Volkswagen & Co. vergesellschaften!

Autoindustrie hintertreibt den Atomausstieg: „Wenn uns der Klimaschutz wichtig ist, sollten die Kernkraftwerke länger laufen!“

Reißerisch und gegen jede Mitbestimmung gerichtet, titelt das „Handelsblatt“ (6.6.2019), die VW-Spitze würde sich dem Betriebsrat im „ringen um Stellenabbau“ beugen. Ähnlich „Die Welt“ (5.6.2019) mit der Überschrift „Betriebsrat gewinnt Machtkampf mit VW-Chef“. Ein Horror für alle Finanzinvestoren, denen es nur um Maximalprofite geht. Mit solchen Überschriften und Artikeln wird verschleiert, dass der VW-Konzern in den nächsten Jahren in Deutschland planmäßig über 30.000 Arbeitsplätze abbauen will und dass die E-Auto-Strategie auf höchst wackeligen Füßen steht – aber eine andere Strategie, einen Plan B gibt es im Konzern nicht.

Deshalb ist der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für die jüngeren Beschäftigten so elementar wichtig. Das Unternehmen wird gezwungen, über Alternativen zur Automobilproduktion nachzudenken. Viel ist dabei bisher nicht herausgekommen. Diese Vereinbarung, intern in Nachfolge zum „Zukunftsvertrag“ auch „Roadmap Digitale Transformation“ genannt, regelt den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2029 und die Verlängerung der Altersteilzeit – andererseits eben Stellenabbau in der genannten Größenordnung und eine Verringerung der Anzahl der Ausbildungsplätze; bestimmte Formen von Weiterbildung der Beschäftigten in Größenordnung von 250 Vollzeitstellen werden künftig in die Anzahl der jährlichen Plätze für Auszubildende einberechnet. Der Betriebsrat hat keinen Machtkampf gewonnen, sondern einen Kompromiss erzielt, der der Stammbelegschaft eine gewisse Sicherheit verschafft. Das gilt aber ohnehin immer nur, solange der Himmel nicht einstürzt. Der Himmel kann aber durchaus einstürzen, wenn man sich die Pläne des Managements und der Eigentümer etwas genauer ansieht: Sie setzen die absolute Priorität auf den Bau von Elektro-Autos, die alle Kriterien von Autos mit Verbrennermotor erfüllen: So groß, so schwer, so schnell und mit gleicher Reichweite. Unbeantwortet bleiben die Fragen nach der Infrastruktur für diese Fahrzeuge ebenso wie die Frage nach der Energie, also nach der Strommenge, die dafür erforderlich ist.

Für die Infrastruktur wird der Staat in Anspruch genommen, der jetzt schon die Produktion von E-Autos mit Milliarden fördert, ohne dass es durchschlagenden Erfolg gäbe. Nun soll der Staat auch noch Ladestationen bauen und die ständige Versorgung mit Strom sicherstellen. Die Ladestationen sind ein Problem – es müssten einige Millionen sein, um flächendeckend versorgen zu können. Die Strommenge ist aber das noch viel größere Problem: Der Strom steht schlicht nicht zur Verfügung. Der VW-Vorstandschef Herbert Diess hat schon auf der Aktionärsversammlung Mitte Mai eine kryptische Andeutung gemacht, in Frankreich gäbe es ja viel Strom ohne CO2.

Nun ist die Katze aus dem Sack: Im Interview mit dem Tagesspiegel vom 31.5.2019. Unter anderem äußert er Kritik an der Energiepolitik der Bundesregierung. Angesprochen auf die Europawahl und warum er, trotz des giftgrünen Anstrichs, den der Konzern sich gibt, nicht grün gewählt hätte, antwortet Diess: „Ich fand Manfred Weber überzeugend, als Führungspersönlichkeit für Europa. Aber ich komme auch gut mit den Grünen zurecht. Zum Beispiel mit Winfried Kretschmann, dem Grünen-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Ich persönlich glaube, dass wir generell im bestehenden Parteiensystem der brennenden Frage der Klimaerwärmung zu wenig entgegensetzen. Da könnte man viel mehr tun. Und wir als Unternehmen wollen mehr tun. Wenn man sieht, wie zaudernd (von SPD und CDU) mit dem Thema Elektromobilität oder der Energiewende umgegangen wird, dann gleicht das fast einer Schockstarre. Ich kann schon verstehen, dass die Jugend deshalb auf die Barrikaden geht. Volkswagen will bis 2050 klimaneutral werden und sieht sich dem Pariser Abkommen verpflichtet. CO2-Neutralität werden wir nicht erreichen, wenn wir von allem nur ein bisschen wollen. Ein bisschen weniger Fleisch essen. Ein bisschen weniger in Urlaub fliegen. Ein bisschen weniger Autofahren. Das ist Unsinn. Ich kenne den Kohlekompromiss, daran ist hart gearbeitet worden. Dennoch kommt der Kohleausstieg nach meiner Überzeugung viel zu spät. Und die Prioritäten sind falsch gesetzt worden: Man hätte erst aus der Kohle und dann aus der Kernkraft aussteigen sollen. Aber man sollte sich fragen, ob man die Kernkraft so schnell wie geplant auslaufen lässt. Langfristig, daran kann es doch keinen Zweifel geben, muss unsere Energieproduktion allein auf erneuerbaren Quellen beruhen. Wenn uns der Klimaschutz wichtig ist, sollten die Kernkraftwerke länger laufen. Die Flottenziele bis 2030 sind zu scharf, weil wir dann schon 40 Prozent Elektrofahrzeuge brauchen – die dann aber nicht mit CO2-freiem Strom geladen werden können. Wie in Frankreich mit seinem hohen Anteil von Atomstrom. Die Transformation kommt zu schnell, ist zu wenig vorbereitet und sie wird extrem sein und Arbeitsplätze kosten.“ Das ganze Interview ist hier nachzulesen: https://background.tagesspiegel.de/Die-Kernkraftwerke-sollten-laenger-laufen?utm_medium=email&utm_source=newsletter%2Bbgek

Die Debatte um die Vergesellschaftung der Autoindustrie ist richtig und notwendig. Die Zukunft ist zu wichtig, um sie den Managern und den Eigentümern der Autoindustrie zu überlassen. Nach ihrer Auffassung kommt sie zu schnell und wird extrem viele Arbeitsplätze kosten. Aber die Zukunft hat schon begonnen: Bei Daimler werden alle Leiharbeiter entlassen, bei Opel in Rüsselsheim wird die Entwicklungsabteilung ausgegliedert, bei VW werden 30.000 Stellen abgebaut.

Es geht um Alternativen zur Autoproduktion, um eine grundsätzliche Mobilitätswende, sonst gehen in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach, vielleicht in Zwickau und Emden demnächst alle Lichter aus – wie bereits in Bochum!

Überführung der Schlüsselindustrie in Gemeineigentum!
Volkswagen bietet sich als erstes für die Überführung in Gemeineigentum an wegen des kriminellen obersten Managements, wegen der Atomstrompläne, wegen der Geschichte des Konzerns, wegen der Beteilifung des Landes Niedersachsen und wegen der besonderen Mitbestimmung, die es dort gibt.

In der Satzung der IG Metall sind die Ziele der Gewerkschaft klar formuliert:
„Die IG Metall setzt sich für die Sicherung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates und die weitere Demokratisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft ein.
Aufgaben und Ziele der IG Metall sind insbesondere:
Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechtes derArbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb und Unternehmen und im gesamt-wirtschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialräten; Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum“

Das korrespondiert mit den Artikeln 14 und 15 unseres Grundgesetzes, in denen eine Allgemeinwohlverpflichtung für das Eigentum ebenso festgelegt ist wie die Möglichkeit der Vergesellschaftung, um diesem Allgemeinwohl zu entsprechen. „Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen.“ Wenn die volkswirtschaftlichen und umweltrelevanten Schäden von Volkswagen gegen den Unternehmenswert aufgerechnet werden, wenn betrügerische Gewinne abgeschöpft werden, dann bleibt eventuell nicht viel, was an den Porsche-Piëch-Clan als größten Eigentümer an „Entschädigung“ zu zahlen wäre.

Anders als mit einem Ausstieg aus der mörderischen Konkurrenz, einem Ausstieg aus dem Streben nach Maximalprofit, anders als mit einer systematischen, auf 10 Jahre angelegten Mobilitätswende sind auch die Arbeitsplätze in den Regionen nicht sicher, wie an den aktuellen Beispielen deutlich wird. Dann geht es nicht mehr um immer mehr und immer größere Autos, sondern um die tatsächlichen Mobiltätsbedürfnisse der Menschen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert