Gutes Leben statt Hamsterrad – Mehr Plan, mehr Zeit und Bedürfnisorientierung statt Diktatur der Konzerne!

Gespräch mit dem „Schattenblick“ im Anschluss an den Workshop Car Crash beim People’s Climate Summit am 7. November 2017 in Bonn.

Jenseits der Produktion „beginnt die menschliche Kraftentfaltung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit …. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“ (MEW 25.828) Es kommt – so Marx – darauf an, „die Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft auf ein fallendes Minimum zu reduzieren und so die Zeit aller frei für ihre eigne Entwicklung zu machen…. Es ist dann keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die disposable time das Maß des Reichtums.“ (MEW 42.604) [1]

Im Rahmen des People’s Climate Summit in Bonn fand am 7. November im Gustav-Stresemann-Institut (GSI) ein Workshop zum Thema „Car Crash: Über Autokonzerne zwischen „Diesel-Betrug“, dem deutschen Exportmodell und notwendigen Alternativen“ statt. Zur gut besuchten Veranstaltung eingeladen hatten die Klimagruppe von Attac Frankfurt und die Arbeitsgruppe Ökosozialismus der ISO. Es referierten und diskutierten Stephan Krull (Attac AG ArbeitFairTeilen, ehemaliger Betriebsrat bei VW Wolfsburg), Klaus Meier (Linkes Forum Frankfurt a. M., Maschinenbauingenieur und Ökosozialist) sowie Alexis J. Passadakis (Attac). Im Anschluß an den Workshop beantwortete Stephan Krull dem Schattenblick einige vertiefende Fragen zur Organisation der Arbeit und zum Automobilismus.

Foto © 2017 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Stephan, du setzt dich für ArbeitFairTeilen ein. Bist du für das bedingungslose Grundeinkommen, und wenn ja, wie sollte es aussehen?

Stephan Krull (SK): Wir haben in unserem Arbeitskreis mit Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen darüber diskutiert und unterschiedliche Meinungen dazu. Ich könnte jetzt sagen, das ist nicht unser Thema und wir machen es auch nicht zu unserem Thema. Aber wir haben trotzdem eine Position dazu entwickelt. Es gibt innerhalb und außerhalb von Attac Gruppen, die sich für das bedingungslose Grundeinkommen einsetzen. Dazu gibt es unterschiedliche Konzepte, ich will jetzt nicht über Götz Werner reden, der ein sehr neoliberales Modell favorisiert, während andere eher emanzipatorische Konzepte vorhalten. Wenngleich es in unserem Kreis sehr unterschiedliche Meinungen dazu gibt, haben wir uns daran nicht entzweit. Wir haben in einem kleinen Büchlein, das Mohssen Masserrat, Margareta Steinrücke und ich herausgegeben haben, ein Konzept entwickelt. Es heißt „Schritte aus der Krise“ und ist im VSA Verlag erschienen [2]. Darin schlagen wir ein Grundeinkommen vor, das aber nicht bedingungslos ist, sondern mit gesellschaftlich nützlicher Tätigkeit verbunden sein sollte. Wenn Lohnarbeit insgesamt weniger wird, bleibt mehr Zeit für andere gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten im Gesundheitswesen, im Bildungswesen, in der Pflege, im kulturellen Bereich, die heute teilweise gar nicht ausgeführt werden. Wenn Menschen sich außerhalb von Lohnerwerbsarbeit dort engagieren können und wollen, dann kann das unseres Erachtens durch ein Grundeinkommen honoriert werden. Das ist die Position, die wir bisher dazu entwickelt haben. Es ist kein geschlossenes Konzept, sondern der Versuch unsererseits, bei unserem Thema zu bleiben, aber andere nicht vor den Kopf zu stoßen.

SB: Es gibt verschiedene Ansätze, die Wohnung, das Auto oder andere Dinge zu teilen. Diesem kommunalen Konzept stehen vor allem in den USA, inzwischen aber auch verstärkt in Europa, relativ neue profitorientierte Verwertungsmodelle wie Uber oder Airbnb gegenüber. Wie ließe sich verhindern, daß kollektive Ideen auf diese Weise vereinnahmt und ausgebeutet werden?

SK: Es ist seit vielen Jahrzehnten eine Strategie des Kapitals, fortschrittliche Ideen aufzugreifen und in profitgetriebene Modelle zu überführen. Das Carsharing ist keine Erfindung der Automobilindustrie, die es aber längst nutzt. Ich habe im Workshop das Beispiel der Volkswagen-Tochter MOIA genannt, die Fahrdienste für 6 Cent pro Kilometer anbietet und damit althergebrachte Mobilitätskonzepte wie den öffentlichen Personenverkehr trockenlegen will. Öffentlicher Personenverkehr ist ja schon einmal etwas anderes als profitorientierte Mobilität, und wir haben in vielen Kommunen dafür gekämpft, daß Straßenbahnen und Busse nicht privat, sondern öffentlich betrieben werden und den Kommunen gehören. Die erste Aufgabe besteht deshalb meiner Meinung nach darin, den öffentlichen Charakter des Personenverkehrs zu verteidigen. Das halte ich für sehr wichtig, damit das Konzept der Unternehmen nicht aufgeht.

Was die Sharing-Ökonomie betrifft, gibt es eine Bewegung von Menschen, die sagen, ich brauche keinen Schlagbohrer oder elektrischen Rasenmäher zu Hause, ich brauche dieses nicht und jenes nicht, das können wir uns mit den Nachbarn teilen. Wenn es größere Dimensionen annimmt, muß man andere Formen der Absprachen oder Kommunikation finden. Aus der Geschichte kennen wir wirtschaftsdemokratische und genossenschaftliche Konzepte, die in diese Richtung gehen. Und ich glaube, wir müssen in diesem Zusammenhang etwas Neues entwickeln. Was uns heute im Prinzip zur Verfügung steht, wie die Digitalisierung und die Möglichkeiten, die das Internet bietet, gab es früher nicht. Ich bin der Überzeugung, daß wir als Teil demokratischer Gesellschaftsgestaltung und Wirtschaftsorganisation wesentlich mehr kollektiv planen müssen und dafür können wir, aufbauend auf den alten, mehr oder weniger bewährten Formen von Wirtschaftsdemokratie und Genossenschaften, das Internet und die Möglichkeiten der Digitalisierung ganz gut nutzen.

Ich will dazu noch ergänzen, weil planen oft negativ konnotiert und mit Planwirtschaft assoziiert ist, daß es sich dabei auch im Kapitalismus um etwas völlig Normales handelt. Ich habe bei Volkswagen gearbeitet, wo ein Fünfjahresplan erstellt worden ist, der dann auf einen Jahresplan, Monatsplan, Wochenplan, Tagesplan heruntergebrochen wurde. Er bezog sich auf Einkauf, Personal, Material, Energieverbrauch und selbstverständlich auch auf den Vertrieb und Verkauf. Es gibt nicht ein einziges Detail, das nicht geplant wird. Diejenigen, die das in einem Betrieb tun, argumentieren jedoch zugleich, daß es um Gottes willen nicht über den Betrieb hinaus gemacht werden könne. Diesen Schritt müßten wir jedoch gehen, um Konzepte von weniger Ressourcenverbrauch und Naturzerstörung gemeinsam umzusetzen.

SB: Würde eine Arbeitszeitverkürzung durchgesetzt, hätte dies auch einen geringeren Bedarf an Mobilität zur Folge. Müßte in der Diskussion über den öffentlichen Personenverkehr nicht die Frage noch stärker berücksichtigt werden, wozu Menschen überhaupt fahren müssen?

SK: Das war mir vorhin in der Diskussion auch zu eindimensional. Ich habe ja angemerkt, daß ich mit dem ÖPNV-Konzept nicht einverstanden bin. Natürlich reicht es nicht, an einer Stellschraube wie Arbeitszeit oder Auto zu drehen. Ich kann das an einem Beispiel deutlich machen: Wir haben 1994 bei VW die 4-Tage-Woche eingeführt. Es herrschte damals eine krisenhafte Situation, weshalb es gar nicht so sehr um Humanisierung der Arbeit, sondern um Arbeitszeitverkürzung ging, da Entlassungen vermieden werden sollten. Diese Arbeitszeitverkürzung wurde unterschiedlich umgesetzt, teilweise 4-Tage-Woche, teilweise 6-Stunden-Tag, je nachdem, in welchen Prozessen die Menschen beschäftigt waren. Die gesamte Atmosphäre in Wolfsburg hat sich dadurch verändert, daß 20 Prozent weniger gearbeitet wurde und deshalb zwanzig Prozent mehr Zeit zur Verfügung stand. Der gesamte Rhythmus der Stadt war plötzlich ein anderer, und an diesem Beispiel ist mir deutlich geworden, daß so kleine Veränderungen tatsächlich große Auswirkungen haben. Institutionelle Gegner der Arbeitszeitverkürzung argumentierten oftmals, die Leute hätten zwar weniger bei VW, dafür aber mehr schwarz gearbeitet. Das ließ sich empirisch nicht belegen und war eine böswillige Behauptung. Tatsächlich haben die Menschen vieles erledigt, wozu sie sonst keine Zeit hatten, sei es im Haus oder Garten, sei es bei der Reparatur von Maschinen oder im Zusammensein und Zusammenwirken mit Nachbarinnen und Nachbarn. Das ist für mich ein sehr einprägsames Beispiel dafür, daß wir, wenn wir mehr Zeit für uns selbst gewinnen, eine Kreativität freisetzen, von der wir noch gar nicht wußten, daß wir sie haben. Das war wirklich sehr beeindruckend und wurde auch in der Literatur beschrieben sowie bei verschiedenen Untersuchungen, unter anderem vom Wissenschaftszentrum Berlin, analysiert. Das kann man alles nachlesen. Aber wenn man es persönlich erlebt hat, ist es noch viel eindrucksvoller.

SB: Wäre das ein Element des geordneten Übergangs, von dem du im Workshop gesprochen hast, und welche Mittel würde die Gegenseite aufbieten, um ihn zu verhindern?

SK: Ich glaube, daß Arbeitszeitverkürzung unbedingt mit dazugehört und in der Vergangenheit auch stets dazugehört hat. Die Geschichte der Arbeitszeit ist eine Geschichte von außerordentlich harten Auseinandersetzungen. Der 1. Mai ist als Kampftag der Arbeiterklasse in dem Blutbad begründet, das die US-Armee am 1. Mai 1886 auf dem Haymarket in Chicago angerichtet hat. Damals haben Arbeiterinnen und Arbeiter für den 8-Stunden-Tag gekämpft und wurden zusammengeschossen. Daraus ist der 1. Mai als Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse entstanden. Alle vorhergehenden und nachfolgenden Schritte in Richtung Arbeitszeitverkürzung sind gleichermaßen das Ergebnis härtester Auseinandersetzungen gewesen. Der gesetzliche 8-Stunden-Tag war in Deutschland ein Ergebnis der Novemberrevolution 1918. Auch die 40-Stunden-Woche in den 1960er Jahren ist durch lange Streiks erkämpft worden, nur noch tariflich, nicht mehr gesetzlich, und die 35-Stunden-Woche in den 80er Jahren ist ebenfalls durch wochenlange Streiks erkämpft worden, es waren viel härtere Kämpfe als jene um Löhne. Die Arbeitgeber wußten, daß die Belegschaft bei einer Verkürzung der Arbeitszeit auf komische Gedanken kommen würde, die sie davon ablenken könnten, produktiv zu sein und nicht in Frage zu stellen, was sie da eigentlich macht. Das scheint mir ein wesentlicher Grund zu sein, warum Arbeitgeber so hart gegen Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung vorgehen, und zugleich ein guter Grund für uns, diese Auseinandersetzung anzunehmen.

SB: Du hast im Workshop die Auffassung vertreten, daß die Elektromobilität nicht realisierbar sei. Sind dabei aus deiner Sicht eher technische oder politische Gründe maßgeblich?

SK: Ich glaube, daß die Elektromobilität kein Ausweg ist, weil überhaupt nicht genug Strom zur Verfügung steht, um die Menge der vorhandenen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren 1:1 in Elektromotoren umzusetzen. Ich bin zwar kein Techniker, aber der Überzeugung, daß der erforderliche Strom weder in Deutschland, noch in anderen Ländern mit einer ähnlich hohen Motorisierung zur Verfügung steht. Wir beobachten beispielsweise in Norwegen, das bezogen auf die Bevölkerungszahl und die Mobilität insgesamt eine der höchsten Raten zugelassener Elektroautos hat, daß sich die Leute perverserweise ein Elektroauto als Zweitfahrzeug anschaffen, so daß dadurch überhaupt kein Auto ersetzt wird. Ich teile nicht den Optimismus, den heute einige im Workshop geäußert haben, daß sich das mit dem Auto mehr oder weniger von allein erledigt. Es stimmt zwar, daß Teile der jüngeren Generation so klug sind zu sagen, wir brauchen kein Auto. Aber andere, und ich glaube größere Teile von jungen Menschen, brauchen es durchaus, sowohl als Transportmittel als auch als Statussymbol. Die Absatzzahlen von Autos sind in Deutschland nicht rückläufig. Es gibt also überhaupt keine Veranlassung zu glauben, daß es weniger Autos geworden seien oder absehbar würden. Wer es sich leisten kann, hat zwei oder drei Autos in der Familie. Mitunter halten sogar Einzelpersonen mehrere Fahrzeuge, ein großes für den Urlaub und dazu noch einen Sportwagen. Es gibt ja viele reiche Menschen in unserem Land. Das Problem wird sich also nicht von allein erledigen.

SB: Als das Auto vor über 100 Jahren eingeführt wurde, gab es die ersten Todesfälle, weil Leute überfahren wurden. Damals wurden die Fahrer noch wegen Mordes angeklagt. Müßte man heute etwa im Dieselskandal die Verantwortlichen nicht in derselben Schärfe unter Anklage stellen?

SK: Da sind verschiedene Aspekte zu nennen. In Deutschland sterben jedes Jahr über 3000 Menschen bei Verkehrsunfällen hauptsächlich im Zusammenhang mit Autos. Betroffen sind in erster Linie Fußgänger und Radfahrer, erst in zweiter Linie die Insassen von Autos, deren Schutz erheblich verbessert wurde. Dabei kommt es in Einzelfällen zu Anklagen, wenn der Unfall beispielsweise unter Einfluß von Alkohol oder fahrlässig geschehen ist. Aber es ist der Autoindustrie tatsächlich gelungen, das Verhältnis umzukehren und die Opfer des Straßenverkehrs eines Fehlverhaltens zu bezichtigen. In Großbritannien gab es ehemals ein bezeichnendes Gesetz, Red Flag Act genannt. Vor jedem Auto, das durch ein Dorf oder eine Stadt fuhr, mußte jemand mit einer roten Fahne vorweglaufen, um vor dem Fahrzeug zu warnen. Ich finde, daß durch strikte Geschwindigkeitsbeschränkungen – innerorts vielleicht 30 oder maximal 40 km/h, außerorts 90 km/h, auf Autobahnen vielleicht 100 oder 110 km/h – das Unfallrisiko drastisch gesenkt werden könnte, das ist nachweisbar.

Was den Abgasbetrug angeht, so verursacht er Schadstoffemissionen, die in Europa zu rund 11.000 frühzeitigen Todesfällen jährlich führen. Aus diesem Grund gibt es innerörtlich Schadstoffgren-

zen, die in ppm (parts per million) angegeben und in vielen Städten häufig überschritten werden. Es laufen derzeit Klagen der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland, weil Vorschriften nicht umgesetzt werden. Städte wie Stuttgart haben eine Umsetzung angekündigt, was aber nur in Form von Fahrverboten möglich ist. Auf dem Dieselgipfel wurde jedoch vereinbart, daß Fahrverbote vermieden werden sollen. Im Grunde genommen könnte man das als Körperverletzung mit Todesfolge bezeichnen, weil nachweisbar ist, daß durch diese Schadstoffemissionen Menschen frühzeitig sterben. Ich würde nicht ausschließen, daß künftig auch Personen wegen Körperverletzung klagen, und finde, es wäre berechtigt. Das mindeste, was man in einem Rechtsstaat machen müßte, wäre diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die diesen gigantischen Betrug verursacht haben, sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Manager, die diesen Betrug organisiert haben, immer noch Betriebe führen dürfen. Im Grunde genommen müßte man ihnen die Erlaubnis entziehen, so wie jedem, der beispielsweise Gammelfleisch verkauft. Wer jedoch Dreckschleudern verkauft, bekommt noch Subventionen hinterhergeworfen. Damit macht sich dieser Rechtsstaat sehr unglaubwürdig.

SB: Warum wird VW in den USA angeklagt, in Deutschland aber nicht? Liegt dem ein Konkurrenzkampf der US-amerikanischen mit der deutschen Autoindustrie zugrunde, wie das teilweise diskutiert wird?

SK: Es gibt in den USA eine andere Umweltgesetzgebung als in Deutschland, wobei das in den einzelnen US-Bundesstaaten noch einmal unterschiedlich ist. Gegen diese Gesetze haben Volkswagen und andere verstoßen, und zwar bewußt. Deshalb die Anklage wegen Verletzung der Umweltgesetze, aber darüber hinaus auch Anklage gegen VW-Manager wegen Verschwörung gegen die Justiz und den Staat USA. Das ist schon schwerwiegend. Aber zu behaupten, diese Durchsetzung der Gesetze in den USA sei ein Instrument zur Knechtung der deutschen Automobilindustrie, halte ich für ein nationalistisches Argument, das durch nichts begründet ist und im Grunde genommen von den Tätern ablenken soll. Es gibt überhaupt kein Indiz dafür, daß das so wäre, und ist im übrigen alles schon vor Trump passiert. Es liegt eine Übersetzung der Vereinbarung der US-amerikanischen Justiz mit Volkswagen vor, in der VW alle diese Vergehen eingesteht.

SB: Hast du eine Utopie, wie die Verkehrsverhältnisse künftig aussehen sollten oder wünschenswert wären?

SK: Das ist Teil meiner Kritik an dem Konzept der Elektromobilität. Ich möchte nicht, daß wir das, was wir heute an Verkehr mit Verbrennungsmotoren haben, morgen mit Elektroautos fortsetzen. Dadurch würde sich überhaupt nichts Grundsätzliches ändern. Zum einen sollte ein gut ausgebauter öffentlicher Personenverkehr durchgesetzt werden. In den Städten haben wir ihn auf einem guten Weg, wenn auch noch nicht befriedigend. In ländlichen Regionen fehlt er völlig. Das muß unbedingt aufgeholt werden. Ich habe in Wolfsburg bei Volkswagen gearbeitet und komme aus einer Region, in der eine neue Autobahn gebaut wird, die A 39 von Braunschweig nach Wolfsburg mit Verlängerung bis zur A 7 nach Kassel soll jetzt nach Norden erweitert werden. Ich glaube, jeder Kilometer kostet zwei Millionen Euro, es geht um Milliardensummen. Das ist natürlich falsch investiert, denn wo Straßen existieren, kommt Verkehr hin. Man müßte jeden Straßenneubau sofort beenden, dadurch würde viel Geld freiwerden, um zum Beispiel in der Region, über die ich jetzt gesprochen habe, S-Bahn-Verbindungen zu schaffen, auf denen auch Güterverkehr stattfinden kann. Das gibt es bisher nicht. Die Leute sind darauf angewiesen, mit dem Auto zur Autofabrik zu fahren.

Zum zweiten würde ich zustimmen, daß man die Wege überprüfen muß, die wir zurückzulegen haben. Arbeitszeitverkürzung auf eine 4-Tage-Woche würde dazu führen, daß wir einen Tag weniger fahren müßten. Würde kleinräumiger gewirtschaftet, indem Wirtschaftskreisläufe in Regionen stattfinden, dann muß man nicht jeden Tag von Berlin nach Wolfsburg und zurück im Intercity fahren. Das machen über 1000 Menschen, die sich morgens in Berlin in den Zug setzen und 60 Minuten später in Wolfsburg sind, wo sie in die Fabrik gehen, und abends fahren sie wieder zurück. Das ist doch völlig verrückt! Arbeitsmöglichkeiten und Einkaufsmöglichkeiten müssen an die Menschen herangebracht und dürfen nicht aus den Städten und Orten ausgelagert werden. Das fällt mir dazu ein, wie ich mir Verkehr und Mobilität künftig wünschen würde.

SB: Stephan, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch

http://www.thur.de/philo/thiel2.html

http://www.attac-netzwerk.de/ag-arbeitfairteilen/startseite/

http://Stephan Krull/Mohssen Massarrat/Margareta Steinrücke (Hrsg.): Schritte aus der Krise. Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohn, Grundeinkommen: Drei Projekte, die zusammengehören, Reader der Attac AG ArbeitFairTeilen 2009, 96 Seiten, ISBN 978-3-89965-393-91

http://www.schattenblick.de/infopool/buerger/report/brri0163.html

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