglied Sommer der FAZ am 10. April: „Wenn wir es schaffen, einen einheitlichen Schutzstandard zu definieren und Betriebe, die diesen Standard anwenden, die dürfen produzieren, gäbe das Planungssicherheit.“ Noch wichtiger als nach der Finanzkrise von 2009 seien „Investitionen in die Industrie und in das Konsumverhalten.“

Planung und Staat statt „freie Marktwirtschaft“?

Im Jahr 2019 haben Volkswagen, Daimler und BMW rund 25 Milliarden Euro Profit realisiert. Vierzig Prozent davon sollen – trotz der Lohnersatzleistungen durch die Arbeitslosenversicherung – an die Aktionäre ausbezahlt werden; an den Porsch-Piëch-Clan, die Quandts, die Scheichs von Katar und Kuweit sowie die Investoren von BlackRock.

Alles soll bleiben, wie vor der Pandemie: Die Profite werden privatisiert, die Risiken auf die Gesellschaft abgewälzt. Diese Risikoübernahme beinhaltet ca. eine Milliarde Euro Lohnzuschüsse als Kurzarbeitergeld für die „big three“, die bisherigen Subventionen, Dienstwagenprivileg, Dieselbesteuerung und Prämien für E-Autos sowie neue Subventionsmodelle, die beim „Autogipfel“ am 5. Mai im Kanzleramt ausgehandelt werden. Die Aussicht auf „Innovationsprämien“ und die Verschrottung von 20 Millionen Autos, die nicht mindestens der Abgasnorm Euro 5 entsprechen, ist eine Goldmine für die Autoindustrie.

Söder (CSU), Weil (SPD) und Kretschmann (Grüne) sprechen sich „für Stimulanz der KFZ-Nachfrage“ aus.

Die Sicherheit der Arbeitsplätze ist so wenig Grund für die Produktion, wie die Pandemie der Grund für die Unterbrechung war. Kein Gesetz, keine Verfügung der Regierung hat die Produktion von Autos untersagt – es war der abgebrochene Verkauf, der die Fabriken zum Stillstand brachte. Das hat nur bedingt mit der Pandemie zu tun, denn der Absatz ist seit 2018 rückläufig. Schon beim „Autogipfel“ im Januar diesen Jahres wurde eine Verlängerung von Kurzarbeit beraten und beschlossen (Manager Magazin, 16.2.2020). Seit langem sehen gewisse „Experten“ die Vernichtung von bis zu 400.000 Arbeitsplätzen durch die Umstellung auf Elektroautos. Im Januar forderte die Autoindustrie zusätzliche Subventionen, laut Manager Magazin bis 20 Milliarden Euro. Die Ministerpräsidenten der „Autoländer“ lassen sich nicht lange bitten. So erklärte Stephan Weil (SPD), der auch im Aufsichtsrat von Volkswagen sitzt: „Unser Hauptblick ist auf die Automobilindustrie gerichtet. Deswegen bin ich für eine Stimulanz der Kfz-Nachfrage“ (HAZ, 21.4.2020).

Der Niedergang der Autoindustrie ist so nicht aufzuhalten. Die Konkurrenz um Arbeitsplätze, um Märkte und Marktanteile würde auf diese Weise staatlich gefördert und beschleunigt. Folge wäre nicht die Sicherung der Arbeitsplätze, sondern deren Gefährdung. Eine Mobilitätswende hin zur Stärkung und attraktiven Angeboten des öffentlichen Verkehrs, verbunden mit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung, wäre ein Beitrag zu sozialem und ökologischem Neustart.

Gewinnrücklagen von 180 Milliarden Euro!

Die Autokonzerne werden subventioniert trotz Gewinnrücklagen von zusammen fast 180 Milliarden Euro. Mehr Unterstützung brauchen aber Millionen Beschäftigte von zehntausenden Betrieben, die um ihre Arbeitsplätze bangen, die monatelang mit 40 Prozent weniger Einkommen wirtschaften müssen. Torsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des DGB sagt zu dem Beschluss der Koalition (22.4.2020) zur begrenzten Erhöhung des Kurzarbeitergeldes: „Die Verlierer dieses Kompromisses sind die Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Sie erhalten weiterhin ein Kurzarbeitergeld, das in vielen Fällen deutlich unterhalb des gesetzlichen Mindestlohn liegt.“

Gesellschaftlich notwendiger Arbeit wird beklatscht und gelobt, aber weiterhin schlecht bezahlt, ohne Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und ohne Gefahrenzulagen. Die Geringschätzung wird deutlich in der Verordnung von SPD-Minister Heil zur Verlängerung der Arbeitszeit: Während Millionen Menschen nicht arbeiten können, sollen die Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegebereich, im Handel, in der Landwirtschaft, in Callcentern bis zu 12 Stunden am Tag sowie an Sonn- und Feiertagen zur Arbeit verpflichtet werden. Die Arbeitgeber klatschen Beifall, die Pflegeberufe werden noch unattraktiver, die Beschäftigten zusätzlich belastet.

IG Metall und BUND für sozial-ökologischen Umbau! Konversion statt Rezepte von gestern!

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die IG Metall sprechen sich für den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft als nachhaltigen Weg aus der Krise aus. Der Staat kann die Umbauprozesse unterstützen mit den aktuell diskutierten möglichen Staatsbeteiligungen (IGM, 9.4.2020). In gleiche Richtung argumentiert IG Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban (Frankfurter Rundschau 18.4.2020): „ … der Staat rüstet sich für freundliche Übernahmen systemrelevanter Großkonzerne. Der deutsche Vorkrisenkapitalismus taugt nicht als konkrete Utopie fortschrittlicher Politik.“ Er kritisiert den profitgetriebenen Wachstumszwang und die Blockade der Frage, was wachsen soll und was nicht.

Wachstumskritiker*innen, linke Gewerkschafter*inne und Mobilitätsinitiativen räsonieren jedoch nicht, sondern greifen in die Debatte ein und schlagen eine Verständigung vor über den Weg zur Mobilitätswende, zu einer nachhaltigen Antwort auf die soziale und die ökologische Krise. Im labournet und bei attac wurde dazu eine Erklärung veröffentlicht: Die Autoindustrie vor und nach „Corona“: Konversion statt Rezepte von gestern!”

Foto: Michele Borzoni / TerraProject, jw, 29.4.2020

https://www.jungewelt.de/beilage/art/377257

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