Für die Vergesellschaftung der Autoindustrie

Es gibt eine Karikatur, in der an einem Werkstor steht: „Hier endet der demokratische Sektor der BRD“. Die Geschäftsführerin der IG Metall Braunschweig, Eva Stassek, eröffnete mit diesen Worten ein Forum zum Thema „100 Jahre Betriebsräte – Komanager oder Gegenmacht?“ – die junge welt berichtet (siehe Link unten).

Die Hamburger Gewerkschaftslinke (Jour Fixe) schreibt zu der Veranstaltung bzw. zu dem Artikel:

So ist Gewerkschaftswelt nicht, wie der Kollege Urban, der Vorzeigelinke im IGM-Vorstand, hier im JW Artikel schildert! „Die Gegenüberstellung von Gegenmacht und Komanagement sei nicht mehr aktuell“? Was heißt das? Komanagement ist aber noch da?! Allerdings und zwar sehr häufig, da können viele linke BetriebsrätInnen ein Lied davon singen, dass sie nicht nur von der Geschäftsleitung sondern auch von ihren Komanagement-Kollegen bekämpft werden. Und die örtlichen Gewerkschaftsvorstände sich auf den Standpunkt stellen: Beide Fraktionen sind unsere Mitglieder, wir halten uns aus diesem Streit raus.

Urban spricht von einem Sog, der „blitzgefährlich“ sei. Das dürfte nicht nur ein Sog sein, sondern eine jahrzehntealte Grundhaltung in den DGB-Gewerkschaften, die auf der Ideologie der Sozialpartnerschaft beruht! Es gehe nicht um „Mitgestaltung“ sondern um „eingreifende Politik“? Wir empfehlen ihm, mal Gewerkschaftszeitungen aufzuschlagen und die Artikel zu zählen, in denen von Gestaltung und Mitgestaltung die Rede ist, z.B., was Leiharbeit oder Werkverträge – die DGB-Gewerkschaften wollen diese nicht abschaffen sondern: GESTALTEN.

Soweit die Hamburger Gewerkschaftslinke (Jour Fixe).

Ko-Management oder Gegenmacht?

Der Betriebsratsvorsitzende von VW in Braunschweig, Uwe Fritsch erklärt laut Artikel in der „junge welt“ bei der gleichen Veranstaltung, eine Vergesellschaftung der Autoindustrie sei nicht möglich. Seine Schlussfolgerung: „Wir müssen die Sicherung der Beschäftigung ins Zentrum stellen“. Die Alternative „Jobs oder Vergesellschaftung“ ist ein falscher, ein konstruierter Gegensatz. Die kapitalistisch systembedingte Jagd nach Profiten gefährdet Arbeitsplätze und Standorte. Die verweigerte Mobilitätswende gefährdet Arbeitsplätze und Standorte.

Zur gleichen Zeit, als die Veranstaltung zu „100 Jahre Betriebsräte“ stattfand, wurde die Haftbeschwerde gegen den Ex-Chef von Audi vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen, etwa zur gleichen Zeit wurde die Anklage gegen den Ex-Chef des VW-Konzerns durch das Landgericht Braunschweig erhoben. Bei VW, Audi und Porsche wurden 2.300.000.000 Euro (2,3 Milliarden Euro) des betrügerischen Gewinns aus dem Abgasbetrug durch Bußgeldbescheide der Gerichte in Braunschweig, München und Stuttgart abgeschöpft. Diverse Verfahren wegen Kartellbildung sind bei VW, BMW und Daimler anhängig. Wegen Steuerbetrug und Subventionserschleichung sind Ermittlungsverfahren absehbar. Überführt wurden die Autokonzerne der Kollaboration mit den Militärdiktatoren in Brasilien und Argentinien, mit dem Apartheidstaat in Südafrika. Bis heute verweigern sie den Beschäftigten in den USA das Recht auf Kolalitionsfreiheit und auf Tarifverhandlungen. Etwa zur gleichen Zeit der Veranstaltung zu „100 Jahre Betriebsräte“ beschlossen die Aktionäre des VW-Konzerns mit der Mehrheit des Porsche-Piëch-Clan eine Ausschüttung von 600 Millionen Euro für das Jahr 2018 an eben den Porsche-Piëch-Clan. Auch die Aktionärsversammlung liegt außerhalb des demokratischen Sektors der BRD: Wahl- und Stimmrechte sind nach Kapitaleinlagen gewichtet: Nur wer viel Geld hat, hat viel zu entscheiden.

„Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinen Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv und waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens“ (Zitat von P.J. Dunning (1860), das Karl Marx in einer Fußnote im „Kapital“ bekannt machte ).

Zur gleichen Zeit bringt der Juso-Vorsitzende die Vergesellschaftung der Autoindustrie ins Gespräch, der Betriebsratsvorsitzende von BMW erklärt daraufhin die SPD als „für Arbeiter nicht mehr wählbar“ und der Betriebsratsvorsitzende von VW in Braunschweig sagt, die Vergesellschaftung der Autoindustrie sei nicht möglich.

Eine Vergesellschaftung der Autoindustrie ist nicht nur möglich, sondern dringend geboten, um den Krieg der Autokonzerne um Märkte und Marktanteile, die Jagd nach Maximalprofiten, den Poker um Standorte, die rücksichtslose Ausbeutung von Menschen und Natur endlich zu beenden und die sozialökologische Mobilitätswende einzuleiten. Artikel 14/15 des Grundgesetzes erlauben und gebieten die Vergesellschaftung, da das Privateigentum an den Autokonzernen offensichtlich der Allgemeinheit nicht nutzt, sondern außerordentlich schadet. Es geht, um mit Marx zu sprechen, um die Expropriation der Expropriateure, um die Vergesellschaftung von der Gesellschaft entzogenem Eigentum. Namentlich der VW-Konzern war nach 1945 „herrenlos“ und wurde durch CDU-Regierungen sukzessive ab 1960 privatisiert und letztlich durch ein betrügerisches Manöver „heim ins Reich“ des Porsche-Piëch-Clans geholt.

Es ist ein Gebot der unvermeidlichen Mobilitätswende, aus der Profitorientierung und aus der Konkurrenz auszusteigen – auch zur Sicherung von Beschäftigung. Der gegenwärtige Personalabbau zeigt schon, wie die Unternehmen gedenken, diese Krise für sich zu lösen: Es existiert keine Verbrechen, das es nicht riskiert selbst auf Gefahr des Galgens.

Der Gesprächskreis der Rosa-Luxemburg-Stiftung „Zukunft Auto, Umwelt, Mobilität“ hat längst vor dem Juso-Vorsitzenden die Frage der Vergesellschaftung der Autoindustrie aufgeworfen: „Wem gehört die Fabrik der Zukunft? Wir stellen neue Eigentums- und Verteilungsfragen und wollen eine andere Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und einen Ausstieg der Autoindustrie aus der renditegetriebenen Konkurrenz.  Wir zahlen nicht für Umwelt- und Sozialbetrug. Es geht uns einerseits darum, was, wie und für wen die Menschen in den Auto- und Zuliefererfabriken in Zukunft produzieren, und andererseits darum, wo sich konkrete Potenziale für neue Arbeitsplätze im Verkehrssektor im Zuge des sozial-ökologischen Ausbaus des kollektiven Verkehrs (Infrastruktur, Bahn, Fahrrad- und Fußwege; Schienenfahrzeugbau, emissionsarmer Nutzfahrzeugbereich etc.) – im Kapitalismus und darüber hinaus – ermitteln lassen.“

Daran arbeiten wir weiter!

https://www.rosalux.de/stiftung/gespraechskreise/zukunft-auto-umwelt-mobilitaet/

https://www.jungewelt.de/artikel/354684.debatte-kampf-ums-politische-mandat.html

https://gewerkschaftslinke.hamburg/2019/05/21/jfi-19-2019-video-zur-europa-wahl-funktioniert-nachunternehmerhaftung-bei-paketboten-ver-di-jugend-fordert-auf-bundesjugendkonferenz-verbot-von-leiharbeit-hamburger-senat-verhindert-volks/

Hier der Artikel von mir: „100 Jahre Betriebsräte – der Frieden ist brüchig“:

https://www.kirche-bremen.de/downloads/MaR_32.pdf

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